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Politik

Jesidin trifft IS-Peiniger in Deutschland

Lewis Sanders IV hin
17. August 2018

Die traumatische Vergangenheit, der sie entfliehen wollte, holte eine junge Jesidin in Deutschland ein: Ihr Kidnapper vom "Islamischen Staat" bedrohte sie auf offener Straße. Die Behörden scheinen machtlos.

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Deutschland -  Ashway Haji Hamid - Jesidin aus dem Irak
Bild: privat

Und wieder ist sie auf der Flucht: Ashwaq Haji Hamid, eine junge Frau aus der Religionsgemeinschaft der Jesiden, hat mit ihrer Familie Deutschland verlassen - das Land, in dem sie sich eigentlich endlich sicher fühlen wollte. Denn der Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat", der sie in Mossul gefangen genommen hatte, stellte sich ihr in der kleinen Stadt Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg auf der Straße in den Weg.

2015 war Ashwaq Haji Hamid mit ihrer Familie nach Baden-Württemberg gekommen, in einem Programm, das Jesidinnen unterstützte, die der Gewalt des IS ausgesetzt gewesen waren. Ein Jahr zuvor hatte die Terrormiliz die Massaker an der jesidischen Bevölkerung im Nordirak verübt, die Vereinten Nationen stufen sie als Völkermord ein. Viele Frauen und Kinder wurden von den Extremisten entführt und verkauft. Ashwaq war zehn Monate in der Gewalt des Mannes gewesen, der sie nun in Deutschland in aller Öffentlichkeit anging.

Verschleppte Jesiden

"Ich bin aus dem Irak geflohen, damit ich sein hässliches Gesicht nicht mehr sehen muss und alles vergessen kann, was mich daran erinnert. Ich war schockiert, ihn in Deutschland zu treffen", erzählte Ashwaq Haji Hamid dem Onlineportal InfoMigrants, das von der Deutschen Welle, France Médias Monde und Italiens Nachrichtenagentur ANSA betrieben wird. "Zum ersten Mal sah ich ihn 2016. Es war wirklich derselbe Mann. Er hat mich gejagt. Als er mich zum zweiten Mal traf, trat er dicht an mich heran und sagte mir: Ich weiß alles über dich."

Ermittlungen ins Stocken geraten

Nach den Gräueltaten des IS, die sie erdulden musste, wollte Ashwaq Haji Hamid in Deutschland ein neues Leben beginnen. Sie hat die Polizei informiert, aber sie fühlt sich nicht sicher, solange ihr Kidnapper frei herumläuft. "Wenn ich ihn nicht getroffen hätte, wäre ich in Deutschland geblieben. Ich wollte meine Ausbildung abschließen und hier ein normales Leben führen."

Die baden-württembergische Polizei hat im März begonnen zu ermitteln. Später übergab sie den Fall der Bundesanwaltschaft. Aus der Behörde heißt es, sie sei nicht in der Lage, den Mann zu identifizieren. Die Ermittlungen sind ins Stocken geraten, "da die Zeugin für Rückfragen aktuell nicht erreichbar ist", so das Landeskriminalamt Baden-Württemberg auf Twitter.

Ein Sprecher des Generalbundesanwalts sagte der Zeitung "Die Welt", seit Juli sei das Ermittlungsverfahren in der Schwebe.

Andere Frauen in Deutschland schützen

Die Kämpfer des "Islamischen Staates" töteten 2014 im Irak laut UN-Angaben mehr als 5000 Jesiden und entführten bis zu 10.000 von ihnen. Von fünf Brüdern und einer Schwester von Ashwaq Haji Hamid fehlt bis heute jeder Spur. Während die UN in der Heimatregion der Jesiden im Nordirak Häuser wieder aufbauen, glauben viele der Betroffenen, dass die Bedrohung durch den IS nicht verschwunden ist. Ashwaqs Vater denkt, dass seine Familie im Irak immer noch in Gefahr ist, vor allem, nachdem seine Tochter ihre Erlebnisse geschildert hat. Er hofft, mit den Seinen in ein Land gehen zu können, in dem sie sich endlich sicher fühlen.

Fürs erste lebt Ashwaq Haji Hamid mit ihren Eltern in einem Flüchtlingslager in Irakisch-Kurdistan. Sie drängt die deutschen Behörden sicherzustellen, dass andere geflüchtete Jesidinnen nicht das gleiche Schicksal erleiden wie sie. "Ich erwarte nichts von Deutschland - außer, dass dieser Mann bestraft wird. Und dass den Behörden klar wird, dass es viele Frauen gibt, deren Geschichte der meinen gleicht und dass sie sie vor dem IS schützen."