Auftritt in Frankfurt: Deutschsprachige Autoren
16. Oktober 2015Die Frankfurter Buchmesse ist vieles: für 7300 Aussteller aus mehr als hundert Ländern in erster Linie eine Handelsmesse, seit 1976 auch ein Präsentationsforum für ein Gastland, ein Ort zum Austauschen und Netzwerken für Verbände, und Diskussionsforum für Themen, die zunehmend mit digitalen Medien zu tun haben. Es geht also längst nicht mehr nur um Bücher.
Die Stars der Messe sind jedoch immer noch die Romane und Sachbücher, über die die 9000 akkreditierten Journalisten schreiben, und ihre Verfasser. Es ist im allgemeinen Sache der Verlage, ihre Autoren zur Buchmesse einzuladen, deshalb gibt es auch keine verlässlichen Statistiken, wie viele sich alljährlich im Oktober in Frankfurt einfinden. Nach Angaben der Messe sind es in etwa 1500, darunter einige Hundert aus der deutschsprachigen Verlagslandschaft.
Rund 270.000 Menschen besuchen jährlich die Frankfurter Buchmesse. Sie ist weit mehr als eine Handelsmesse: Sie ist genauso ein Festival der Literatur, auch wenn sie nicht so heißt. Im deutschsprachigen Raum sind die fünf Messetage im Oktober eine Festzeit. Wer sich für Literatur interessiert, will dann wissen, welche Autorin auf dem "Blauen Sofa", das vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Bertelsmann und DeutschlandRadio veranstaltet wird, Platz nimmt, oder welcher Schriftsteller bei 3Sat im Gespräch ist. Neben Radio und TV veranstalten auch die Printmedien Lesungen und Diskussionen. An den Ständen der ZEIT, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt und vieler anderer Zeitungen und Zeitschriften drängt sich im Halbstundentakt wechselnd das Publikum um Autoren und Moderatoren.
Stark vertreten: die Buchpreis-Autoren
Wie in jedem Jahr stehen dabei auch 2015 die Finalisten des Deutschen Buchpreises im Zentrum, allen voran natürlich der Gewinner Frank Witzel. Er weiß seit Tagen nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Ein Interview jagt das nächste, eine Veranstaltung folgt auf die andere. "Es geht Schlag auf Schlag. Wenn ich nicht Frau Jacob hätte vom Verlag Matthes & Seitz, die meinen Plan hat und mir sagt, wo ich gleich hingehen muss, die mich führt - ich wusste gestern nicht mehr, welcher Tag ist." Aber auch bei Jenny Erpenbeck, die mit ihrem Buch "Gehen, ging, gegangen" auf der Shortlist stand und von vielen als Favoritin gesehen wurde, jagt ein Termin den anderen. Auch Monique Schwitter hat viele Gelegenheiten, über ihren Roman "Eins im Andern" zu sprechen, genauso wie Ulrich Peltzer über "Das bessere Leben".
Veranstaltungen im Halbstundentakt
Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis standen zwanzig Bücher. Längst nicht alle Autoren dieser Roman sind auf der Buchmesse gut im Rennen. Zu den viel beachteten gehört Clemens J. Setz, der Liebling des deutschen Feuilletons. Er spricht sehr unterhaltsam - "Ein Roman über 1000 Seiten ohne Tipps und Tricks ist eine Zumutung" - vor stets dicht gedrängtem Publikum über seinen Stalking-Roman "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre". Ilija Trojanow mit "Macht und Widerstand" und Feridun Zaimoglu mit "Siebentürmeviertel" hetzen in ähnlich dichtem Takt an die Veranstaltungsorte in Halle 3 und 4, wo sich das an schöner Literatur interessierte Publikum drängt, oder zum "Blauen Sofa".
Im Trend: Musiker als Literaten
Betrachtet man nur die deutschsprachigen Schriftsteller schöner Literatur, ist es am Ende ein erstaunlich enger Kreis von in etwa zwei Dutzend Autoren und Autorinnen, die auf der Buchmesse einen großen Auftritt haben. Neben den durch die Buchpreis-Nominierung erwartbar erfolgreichen und schon auf den Bestsellerlisten vertretenen Autorinnen gibt es aber auch noch einige, die mit ihren neuen Büchern im Vorfeld erst wenig wahrgenommen wurden. Zu ihnen gehört Judith Holofernes, die als Sängerin und Gitarristin der Band "Wir sind Helden" und als Solointerpretin in Deutschland sehr bekannt ist. "Ich habe zu meiner eigenen Überraschung ein Buch mit Tierlyrik geschrieben", erzählt sie nach einem ihrer vielen Auftritte, "und zwar nicht für Kinder, wie man denken könnte, sondern für Erwachsene, mit größtenteils humoristischen bis albernen Gedichten." Dass sie so gefragt ist, obwohl ihr illustrierter Gedichtband noch gar nicht im Handel ist, liegt ihrer Ansicht nach am hohen Unterhaltungswert, den das Vorlesen hat, am "Performancewert".
Als branchenfremder Musiker erfolgreich ist ebenfalls Thees Uhlmann, der mit seinem eben erst erschienenen Buch "Sophia, der Tod und ich" zum ersten Mal überhaupt auf der Buchmesse in Frankfurt und einfach nur begeistert von den Eindrücken ist. "Ich habe mich seit einem Dreiviertel Jahr auf genau dieses Ding gefreut. Ich komme ja aus der Musik, da gibt es schon seit Jahren keine richtige Musikmesse mehr."
Klassentreffen der Literaten
Zu den Stars gehört in diesem Jahr in jedem Fall auch Katharina Hacker. Ihr Israel-Roman "Skip" begeisterte die Rezensenten und steht bereits ganz oben auf verschiedenen Bestenlisten. Das ist auch Friedrich Ani gelungen, dessen Kriminalroman um einen pensionierten Hauptkommissar auf der Zeit-Krimi-Bestenliste im Oktober auf Platz eins steht. "Ich habe auf der Messe sehr viele Termine, weil ich einen neuen Roman veröffentlicht habe, der in schöner Weise gut ankommt", sagt er dazu mit leichtem Understatement.
Für die meisten Autoren steht auf der Buchmesse neben ihrer öffentlichen Präsenz die Begegnung mit Freunden und Kollegen im Vordergrund. "Dass man Autoren wieder trifft, die man sonst einfach so verstreut mal übers Jahr sieht", findet Theaterautor und Romanschriftsteller Albert Ostermaier, der seit 25 Jahren keine Messe ausgelassen hat, "immer schön". "Es ist auch immer eine wunderbare Gelegenheit, sich auszutauschen, zu diskutieren die Nächte über. Das hat natürlich was von einem Klassentreffen."
Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (Matthes & Seitz, Februar 2015)
Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen (Knaus, August 2015)
Monique Schwitter: "Eins im Andern" (Droschl, August 2015)
Ulrich Peltzer: "Das bessere Leben" (S. Fischer, Juli 2015)
Clemens J. Setz: "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" (Suhrkamp, September 2015)
Ilija Trojanow: "Macht und Widerstand" (S. Fischer, August 2015)
Feridun Zaimoglu: "Siebentürmeviertel" (Kiepenheuer & Witsch, August 2015)
Judith Holofernes: "Du bellst vor dem falschen Baum", illustriert von Vanessa Karré, (Tropen Verlag, Oktober 2015). Der Band kommt am 24.10.2015 in den Handel.
Thees Uhlmann: "Sophia, der Tod und ich", (Kiepenheuer & Witsch, Oktober 2015)
Katharina Hacker: "Skip", (S. Fischer Verlag, August 2015)
Friedrich Ani: "Der namenlose Tag" (Suhrkamp)
Albert Ostermaier: "Lenz im Libanon" (Suhrkamp, April 2015)