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Ein Froschzüchter kämpft gegen Wilderer

Manuel Rueda
17. März 2021

Kolumbien gilt als eines der artenreichsten Länder der Welt. Doch jedes Jahr fallen tausende Tiere der Wilderei zum Opfer. Ein Züchter will bedrohte Arten vor dem Aussterben bewahren.

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Ein Goldener Pfeilgiftfrosch sitzt auf einem Blatt in Froschfarm von Manuel Rueda in Kolumbien
Der Goldene Pfeilgiftfrosch gilt als giftigster seiner Art und ist bei Sammlern heiß begehrtBild: Manuel Rueda

In Ivan Lozanos entlegener Betriebsanlage befinden sich mehrere Dutzend Glaskästen, fein säuberlich gestapelt, bepflanzt und ultraviolett beleuchtet. Diese Terrarien dienen einigen der am meisten gefährdeten Forscharten Kolumbiens als Zuhause.  

Mit seiner kleinen Farm in der Nähe von Kolumbiens Hauptstadt Bogota versucht Lozano den Wildtierhändlern, die die Wälder des Landes plündern, etwas entgegenzusetzen. "In Kolumbien gibt es Froscharten, die in so großer Zahl gewildert wurden, dass sie fast ausgestorben sind", sagt er.  

Er sei bereits als kleiner Junge von Tieren fasziniert gewesen, erzählt Lozano. Er studierte Wildtiermanagement in Großbritannien und beschloss dann, sich auf den Naturschutz in der eigenen Heimat zu konzentrieren. Im Jahr 2006 gründete er Tesoros de Colombia - Schätze Kolumbiens. Mit diesem Projekt will er Arten schützen, die durch Wilderei vor der Ausrottung stehend. 

Lozanos Firma hat die Genehmigung der Regierung, sieben gefährdete Amphibienarten zu züchten und zu exportieren, darunter den schwarz-gelb gestreiften Lehmanns Baumsteiger und den Goldenen Pfeilgiftfrosch, beide begehrt bei Sammlern auf der ganzen Welt. Jedes Jahr züchtet er einige Tausend Frösche, die je nach Art und Alter für 30 bis 500 Dollar verkauft werden.

Ein schwarz-gelb gestreifter Lehmanns-Baumsteiger-Forsch sitzt auf einem Ast in Ivan Lozanos  Froschfarm in Kolumbien
Ebenfalls sehr begehrt: der schwarz-gelb gestreifte Lehmanns Baumsteiger Bild: Manuel Rueda

Zu seinen Kunden gehören private Sammler in den Vereinigten Staaten, den Niederlanden und Indonesien, die Frösche zu Hause halten wollen, sowie Organisationen wie Frogs & Friends aus Deutschland, die versuchen, eigene Zuchtprogramme zu etablieren. 

Gegen den illegalen Handel mit Wildtieren

"Wir helfen den Behörden, den Wildtierhandel zu bekämpfen, indem wir Käufern die Alternative bieten, legal gezüchtete, gesunde Frösche zu bekommen", so Lozano. Er ist überzeugt, dass Zuchtprojekte im Kampf gegen den weltweiten illegalen Handel mit Wildtieren zunehmend  Bedeutung gewinnen. Der Handel mit Wildtieren ist der viertgrößte illegale internationale Handel der Welt, nach Drogen, Fälschungen und dem Menschenhandel.  Pro Jahr werden laut Schätzungen Umsätze im Wert von 19 Milliarden Dollar erzielt.

Froschzüchter Ivan Lozano öffnet vorsichtig ein Terrarium auf seiner Froschfarm in Kolumbien
"Diese Art von Projekt erfordert viel Leidenschaft", sagt Froschzüchter Ivan Lozano Bild: Manuel Rueda

"Es funktioniert nicht, den Tierhandel einfach zu verbieten. Solange es eine Nachfrage nach diesen Tieren gibt und jemanden, der bereit ist dafür zu zahlen, werden die Leute einen Weg finden, an sie heranzukommen", meint der Tierzüchter. 

Trotz des Wildereiverbots werden jährlich Tausende von Fröschen aus den Wäldern entlang der kolumbianischen Pazifikküste entwendet. Schmuggler zahlen den Bauern für den Fang eines Tieres rund zwei Dollar. In den vergangenen Jahren wurden Hunderte von Fröschen, die für europäische Ziele bestimmt waren, von der Polizei am internationalen Flughafen von Bogota beschlagnahmt.

Im Jahr 2020 verhinderte die Polizei nach eigenen Angaben die illegale Ausfuhr von insgesamt mehr als 19.000 gewilderten Tieren. Doch das Land hat Schwierigkeiten die Schmuggler zu stoppen, nur selten folgt den Beschlagnahmungen auch eine Strafverfolgung.

Reicht die Zucht als Erhaltungsstrategie? 

Aber nicht immer schaffen es Zuchtprojekte, Wilderer aus dem Geschäft zu drängen, sagt Laura Tensen. Die südafrikanische Zoologin untersuchte Dutzende solcher Projekte auf der ganzen Welt.

In Vietnam mussten Züchter von Schildkröten, Stachelschweinen und Schlangen feststellen, dass Verbraucher bereit waren, mehr für wild gefangenes Fleisch zu zahlen, weil es als schmackhafter gilt. Studien in China ergaben, dass Medizin, die aus wilden Tigern oder Bären hergestellt wird, für wirksamer gehalten wird als solche aus gezüchteten Tieren. Ihr wird zudem ein größerer "spiritueller Wert" beigemessen. 

Wildtierhandel - Was tun gegen das kriminelle Geschäft?

Doch Tensen verweist auch auf erfolgreiche Beispiele von Zucht, wie die von Nerzen und Silberfüchsen für die Pelzindustrie in den USA und Kanada. Der Schlüssel liege darin, die Produkte effektiv zu vermarkten und den Prozess kosteneffizient zu gestalten. Doch das alleine reiche nicht, meint die Zoologin. Denn die Schaffung eines legalen Marktes erhöhe die Nachfrage nach Tierprodukten und das wiederum verleite Menschen dazu, Wildtiere zu fangen und zu verkaufen, erklärt Tensen. Deswegen müssten Regierungen strengere Vorschriften für die Zertifizierung von Exemplaren aus der Zucht erlassen.

Um Geldwäsche zu verhindern, weist Froschzüchter Lozano jedem seiner Frösche eine Seriennummer und eine Fotoidentifikation zu. Diese Informationen werden dann in einer Datenbank registriert und an Zollbeamte in Europa und den USA weitergeleitet.  

Den Gewinn des Wildtierhandels schmälern

Lozano bringt seinen Kunden auch bei, wie sie selbst Frösche züchten können, indem er ihnen Online-Material und Ratschläge kostenfrei zur Verfügung stellt. Für ihn steht fest: Je mehr Arten aus der Zucht auf dem Weltmarkt sind, desto weniger kann mit wilden Tieren verdient werden und desto unattraktiver wird der Wildtierschmuggel als Geschäftsmodell.

Julio Rodriguez, ein Froschliebhaber in New York City, kauft Frösche von Lozano und einer anderen Farm in Ecuador "wegen der Qualität", wie er sagt. "Wenn man ein geschmuggeltes Tier bekommt, weiß man nicht wie alt es ist oder was es für Krankheiten hat." Unter Lozanos Anleitung züchtete Rodriguez letztes Jahr 200 Goldene Pfeilgiftfrösche und verkaufte sie an Großhändler in den USA für 30 Dollar pro Stück. Vor einem Jahrzehnt hätten die gleichen Frösche noch mehr als 100 Dollar gekostet, berichten Rodriguez und Lozano. 

Blick in einen Flur mit Terrarien auf Ivan Lozanos Froschfarm in Kolumbien
Die Tiere aus Ivan Lozanos Froschfarm erhalten alle eine Seriennummer und einen FotoausweisBild: Manuel Rueda

Aber der Wettbewerb mit den illegalen Händlern ist oft hart. So ist beispielsweise die Zucht von Lehmanns-Baumsteiger-Fröschen sehr schwierig, die verkauften Tiere sind deswegen teuer. Rund 400 Dollar nimmt Lozano pro Frosch. Wildtierschmuggler hingegen können die Frösche für nur wenige Euro in freier Wildbahn jagen lassen.  

"Armut fördert Wilderei"

Mileidy Betancourth, Froschspezialistin an der Universität Los Andes in Bogota, schätzt, dass 80.000 dieser Frösche - bekannt für ihre gelben und schwarzen Streifen - zwischen 1977 und 2009 aus einer Bergkette entlang der kolumbianischen Pazifikküste erbeutet wurden. Doch nicht die Zucht in Menschenobhut habe die Art vor dem Aussterben bewahrt, sagt Betancourth, sondern die Tatsache, dass einer ihrer letzten verbleibenden Lebensräume in einem Naturschutzgebiet rund um einen Staudamm liegt, der von einem Wasserkraftunternehmen streng bewacht wird.

Ein Mädchen und ein Junge fahren auf Fahrrädern im Lisboa-Viertel in Kolumbiens Hauptstadt Bogota an einem verfallenen Gebäude vorbei
Im Lisboa-Viertel in Bogota gibt es weder fließend Wasser noch geteerte Straßen - ist Armut ein Treiber von Wilderei?Bild: N. Jaussi

Nach Betancourths Einschätzung wird der illegale Handel weitergehen, solange Armut herrscht und die Regierung die Lebensräume der Tiere nicht ausreichend schützt. So zeige die geringe Summe von zwei bis fünf Dollar, welche die Einheimischen pro Frosch in der Regel erhielten, deutlich deren fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven. "Zucht ist eine Möglichkeit, den illegalen Handel zu stoppen", so Betancourth, "aber ich bin mir nicht sicher, ob es die einzige Lösung oder gar die ultimative Lösung ist."  

Lozanos Projekt war bisher ein schwieriges Unterfangen. Immer noch zahlt er Schulden aus den fünf Jahren zurück, in denen er sich um staatliche Genehmigungen bemühte. Vergangenes Jahr reichte zudem eine Umweltbehörde in der kolumbianischen Provinz Risaralda Klage gegen ihn ein. Sie meint, dass die neuen Genehmigungen, die der Firma erlauben, 20 Tiere bestimmter Frosch- und Vogelarten zu fangen, den Ökotourismus in der Gegend bedrohen. Lozano bestreitet das. Er erklärte zudem, er werde die betreffenden Genehmigungen so lange nicht nutzen, bis eine Einigung mit der Behörde und den lokalen Gemeinden erzielt worden sei. 

Dennoch lässt Lozano sich von den Schwierigkeiten oder der Kritik an Nachzuchtprojekten nicht abschrecken. "Diese Art von Projekt erfordert viel Leidenschaft, es gibt immer eine Menge Hindernisse." Dennoch glaubt er an ihren Nutzen, angesichts der vielen Arten, die immer noch von Wilderern gejagt werden - und angesichts dessen, was auf dem Spiel steht: Kolumbiens artenreiche Flora und Fauna. Und Lozano hofft, eines Tages mit seinen Gewinnen Naturschutzprojekte finanzieren zu  können, um die noch in der Wildnis lebenden Tiere zu erhalten. 

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