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Journalisten in den GUS-Staaten setzen auf neue Medien

9. Mai 2005

Auf Einladung der DW diskutierten in Berlin Journalisten aus Russland und der Ukraine über die Lage der Medien in ihren Ländern und anderen GUS-Staaten. Dabei zeigte sich: Ihre große Hoffnung ist das Internet.

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Vorsichtiger Optimismus bei der DW-Diskussion in BerlinBild: DW

Die Lage der Medien in Russland und anderen GUS-Staaten sei ernst, aber nicht hoffnungslos. Auch im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit gibt es Nuancen, darüber waren sich die Teilnehmer auf dem DW-Podium gleich zu Beginn der Diskussion einig. Jedes Medium unterliegt seinen eigenen Beschränkungen. Bezogen auf die Russische Föderation bedeutet das: Das Fernsehen hat am stärksten unter Einflussnahme von außen zu leiden, dem Radio geht es nicht viel besser. Nur Zeitungen können sich schon einmal eine kritische Schlagzeile erlauben. Darius Cierpialkowski, Leiter des DW-Studios in Moskau, fasste zusammen: "Das heißt, es gibt tatsächlich große Unterschiede zwischen Fernsehen, zwischen Radio und den Zeitungen. Und wenn man sich vernünftig über das politische Geschehen, auch das wirtschaftliche, in Russland informieren möchte, dann sollte man Zeitung lesen."

Massenmedium Fernsehen

Doch Zeitungen erreichen in Russland nur den kleinsten Kreis einer gebildeten Elite: Die Auflagenzahl ist viel zu gering, der Vertrieb im riesigen Land gestaltet sich schwierig. Das wahre Massenmedium ist das Fernsehen, das hat man auch im Kreml klar erkannt. Die vier landesweiten TV-Kanäle befinden sich inzwischen fest in staatlicher Hand. Die Folgen sind offensichtlich: Wirklich politische Berichterstattung ist vom Bildschirm verschwunden - bis auf die Loblieder auf den Präsidenten und seine Taten in den gleichgeschalteten Nachrichten.

Internet noch nicht unter Kontrolle

Dennoch gibt es noch Nischen für kritischen Journalismus, betonte Oleg Panfilow aus Moskau. Als Leiter des "Zentrums für Journalismus unter extremen Bedingungen" setzt er sich für verfolgte Journalisten ein. In Berlin stellte er fest: "Dennoch gibt es in Russland einen freien journalistischen Raum, der bisher nicht kontrolliert wird: Das ist das Internet. Diejenigen Zeitungen, die man in vielen Orten Russlands nicht bekommen konnte, kann man jetzt über das Internet lesen. Diese Tatsache beginnt jetzt, einige Duma-Abgeordnete zu erschrecken. Einige von denen haben gelernt, mit dem Computer umzugehen - und jetzt sprechen sie davon, dass es wichtig wäre, auch das Internet zu kontrollieren. Aber das wäre eine Katastrophe!"

Wachsende Rolle mobiler Kommunikation

Denn das Internet bietet Journalisten in den GUS-Staaten viel versprechende Möglichkeiten. Das beste Beispiel für die positive Entwicklung sei die Ukraine, meinte Jurij Durkot, Journalist aus Lwiw. Über die Bedeutung der neuen Medien vor und während der orange Revolution sagte er: "Wir haben bei diesen Wahlen in der Ukraine zum ersten Mal beobachtet, wie groß die Rolle der modernen Kommunikation, also Internet, auch der mobilen Kommunikation war. Also, man bekommt mehr unabhängige Informationen im Internet, und dann konnte das Internet eben diese große Mobilisierungsrolle spielen, wo man ins Internet ganz schnell die Meldung gestellt hat: "In dem und dem Wahlkreis gibt es massive Verstöße, bitte helft uns!", und eine halbe Stunde später standen schon 200 Leute da vor dem Wahllokal."

Eher Unterhaltung als Information

Klar ist aber auch: Nur wenige haben Zugang zum Internet. Die Nutzer sind meist jung, überdurchschnittlich gebildet und leben in den großen Städten. Das Internet ist kein Massenmedium, weder in der Ukraine, noch in Russland oder anderen GUS-Staaten. Computer und Nutzungsgebühren sind für normale Bürger viel zu teuer, das Fernsehen hingegen ist in Russland kostenlos zu empfangen. Nach Schätzungen nutzen momentan 10-12 Prozent der russischen Bevölkerung das Internet, viele von ihnen eher zur Unterhaltung als zur Information.

Nische für unabhängigen Journalismus

Was zählt, ist jedoch, dass politisch Interessierte in der Internet-Nische unabhängige, unzensierte Informationen finden können. Noch gibt es keine Kontrolle. Diese Tatsache mache vielen Journalisten Mut, betonte abschließend Oleg Panfilow aus Moskau: "Ich muss den ukrainischen Kollegen ein Kompliment aussprechen: Eine solche Entwicklung des Internets wie in der Ukraine, die Rolle des Internets in der orange Revolution ist ein wunderbares Beispiel dafür, was man in Russland jetzt langsam zu fürchten beginnt, und auch in anderen Ländern der GUS."

Ermutigende Beispiele gebe es auch in anderen GUS-Staaten, etwa in Zentralasien. Unabhängige Internetzeitungen entstehen, hier und da gibt es private Medien-Holdings. Das Fazit der Diskussion fiel positiv aus, trotz aller schlechten Nachrichten. Der unabhängige Journalismus sucht sich seine Nischen. Man muss ihn nur lassen - Oleg Panfilow und seine Kollegen hoffen nun, dass die staatliche Kontrolle im Internetbereich ausbleibt.

Britta Kleymann
DW-RADIO, 3.5.2005, Fokus Ost-Südost