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Gesellschaft

Journalist Yigit wird nicht ausgewiesen

Daniel Heinrich
29. Oktober 2018

Der Hamburger Journalist und Erdogan-Kritiker Adil Yigit fürchtete seine Ausweisung in die Türkei. Er ging an die Öffentlichkeit. Nach einiger Verwirrung nun die Entwarnung: Yigit darf in Deutschland bleiben.

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Symbolbild Flagge Verhältnis Türkei Deutschland
Bild: Imago/Chromeorange/M. Schroeder

Die Verzweiflung war Adil Yigit anzuhören. Am Freitag, so der 60-jährige Hamburger, habe er einen Ablehnungsbescheid auf seinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die Konsequenz schien dem türkischen Staatsbürger klar: Bis Ende Januar 2019 müsse er aus Deutschland ausgereist sein, sonst würde ihm die Abschiebung in die Türkei drohen. Gegenüber der DW fand er klare Worte: "Das ist eine Schande für Deutschland. Vielleicht muss man sich das auch eingestehen und dann einfach weggehen."

Die Reaktion der Hamburger Ausländerbehörde hätte sowohl in Tonalität wie Inhalt nicht unterschiedlicher ausfallen können. In nüchternem Beamtendeutsch wird festgehalten, dass für Yigit weder eine Ausweisung angeordnet worden, noch eine Abschiebung geplant gewesen sei. Zwar sei die Ablehnung seiner befristeten Aufenthaltsgenehmigung "standardmäßig" auch mit einer Ausreiseaufforderung verbunden worden. In dem Bescheid werde ihm aber "gleichzeitig schriftlich zugesichert", dass ihm "nach Eintritt der Bestandskraft eine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt wird". Bei der Behörde, die unter anderem darauf hinweist, dass Yigit seit Jahren Arbeitslosengeld II beziehe, erklärt man weiter: "Diese Vorgehensweise hat die zuständige Ausländerbehörde mit Herrn Y. und seinem Rechtsanwalt im Vorfeld so abgesprochen. Die Ablehnung der Verlängerung der bisherigen Aufenthaltserlaubnis steht in keinem Zusammenhang mit den politischen Ansichten oder Tätigkeiten des Herrn Y."

Bundesweite Bekanntheit durch Protestaktion

Deutschland | Protest T-Shirt auf PK vom Merkel und Erdogan
Pressekonferenz Merkel-Erodgan: Adil Yigit wird von Sicherheitskräften aus dem Kanzleramt abgeführt. Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

Yigit selbst hatte zuvor einen politisch motivierten Zusammenhang ins Spiel gebracht. Knapp einen Monat ist es her, dass er Ende September bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan während dessen Staatsbesuchs in Deutschland mit einem Schlag bundesweit bekannt wurde. Er hatte auf einem T-Shirt in deutscher und türkischer Sprache Freiheit für Journalisten in der Türkei gefordert. Daraufhin war er von Sicherheitskräften abgeführt worden. Von Journalistenverbänden wurde der Umgang mit ihm massiv kritisiert. 

Yigit, der seit über 30 Jahren in Deutschland lebt und das regierungskritische Online-Nachrichtenportal "Avrupa Postasi" betreibt, sah sich im Gespräch mit der DW prompt als Opfer internationaler Diplomatie: "Erdogan machte mich zur Zielscheibe. Merkel hat in den vergangenen zwei, drei Jahren sechs Mal die Türkei besucht. Was auch immer Erdogan sagt, ihm wird hier in Deutschland der rote Teppich ausgerollt. Und mich wollen sie ihm vermutlich als Vorspeise servieren."

Situation für Journalisten in der Türkei immer schlechter

Dass auf Yigit, nicht zuletzt wegen solcher Aussagen, im Falle einer Auslieferung an die Türkei massive Schwierigkeiten zukommen würden, scheint klar. Die Lage für regierungskritische Journalisten im Land hat sich allein in der jüngsten Vergangenheit immer weiter verschlechtert. 

Türkei Protest Zeitung Sözcü erscheint mit leeren Seiten
Die türkische Zeitung Sözcü erscheint im Mai 2017 mit leeren Seiten. Die Lage für kritische Journalisten ist schlecht.Bild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Nach Angaben der Online-Plattform "turkey purge"einer Homepage türkischer Journalisten, die fortwährende Updates über die Verhaftungswelle in der Türkei liefert, sind alleine seit dem gescheiterten Putsch im Sommer 2016 319 Journalisten inhaftiert und 189 Medienanstalten geschlossen worden. Die über die Jahre immer stärkere Gängelung der Presse spiegelt sich auch im internationalen Vergleich wider: Seitdem die Erdogan-Partei AKP von 2002 an in der Türkei die Regierung stellt, hat sich die Pressefreiheit im Land immer weiter verschlechtert. 2002 rangierte die Türkei auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen noch auf Rang 99. Heute, im Jahr 2018, listen die Experten das Land auf Rang 157 von 180 Staaten.

Yigits Furcht vor einer Ausweisung ist vor diesem Hintergrund mehr als verständlich. Allerdings muss er diese auch bis auf weiteres nicht fürchten. Das machte die Hamburger Ausländerbehörde in einer weiteren Erklärung am Montagnachmittag noch einmal deutlich und stellte Yigit eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen in Aussicht. Eine Erklärung für ihre anfänglich recht missverständlichen Aussagen lieferte die Behörde gleich mit: Aus rechtlichen Gründen könne Yigit eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nur erteilt werden, wenn vorher eine Aufenthaltsgenehmigung aus anderen Gründen abgelehnt werde.