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Jemen im Zentrum des Terrors

Peter Philipp11. Oktober 2002

Die französische Regierung geht nach der Explosion auf dem Supertanker "Limburg" vor der Küste Jemens von einem Anschlag aus. Vieles spricht dafür, dass das Land zu einem neuen Stützpunkt der Al Kaida geworden ist.

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Brennender Tanker: Die Ölroute um Arabien ist ein lohnendes TerrorzielBild: AP

Auch ein Jahr nach dem Beginn der amerikanischen Angriffe auf die Terror-Bewegung Al Kaida scheint sich diese Organisation unverminderter Aktionsfreiheit zu erfreuen und sie geht in den letzten Tagen sogar dazu über, neue Warnungen und Drohungen zu verbreiten. So tat es Osama Bin Ladens "rechte Hand", der Ägypter Aiman al Zawahiri, der in einer Video-Botschaft über den qatarischen Fernsehsender El Dschasira amerikanischen, britischen und auch deutschen Einrichtungen neue Angriffe androhte.

Getroffen hat es vorerst anscheinend die Amerikaner - in Kuwait wurde ein Marinesoldat erschossen - und die Franzosen: Eine erste gründlichere Untersuchung der Explosion auf dem Öltanker "Limburg" vor der Küste des Jemen hat den Verdacht verstärkt, dass es sich nicht um einen Unfall handelte, sondern einen gezielten Angriff. So wie der Angriff auf das US-Kriegsschiff "Cole" vor zwei Jahren. Auch von US-Ermittlern hieß es, es gebe viele Indizien für die These eines Terroristenanschlags.

Der Jemen ist sich damit einen Schritt weiter ins Zentrum des nach-afghanischen Terrors von Al Kaida gerückt. Was nicht sonderlich überrascht, denn das Land liegt nicht nur auf dem Weg der aus dem Golf kommenden Öltanker und damit in einer wirtschaftlich-strategisch ungemein wichtigen Gegend. Es bietet auf Grund seiner traditionellen Struktur ähnlich günstigen Operationsbedingungen wie einst Afghanistan: Eine schwache Zentralregierung und starke regionale Stämme, die die zerklüfteten und nur schwer zugänglichen Gegenden des Landes beherrschen.

Schließlich genießen Osama Bin Laden und der harte Kern seiner Organisation im Jemen noch einen anderen Vorteil: Die meisten von ihnen stammen aus der Gegend. Wenn auch nicht offiziell aus dem Jemen, sondern aus Saudi-Arabien oder aus dem in dieser Region nie klar definierten Grenzgebiet. Grenzlinien sind hier schon aus technischen Gründen kaum festlegbar, überdies gelten sie für die dort lebenden Stämme nicht. Ihre Tradition ist älter als der Versuch, das Terrain politischer Staaten abzustecken. Osama Bin Laden und seine Gefolgsleute genießen denn unter den Stämmen der Region einiges Ansehen, das genährt wird von tiefer Religiosität und der Bewunderung des "Underdog" dafür, dass es "Al Kaida" gelingt, der einzigen Supermacht der Welt die Stirn zu bieten.

Die Amerikaner hatten recht früh vermutet, dass Al Kaida sich in Richtung Jemen absetzen könnte. Aber sie stießen zunächst auf Ablehnung von Seiten der jemenitischen Behörden, die sich erst allmählich dazu durchrangen, ihre Position zu revidieren und schließlich amerikanischen Spezialeinheiten erlaubten, im Land nach Mitgliedern von Al Kaida zu fahnden. Sana'a war freilich zuvor bereits von Washington massiv unter Druck gesetzt worden und riskierte wie einst die Taliban Opfer der Bush-Devise zu werden, nach der Feind sein müsse, wer sich nicht als Freund geriere.

In die Rolle des USA-Gegners zu rutschen, dürfte natürlich nicht im Interesse des Jemens liegen. In Sana'a dürfte man viel eher froh und zufrieden sein, wenn Washington sich nicht daran erinnert, dass der Jemen einer der wenigen Staaten war, die im Krieg um Kuwait unverhohlen auf Seiten Saddam Husseins standen.