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Junge Griechen auf Jobsuche in Berlin

28. Februar 2012

Immer mehr junge Griechen suchen ihr Glück in Deutschland. Sie hoffen auf Jobs und die Hilfe ihrer Landsleute vor Ort. Sie organsisieren sich im Internet - und doch gehen nicht alle Träume in Erfüllung.

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ARCHIV - Berufseinsteiger informieren sich auf der Aus- und Weiterbildungsmesse "Chance 2010" in Halle/Saale an einer Job- und Lehrstellenbörse (Archivfoto vom 29.01.2010). Wenn die Wirtschaft aus dem Tritt gerät, sind junge Leute oft die ersten, die ohne Job dastehen. Die Nachwehen der Krise sind für die 15- bis 24-Jährigen lange nicht vorbei: Die UN stellt eine Rekord-Arbeitslosigkeit fest - und warnt vor einer «verlorenen Generation». Dabei kommen die jungen Jobsuchenden in den Industrieländern noch vergleichsweise glimpflich davon. In Deutschland etwa waren 2009 rund 40 Prozent mehr junge Leute arbeitslos als 2000. Foto: Hendrik Schmidt dpa (zu dpa-Korr "Junge Arbeitslose als verlorene Generation ?" vom 12.08.2010) +++(c) dpa - Bildfunk+++
WI finde ich einen Job?Bild: picture-alliance/dpa

Früher arbeitete sie als Anwältin in Griechenland, jetzt ist sie nach Berlin gekommen.  Mavroeidi Afroditi wirbt online um Mandanten, wo auch Wohnungen gesucht werden und Babysitter – die Facebook-Gruppe Greek-Berliners hat über 1350 Mitglieder und wächst täglich weiter wie die Zahl der Griechen, die nach Deutschland ziehen.

Deutschland als Ziel

Die Krise hat eine Wanderungsbewegung in Gang gesetzt und Deutschland, so hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt, ist das wichtigste "Zielland". 8900 Griechen - fast doppelt so viele wie vor der Krise - kamen allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nach Deutschland, trotz deutscher Boulevard-Berichterstattung über "Pleite-Griechen" und Nazi-Diffamierungen in griechischen Medien. Die immer noch gute wirtschaftliche Lage lässt die Zuwanderer auf Arbeit hoffen und die vielen Bundesbürger mit griechischen Wurzeln auf Unterstützung beim Neustart.

Beratung für Neu-Berliner

In Berlin zum Beispiel wird der deutsch-griechische Kulturverein Exantas mit Anfragen überhäuft. Vor sieben Jahren von sieben Leuten gegründet, hat der Verein nun fast 100 Mitglieder und sucht Büroräume für die Beratung der griechischen Neuberliner. Exantas bietet Hilfe bei den ersten Schritten in die deutsche Bürokratie. Beim Hauptanliegen der griechischen Neuberliner aber könne man kaum helfen, bedauert Vorstandsmitglied Vassilis Papadopoulos. Exantas hat keine Arbeit zu vergeben. Der Ingenieur ist Sohn griechischer Gastarbeiter, lebt seit den 1970er Jahren in Berlin und sichtlich erschüttert über die Not seiner Landsleute. Selbst auf seiner Privatnummer meldeten sich verzweifelte Jobsuchende, erzählt er, hochqualifizierte Leute mit zwei  Studienabschlüssen, die sich schrecklich fühlten, ihren Eltern auf der Tasche zu liegen. Über den Zulauf für seinen Verein kann er sich nicht freuen. Die Situation seines Heimatlandes, dessen Zukunft gerade auswandere, nennt er eine "Tragödie" – und kann trotzdem jeden verstehen, der geht. Schließlich, sagt er, würden auch die Griechen im Ausland ihr Land niemals vergessen. "Die Städte in den 70ern wurden mit Geld aus dem Ausland gebaut", meint er. Das in Deutschland verdiente Geld der Gastarbeiter habe geholfen, die griechische Wirtschaft anzukurbeln. Bleibe zu hoffen, dass sich dieses Phänomen mit den neuen, qualifizierteren Zuwanderern wiederhole - wenn sie denn Arbeit finden.

Für Künstler der richtige Ort

Berlin ist dafür nicht unbedingt ein idealer Ort, auch hier liegt die Arbeitslosigkeit hoch, bei rund 13 Prozent. Aber Berlin ist international, klappt nicht die Bürgersteige hoch und sei für Künstler und Kulturschaffende sowieso der richtige Ort. So sieht es Neuberlinerin Elpiniki Zervou, einst Opernsängerin an der Athener Oper, jetzt Star einer deutsch-griechischen Co-Produktion an der Neuköllner Oper. Ihr Engagement an der kleinen Berliner Bühne ist eine Chance für beide Seiten: der Pressemann der Neuköllner Oper gibt offen zu, dass man sich die Opernsängerin zu ihren früheren Gagen nicht hätte leisten können – und für Elpiniki Zervou ist der Auftritt in Berlin ihre Chance für den Sprung nach Deutschland. Berlin, sagt die Sängerin, habe sie immer fasziniert – die Krise Griechenlands sei nur der Auslöser gewesen für ihre Emigration.

Und nun? Steht der Umzug an in ein 20-Quadratmeter-Zimmer in Schöneberg, das sie mit ihrem Lebensgefährten teilen wird. Auch er hat sich zum Sprung nach Deutschland entschlossen, ein Fotograf, der früher im Tourismus jobbte und nun  „jede Arbeit“ annehmen würde.

Netzwerk von Griechen für Griechen

Jede Arbeit annehmen – das hören derzeit fast alle griechischen Besitzer von Unternehmen und Tavernen von ihren vielen Anrufern täglich, allerdings oft in ihrer Muttersprache. Fehlende Deutschkenntnisse sind die größte Hürde für den ersten Job, obwohl die meisten der hochqualifzierten griechischen Zuwanderer fließend englisch sprechen. Da bleibt die Hoffnung auf Hilfe von Landsleuten. Mit diesen Gedanken wurde auch die Seite hireagreek.com gegründet. Ihr erklärtes Ziel: Geschäftsleute mit griechischen Wurzeln mit Bewerbern aus Griechenland zusammen zu bringen – idealerweise für Jobs, die sich von ferne erledigen lassen, die also Geld ins Land bringen würden, ohne dass weitere qualifizierte Mitarbeiter auswandern müssen. In der Praxis aber werden die Fleischer, Köche, Laborassistenten, die dort ihre Dienste anbieten, wohl zu ihrem Auftraggeber ziehen müssen.

Opernsängerin Elpiniki Zervou wird bald wieder in Griechenland sein, allerdings nur für ein paar Tage. Die Neuköllner Oper zeigt ihre bitterböse deutsch-griechische Satire auf die Euro-Rettungsschirme auch in Thessaloniki. Nach dem Gastspiel aber kehrt die Sängerin in ihr neues Zimmer in Berlin Schöneberg zurück – und hofft auf weitere Engagements in Deutschland.
 

Autorin: Marion Hütter
Redaktion: Henrik Böhme