Künstlerkolonie Worpswede: Vom Bauerndorf zur Inspirationsquelle
Sie wollten der Industrialisierung entfliehen und zogen ins Moor: Maler wie Paula Modersohn-Becker, Heinrich Vogeler und Dichter wie Rainer Maria Rilke machten das beschauliche Worpswede zu einer Künstlerkolonie.
"Heuernte im Moor" (1910)
Weite Landschaften, der endlose Himmel und das Licht locken zur Zeit der Industrialisierung und technischem Fortschritt viele Künstler nach Worpswede. 1889 gründen sie dort eine Künstlerkolonie. Wo sonst Moorbauern mit ihren Torfkähnen durch die Kanäle schippern, wollen die Aussteiger in Gemeinschaft leben und arbeiten. Otto Modersohn, von dem dieses Bild stammt, ist einer der Mitbegründer.
"Selbstbildnis vor blühenden Bäumen" (1903)
Paula Modersohn-Becker, hier ein Selbstporträt, besucht bei einem Sonntags-Ausflug das Dorf im Teufelsmoor in der Nähe von Bremen. Beeindruckt von der Abgeschiedenheit der neuen Künstlerkolonie entscheidet sie sich zu bleiben. Bei Fritz Mackensen, einem der Gründer der Künstlerkolonie, nimmt sie Zeichen- und Malunterricht. Den Maler Otto Modersohn wird sie später heiraten.
"Schützenfest in Worpswede" (1904)
Mit ihrer expressionistischen Malerei, wofür Paula gern bäuerliche Motive verwendet, ist die Künstlerin Modersohn-Becker ihrer Zeit weit voraus. Das gefällt nicht allen: Rainer Maria Rilke, verheiratet mit der Worpsweder Bildhauerin Clara Westhoff, beschreibt die befreundete Künstlerin in einem Brief als "rücksichtslos geradeaus malend". Heute gilt Paula als eine Wegbereiterin der Moderne.
"Weyerberg mit Sommerwolken" (1899)
Wo früher der Landschaftsmaler Hans am Ende - hier ein Gemälde von ihm - arbeitete, gibt es heute ein Hotel und auf der Terrasse Kaffee im Kännchen und Sahnetorte. Hans am Ende wohnte direkt neben dem Barkenhoff, den Heinrich Vogeler zum Zentrum der Künstlerkolonie ausbaut. In Vogelers vom Jugendstil geprägten Bilder taucht Worpswede eher in hellen Farben auf.
"Abendstimmung im Moor" (1900)
An der Kunstakademie lernt Carl Vinnen (Bild) Mackensen und Modersohn kennen. Sie gründen die Künstlervereinigung Worpswede, um die Kunst der Kolonie besser präsentieren zu können. Als Otto Modersohn 1899 aus der Vereinigung austritt, entfernt sich auch Vinnen von ihr. Vogeler wandelt sich zum Kommunisten, Mackensen sympathisiert mit völkischen Organisationen - die Gemeinschaft bröckelt.
"Abend im Moor" (1896)
Nicht alle, die nach Worpswede zum Malen kommen, bleiben dort. Fritz Overbeck wird von Otto Modersohn überredet, Mitglied der Künstlerkolonie zu werden. Nach knapp zehn Jahren zieht der Maler im Jahr 1905 jedoch wieder weg - es kommen ihm zu viele Besucher in das Dorf. Der touristische Trubel stört seine Arbeitsruhe, in der Bilder wie dieses vom abendlichen Moor in Worpswede entstehen.
"Das Konzert oder Sommerabend auf Barkenhoff" (1905)
Dieses Gemälde von 1905 ist das berühmteste Werk von Heinrich Vogeler. Was auf den ersten Blick nach Idylle aussieht, lässt sich auch als Abgesang auf die Künstlerkolonie interpretieren: Beziehungen zwischen den Gemalten sind kaum zu erkennen. Die Gemeinschaft der ersten Künstler-Generation in Worpswede war damals schon zerbrochen. Heute leben rund 130 Künstler in dem 5000-Einwohner-Ort.