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Jugend im Lockdown: Schwieriges Thema für alle

Kay-Alexander Scholz
28. April 2021

Jugendliche und Kinder leiden unter der Corona-Pandemie. Sie haben zurückgesteckt, soziale Unterschiede haben sich verstärkt. Das kommt zwar langam in der Politik an, viele Wünsche der Jungen bleiben aber noch offen.

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Deutschland Coronavirus Lockdown
Bild: Flashpic/dpa/picture alliance

Verlorene Zeit fühlt sich für Jugendliche viel länger an als für Erwachsene. "Als 16-Jähriger habe ich ein Sechzehntel meiner bisherigen Lebenszeit verpasst", sagt der Gymnasiast Pascal H. aus Nordrhein-Westfalen der DW. "Bei einem 40-Jährigen ist es ein Vierzigstel." Am meisten vermisse er in der Corona-Zeit als Handballer den Team-Sport, erzählt Pascal. "Der soziale Kontakt fehlt mir extrem - und das geht nicht nur mir so."

Über eine Altersgruppe wurde in der Pandemie in der deutschen Öffentlichkeit wenig gesprochen: Jugendliche und Kinder. Die DW berichtete vor einem Monat über erste Ansätze, sich dem Thema zuzuwenden. Inzwischen ändert sich die Lage ein wenig: Kinder und Jugendliche werden stärker thematisiert. So forderte der Kanzlerkandidat von CDU/CSU Armin Laschet jüngst, Bund und Länder müssten verstärkt über die Belastung der Kinder und Jugendlichen reden. Auch die Jugend habe viele Monate ihres Lebens verloren. Für die Politik dürfte das Wohl der Jugendlichen auch aus gesamtgesellschaftlichen Gründen zunehmend wichtig werden.

Handballtor, davor Ball liegend
"Sport im Team fehlt mir am meisten" - Pascal H.Bild: Fotolia/roostler

Eine Frage der Solidarität

Während inzwischen diskutiert wird, Geimpften gewisse Grundrechte zurückzugeben, wird es möglicherweise für viele Jugendliche heißen: Reisen, Konzerte, Partys sind auch in diesem Sommer Mangelware. Auch, weil sie als junge Menschen bislang in der von der Politik vereinbarten Impfreihenfolge noch nicht dran sind. Diese bevorzugt ältere Menschen, da sie stärker von einer Corona-Infektion betroffen sind. Für unter 16-Jährige gibt es noch gar keinen zugelassenen Impfstoff. Das könnte sich in Richtung Sommer zwar ändern, heißt es von der Politik, aber sicher ist das nicht.

Allerdings ist die Lage auch unter jungen Menschen durchaus brisant: "Kinder und Jugendliche sind aktuell die Altersgruppen, in denen die Infektionszahlen immer noch sehr hoch sind", teilte das Robert Koch-Institut (RKI), die oberste Gesundheitsbehörde, mit. Die Jüngeren, noch Ungeschützten, seien weiterhin auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen. Eine Solidarität, "die sie selbst zum Schutz der Risikogruppen so lange gezeigt haben", sagt RKI-Vizepräsident Lars Schaade. Sie hätten sich stark eingeschränkt, um Infektionen zu vermeiden, damit Ältere geschützt und Kliniken vor einer noch größeren Belastung bewahrt.

"Von der Solidarität her nicht so sauber"

Doch um wie viel Solidarität soll es konkret gehen? "Man geht zusammen in eine Pandemie rein und man sollte auch wieder zusammen rausgehen", findet Pascal. "Nicht, dass die einen alles dürfen und die anderen warten müssen." Es sei "von der Solidarität her nicht so sauber, dass meine Großeltern nach Mallorca fliegen dürfen, aber ich mich nicht mit meinen Freunden treffen darf".

Rentner-Ehepaar auf Parkbank, Mann beugt seine Arme im Nacken
Geimpft - und nun nach Mallorca und entspannt zurücklehnen?Bild: picture-alliance/dpa/S. Scheuer

Dabei wolle er nicht falsch verstanden werden, betont Pascal mehrfach. Die Impfreihenfolge finde er richtig. Logisch sei es auch, Leuten mit einem geringeren Risiko gewisse Rechte zurückzugeben - und es sei ihnen gegönnt. "Nur jetzt zum Schluss, könnte man auch einfach sagen, wir nehmen uns so lange zurück, bis die auch geimpft sind oder zumindest die Einschränkungen für alle zurückgenommen werden - das ist halt ein bisschen schade."

Soziale Unterschiede verschärft

Den Jugendliche Mut zu machen, ihre Emotionen auszudrücken, hat sich auch das christliche Kinderhilfswerk Worldvision vorgenommen. Regelmäßig gibt das Hilfswerk ihre Kinderstudien heraus. Vorab wurde in Berlin bei einer digitalen Pressekonferenz eine Corona-Auskopplung vorgestellt. In Tiefen-Interviews wurden im vergangenen Spätsommer jeweils 15 Jugendliche in Ghana und Deutschland im Alter zwischen 6 und 16 Jahren nach ihrem Befinden im Lockdown befragt. Die Studie soll in diesem Jahr quantitativ aufgestockt werden.

Soziale Folgen der Corona-Krise

Der Schwerpunkt lag auf den Folgen des Homeschoolings. Auch in Deutschland waren oder sind die Schulen je nach Infektionslage zu - oder es gibt einen Wechsel aus Präsenz- und Online-Unterricht.

Die Pandemie habe bestehende soziale Unterschiede verschärft, sagte Worldvision-Studien-Autorin Caterina Rohde-Abuba. Die Ressourcen der Familien hätten die Teilhabe bestimmt. Die Kinder seien in der jeweiligen "Häuslichkeit der Familie verschwunden".

Das bedeutet manchmal auch, sich um jüngere Geschwister kümmern zu müssen. "Dann konnte ich tagsüber keine Schulaufgaben machen", wird die 12-jährige Vanessa in der Studie zitiert. "Ich musste mit meinem kleinen Bruder spielen oder er hat mich geärgert und genervt."

Die Politik müsse dafür sorgen, die negativen Folgen des Homeschoolings zu bekämpfen, fordert Worldvision.

Homeschooling in der Coronakrise

"Homeschooling hat auch Vorteile"

In der Tat hat die Bundespolitik das schon in Ansätzen auf ihrer Agenda stehen. Denn es soll demnächst ein zwei Milliarden Euro umfassendes "Aufholpaket" geben. Noch wird über Details gestritten, aber der Fokus ist deutlich: Lernrückstände ausgleichen, durch Förderung von Nachhilfe-Unterricht zum Beispiel.

Das findet auch Gymnasiast Pascal richtig, vor allem Ärmere seien im Lockdown benachteiligt gewesen. Doch er wünscht sich eigentlich etwas anderes von der Politik: "Jeder Jugendliche sollte einen Computer in die Hand bekommen - ganz unbürokratisch." Außerdem wären die Lernrückstände vielleicht gar nicht so groß, "wenn jeder vom Lehrpersonal beigebracht bekäme, wie man Online-Unterricht vernünftig gestalten kann".

Homeschooling bei einem Wechsel aus Präsenz- und Online-Unterreicht habe seiner Meinung nach auch Vorteile. "Man kann für sich gucken, wie lerne ich eigentlich am besten, kann sich die Zeit ein wenig selbst einteilen." Das fördere die "Selbstdisziplin und die Selbstorganisation". Seine kleinere Schwester - in der 6. Klasse - hätte ihm gesagt: Homeschooling sei für sie manchmal auch Entspannung. Wenn nämlich eine Pause Mal eine echte eigene Ruhezeit sei.

"Es muss ein Umdenken stattfinden", fordert Pascal und fordert mehr Flexibilität. Noch gelte: "Präsenz-Unterricht ist das einzig Wahre, was immer funktioniert hat und immer funktionieren muss."

Womöglich könnte das eine Lehre aus der Pandemie sein: für ein umfassendes Bild mehr mit Kindern und Jugendlichen über ihre Erfahrungen im Lockdown zu sprechen. Vielleicht ergäbe sich die eine oder andere Überraschung.