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"Jewgenij Kisseljow hat etwas völlig Sinnloses getan"

23. Januar 2002

- Wer steckt tatsächlich hinter der Schließung von TW-6?

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Moskau, 23.1.2002, ISWESTIJA, russ.

(...) Am 22. Januar sind wir in einem anderen Informationsraum aufgewacht. Erneut mündete die Auswechslung des Eigentümers eines Mediums in einen beschämenden Skandal und in ein journalistisches Drama. Aber nicht nur das. Es ist möglich, dass der Kampf um TW-6, der auf die schlechteste aller möglichen Weisen ausgegangen ist, vor der politischen Elite prinzipiell neue Fragen aufwerfen wird. Vor deren Hintergrund werden die Probleme verblassen, die jetzt als die wichtigsten aussehen – was wird mit den Mitarbeitern der geschlossenen Gesellschaft, wer kommt zu TW-6 als Ergebnis des Wettbewerbs um die Lizenz, welches Bild wird der Zuschauer auf der so vertrauten Frequenz im April dieses Jahres sehen?

Was hat denn an dem schwarzen Montag, dem 21. Januar, stattgefunden? Rein äußerlich – eine chaotische Reihe von unerklärlichen Ereignissen. In der Tat – ein Kampf um den Platz unter der politischen Sonne, mit gut berechneten Zügen und voraussagbaren Folgen.

Jewgenij Kisseljow hat – von jeglichem Standpunkt her – etwas völlig Sinnloses getan. Er sagte sich vom freiwilligen und vorzeitigen Verzicht auf die Sendelizenz los. (...) (Am 21. Januar hatte TW-6 ein Schreiben an das Medienministerium Russlands mit der Bitte gesandt, seinen Verzicht auf die Sendelizenz als ungültig zu betrachten. Bereits vorher hatte die Fernsehgesellschaft das Medienministerium gebeten, deren Sendelizenz zu annullieren und TW-6 eine zeitweilige Sendelizenz auszustellen – MD).

Wozu? Um den Vernichtungsprozess zu stoppen? Dieser Prozess konnte jedoch nicht mehr gestoppt werden. Um sich mit dem beleidigten Beresowskij zu versöhnen? Die Beleidigung ist geblieben. Und die Chancen der Journalisten, wegen denen der erste Brief geschrieben worden war, sind rapide gesunken. Die Feinde von TW-6 haben ein mächtiges Argument erhalten: wie kann man es mit einem Kollektiv zu tun haben, an dessen Spitze Leute stehen, die nicht wissen, was sie wollen?

Von selbst drängt sich der Gedanke auf – am Wochenende hat jemand heftigen Druck auf Jewgenij Aleksejewitsch (Kisseljow – MD) ausgeübt; die Argumente waren wahrscheinlich gewichtig. Wie es so schön heißt, konnte er nicht "nein" sagen. Aber wieso hatte Beresowskij das nötig? Verstand er doch gut, dass man den Sender ihm nicht überlassen wird. (...)

Der Grund könnte ganz plausibel sein – wenn schon untergehen, dann mit Musik. Unter den entstandenen Umständen ist Beresowskij nicht an der Rettung von TW-6 interessiert; er muss alles tun, damit die Journalisten nicht das Senderecht ohne ihn bekommen. Sollte die Mannschaft im Äther bleiben, wird Beresowskij nur ein weiterer betrogener Anleger sein. Sollte sie jedoch auf der Straße landen, wird der flüchtige Oligarch als verfolgter Freiheitsverteidiger dastehen. Und wird in den Augen des westlichen Etablissements endgültig rehabilitiert. Indem ihm sein letztes elektronisches Medium abhanden kommt, investiert er talentiert den finanziellen Verlust und das eigene Ansehen. Was jedoch das Ansehen von Kisseljow angeht... Wäre es denn das erste Mal, dass Boris Abramowitsch jemanden zerstört? (...) (lr)