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IWF warnt vor Protektionismus und Populismus

4. Februar 2016

Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert eine globale "Partnerschaft für Wachstum" und warnt vor den Folgen der Konjunktureintrübung in China. Doch müsse es nicht so schlimm kommen, wie oft befürchtet werde.

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Christine Lagarde, die IWF-Chefin (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Chinas Wirtschaft könne immer noch eine "harte Landung" vermeiden und auf einen Pfad langsameren, aber nachhaltigeren Wachstums einschwenken, sagte IWF-Direktorin Christine Lagarde (Artikelbild) am Donnerstag auf einer Online-Pressekonferenz. Dazu müsse Peking staatliche Unternehmen weiter reformieren und seine Währung marktbezogenen und offen kommunizierten Wechselkursraten öffnen.

"China durchschreitet eine massive und vielfältige Umgestaltung seiner Wirtschaft. Wir erwarten jedoch keine 'harte Landung', von der seit Jahren gesprochen wird", so die IWF-Chefin. Aber, fügte sie hinzu, es sei damit zu rechnen, dass Entwicklungsländer den IWF oder andere multilaterale Institutionen um finanzielle Hilfe bitten werden, weil sie unter dem verlangsamten Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft litten.

Mehr als ein wirtschaftliches Problem

In einer Rede an der Universität von Maryland, USA, warnte Lagarde weiter, dass das Abkühlen der chinesischen Wirtschaft die Ungleichgewichte in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen vertiefen könnte. Chinas Probleme und die fallenden Rohstoffpreise beeinträchtigten auch die Volkswirtschaften anderer Schwellenländer, die sich nun einer "neuen, harten Realität" ausgesetzt sähen. Laut Manuskript sagte Lagarde: "Wachstumsraten sinken, die Kapitalflüsse haben sich umgekehrt und die mittelfristigen Voraussagen sind in sich zusammengesunken."

China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, verzeichnete 2015 sein langsamstes Wachstum seit einem Vierteljahrhundert ,während Brasilien und Russland in die Rezession gerutscht sind. Der IWF geht nun davon aus, dass die Angleichung der Einkommen in Entwicklungs- und Schwellenländern einerseits und den Industriestaaten andererseits sich deutlich langsamer vollziehen wird als das vor zehn Jahren vorhergesagt worden ist.

"Für Millionen arme Menschen wird es immer schwerer, voran zu kommen. Die neu entstandenen Mittelschichten werden in ihren Erwartungen enttäuscht", sagte Lagarde. Die Folgen der Abkühlung des globalen Wachstums seien nicht nur wirtschaftlich, betonte sie dabei: "Das befördert auch das Risiko steigender Ungleichheiten sowie von Protektionismus und Populismus."

Jetzt seien die Reichen gefragt

Außerdem warb die IWF-Chefin für eine engere Zusammenarbeit der reichen Staaten mit den aufstrebenden Schwellenländern, um Krisengefahren zu bannen und die Weltwirtschaft anzuschieben. "Wir brauchen eine neue Partnerschaft für Wachstum", sagte sie. Lagarde zitierte Studien des IWF, wonach eine Abnahme des Wachstums in den Schwellenländern um einen Prozentpunkt die Entwicklung in den Industrieländern um 0,2 Prozent dämpft.

Alles, was sich in den Schwellenländern abspiele, wirke sich auch auf die Industrieländer aus, warnte Lagarde. Schließlich würden die aufstrebenden Länder für die reichen Staaten nicht nur als Kunden, sondern auch als Investitionsstandorte immer wichtiger.

Über 80 Prozent des weltweiten Wachstums seit der Finanzkrise von 2008 komme von Ländern wie China, Indien und auch Brasilien. Das habe den Industrieländern geholfen, die Krise zu überwinden. Wenn viele Schwellenländer nun Probleme hätten, seien auch die reichen Staaten gefragt.

Hilfe für die Ölförderer

Angesichts fallender Ölpreise hat der IWF betroffenen Förderstaaten seine Hilfe angeboten. "Der IWF steht offen für alle Mitglieder", sagte Lagarde. Zugleich forderte sie, teilweise hohe staatliche Subventionen für die Ölindustrie zu kappen und das Geld stattdessen für finanzielle Auffangnetze zu nutzen. "Die Subventionen sind in dieser Situation völlig kontraproduktiv", sagte sie.

Einige Länder, die von dem aktuellen Ölpreisverfall von bis zu 70 Prozent betroffen sind, hätten mit einer robusten Politik auf die Krise reagiert. Sie nannte die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan als positives Beispiel: "Dort gibt es eine gute Fiskalpolitik, der Währungskurs wird als Puffer eingesetzt." In Ländern wie Nigeria sei man noch nicht soweit. Der IWF sei bereit zu helfen: "Sie sind Opfer eines externen Schocks", betonte sie und versprach, dass es seitens des IWF keinerlei Stigmatisierung gebe.

Den Griechen kein Drachen sein

Vorwürfe, der IWF habe der griechischen Regierung zu harte Forderungen zur Ausgestaltung der Athener Rentenreform gestellt, wies die IWF-Chefin zurück. "Wir wollen nicht der Drachen sein und harsche Forderungen stellen, wir wissen, dass Griechenland in den vergangenen Jahren viel auf sich genommen hat", versicherte sie.

Das griechische Rentensystem, fügte sie zur Erklärung hinzu, müsse derzeit mit zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes gespeist werden: "Das ist nicht nachhaltig. Was wir brauchen, sind Maßnahmen, die es nachhaltig machen." Der Durchschnitt in europäischen Ländern liege bei 2,5 Prozent.

dk/kle (rtr/rtre/afpe/dpa)