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Indigene Fußballerinnen in Australien

Alina Schwermer
1. November 2022

Australiens Stürmerin Kyah Simon ist ein Vorbild für viele Indigene und Aborigines. Bei der kommenden Weltmeisterschaft sollen sie und ihre Kultur sichtbar sein. Dafür kämpft auch die Indigenous Football Week.

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Fußball Frauen | Australien | Kyah Simon
Bild: Nigel Owen/Action Plus/picture alliance

Fünf Jahre ist es her: Kyah Simon war bereits 26 Jahre alt und eine vielfach ausgezeichnete australische Fußball-Nationalspielerin, als ihre Mutter ihr die ganze Familiengeschichte erzählte. Wie Kyahs Großmutter als Kind ihrer Familie entrissen wurde und als Magd für Weiße arbeiten musste. Wie Kyah Simons Mutter in großer Armut aufwuchs. Wie einmal der Onkel von einem rassistischen Weißen auf offener Straße fast bewusstlos geprügelt wurde.

Wie auf der väterlichen Seite der Großvater vom Zweiten Weltkrieg traumatisiert heimkehrte, soff und die Großmutter verprügelte, die früh starb. Wie die Tante an einer Drogenüberdosis starb und der Vater sich mit seinen Cousins Boxkämpfe lieferte, damit die Weißen ihnen ein paar Münzen zuwarfen.

Gegen Diskriminierung und Rassismus

Kyah Simon, die 2011 als erste indigene Australierin bei einer WM ein Tor für ihr Land erzielte, die erste Indigene, die über 100 Länderspiele erreicht hat, versteht ihren Lebensweg seitdem viel besser. "Meine Eltern haben viel Diskriminierung und Rassismus erlebt und meine Geschwister und ich auch einen ordentlichen Anteil. Aber wir haben uns nie gescheut, zu sagen wer wir sind, und wir sind stolz darauf."

Vor einem Jahr, bei den Olympischen Spielen in Tokio, zeigte das australische Nationalteam um die mittlerweile 31-jährige Kyah Simon statt des #BlackLivesMatter-Kniefalls die Flagge der Aborigines. Es sind auch Vorbilder wie Simon, die die Indigenous Football Week (IFW) in Australien sichtbar machen will.

Im Jahr 2015 wurde die IFW erstmals veranstaltet. Sie wird organisiert von der John Moriarty Football-Initiative. In der diesjährigen Woche, die am 30. Oktober zu Ende ging, gab es unter anderem ein Wohltätigkeitsturnier verschiedener Unternehmensteams, Freundschaftsspiele für Jugendteams in 19 indigenen Communities und eine internationale Konferenz mit Wissensaustausch, wie man Indigenen den Zutritt in den Fußball erleichtern kann. Die Stiftung ist benannt nach John Moriarty, der 1960 bei den Männern Australiens erster indigener Nationalspieler im Fußball wurde. Bei den Frauen, doppelt marginalisiert, dauerte es noch länger: Karen Menzies erkämpfte sich 1983 als erste indigene Spielerin einen Startplatz bei den "Matildas".

Große Tradition und neue Stars

Dabei ist die Tradition des Fußballs in vielen Communities groß. Der Wissenschaftler John Maynard beschreibt, dass bereits im 19. Jahrhundert beim Volk der Nyeri Nyeri eine Fußballvariante gespielt worden sei. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts hätten indigene Frauen gespielt - eine Chance, dem brutalen Alltag zu entfliehen. In den Achtzigerjahren entstand in Brisbane Tiwiwarrin ("Schnell und flink"), ein rein indigenes Frauenteam, das in den Farben der Aborigine-Flagge antrat. Und derzeit gibt es vor allem bei den Frauen einen Zuwachs an Spitzenspielerinnen der First Nations.

Darunter Allira Toby, Stürmerin bei Canberra United, Jada Whyman, Torhüterin des Sydney FC und ihre Teamkameradin Shadeene Evans. Letztgenannte wuchs in der abgelegenen, winzigen Community Borroloola auf und kam erst über die Moriarty-Stiftung zum Fußball. Und unter den großen Stars zu nennen ist neben Kyah Simon und ihrer Cousine, Verteidigerin Gema Simon, natürlich Lydia Williams, die aktuelle Nationaltorhüterin. Sie hat 2019 ein Kinderbuch über ein indigenes Mädchen veröffentlicht, das Fußball spielt.

Indigene im Fußball deutlich unterrepräsentiert

Dennoch können diese prominenten Gesichter nicht darüber hinwegtäuschen, wie unterrepräsentiert Indigene in Australiens Fußball sind. Etwa vier Prozent der australischen Bevölkerung, rund 984.000 Menschen, galten 2022 als indigen. Im Fußball der Männer und Frauen, den rund eine Million Menschen betreiben, gibt es etwa 6.000 Spielende der First Nations. Das entspricht gerade einmal 0,6 Prozent.

Und aktuelle Geschichten aus dem australischen Sport zeigen, dass die Stimmen marginalisierter Athletinnen lauter werden, der Rassismus gesellschaftlich jedoch weiterhin tief verwurzelt ist.

Skandal um Sponsor Hancock

Die indigene Netball-Nationalspielerin Donnell Wallam weigerte sich im Oktober, das Logo der Bergbaufirma Hancock Prospecting auf dem Trikot zu tragen. Hancock wird für die Ausbeutung indigener Communities kritisiert. Der Vater der aktuellen Firmenchefin Gina Rinehart, eine der größten Investorinnen im australischen Sport, schlug einst vor, Aborigines auszurotten, indem man ihnen Wasser gebe, das sie sterilisiere.

Netballerin Donnell Wallam beim Spiel NSW Swifts gegen Queensland Firebirds
Netballerin Donnell Wallam war nicht bereit den Namen "Hancock" auf ihrem Trikot zu tragenBild: Nigel Owen/Action Plus/picture alliance

Tochter Rinehart hat sich für die Äußerungen ihres Vaters nie entschuldigt. Stattdessen klagte sie nun, dass Sport als Mittel für soziale und politische Ziele benutzt würde. Teamkameradinnen solidarisierten sich mit Wallam, man suchte nach einem Kompromiss. Doch die Firma entzog dem Verband schlicht ihr Sponsoring in Höhe von 15 Millionen australischer Dollar (ca. 9,7 Millionen Euro).

Erst im September wurde der Fall dreier indigener Footballspieler vom Hawthorn FC bekannt, die über rassistisches Mobbing und erzwungene Trennung von ihren Familien klagten.

Mehr Institutionen für Teilhabe

Die siebte Indigenous Football Week will dafür sorgen, dass sich langfristig Strukturen ändern. So startet nun der IFA Council (Indigenous Football Australia), der mehrheitlich indigen und geschlechterparitätisch besetzt ist. Seine Arbeit soll darin bestehen, die Tätigkeit der Stiftung zu beaufsichtigen und auszubauen sowie Bindeglied zu den australischen Profiligen zu sein. Gründungsmitglied ist auch Verteidigerin Gema Simon.

Kyah Simon ist indessen Mitglied der vor einem Jahr gegründeten National Indigenous Advisory Group, die dafür sorgen soll, dass mehr Aborigines und Indigene der überwiegend zu Australien gehörenden Torres-Strait-Inseln es in den Spitzenfußball schaffen und sie und ihre Kultur sichtbarer werden. Indigene von den Torres-Strait-Inseln werden separat genannt, weil sie nicht mit den Aborigines verwandt sind.

Kleine Etappensiege gibt es bereits zu vermelden: Bei der kommenden WM 2023 in Australien und Neuseeland sind die Städte doppelt benannt, auf Englisch und mit dem lokalen indigenen Begriff: Das Eröffnungsspiel findet in Auckland/Tamaki Makaurau, das Finale in Sydney/Gadigal statt.