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Israels Parlamentspräsident warnt vor Siedlungsboykott

Mathias Bölinger2. Dezember 2015

Deutschland und Israel haben enge diplomatische Beziehungen entwickelt. Bei einem Parlamentariertreffen zeigen sich dennoch Differenzen. Israels Parlamentspräsident fühlt sich in Europa unverstanden.

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Lammert und Edelstein am Gleis 17 (Bild:dpa)
Besuch am Gleis 17, einer Gedenkstätte zur Erinnerung an die Deportationen von Juden im NationalsozialismusBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Wenn ein Staatsgast eigentlich zu Besuch ist, um die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern zu feiern, aber dennoch seinem Ärger Luft machen will, dann kann er Sätze sagen wie: "Unser Ziel ist nicht, einer Meinung zu sein, sondern uns auszutauschen." Yuli Edelstein, der israelische Parlamentspräsident, betont gleich mehrmals, wie wichtig es sei, dass man sich über Differenzen austausche.

Kennzeichnung von Produkten aus den besetzen Gebieten

Edelstein ist mit einer Delegation der Knesset in den Bundestag gekommen, um 50 Jahre diplomatische Beziehungen zu würdigen. Und der Parlamentspräsident, der der Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu angehört, hat ganz offensichtlich etwas auf dem Herzen. Es geht um die Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen im Westjordanland, die die EU im November beschlossen hat.

"Wir machen uns große Sorgen, ob nicht vielleicht doch ein antisemitischer Hintergrund dahintersteckt", sagte Edelstein auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert (CDU). Israel hatte wütend auf den Beschluss reagiert. Rechte israelische Politiker erinnerten an die antisemitischen Boykotte der Nationalsozialisten.

Sehr kontrovers können die Diskussionen hinter den Kulissen in diesem Punkt allerdings nicht gewesen sein. Bei seinem deutschen Amtskollegen trifft Edelstein auf vollstes Verständnis. Zwar weist Bundestagspräsident Lammert zurück, dass der EU-Beschluss antisemitisch sei. Er betont aber auch, dass Deutschland sich gegen diese Richtlinie ausgesprochen habe. "Wir halten eine solche Haltung weder für nötig noch für klug", sagt er.

Ein Mann mit Kippa trägt Kartons mit Weinflaschen (Foto: Reuters/B.Ratner)
Umstritten: Handel mit Wein aus den besetzten GebietenBild: Reuters/B.Ratner

Der Bundestagspräsident deutet zudem an, dass er nicht erwarte, dass Deutschland die Empfehlung der EU tatsächlich umsetze. "Ich habe keinen Zweifel daran, wie die deutschen Institutionen mit dieser Empfehlung umgehen werden", sagte Lammert mit Blick auf die Diskussion um das Berliner Kaufhaus KaDeWe. Das Haus hatte nach dem Beschluss der EU-Kommission Weine aus dem Westjordanland aus dem Sortiment genommen und war dafür auch aus der deutschen Politik scharf kritisiert worden. Inzwischen stehen die Flaschen wieder im Regal.

"Krieg der Kulturen mit islamischem Terrorismus"

Beide Parlamentspräsidenten hatten am Vortag die Gedenkstätte Gleis 17 besucht, die an die Deportationen von Juden im Dritten Reich erinnert. In einer gemeinsamen Sitzung vor einigen Abgeordneten würdigten Lammert und Edelstein am Mittwochnachmittag die Freundschaft zwischen beiden Ländern. Lammert nannte die guten Beziehungen ein "historisches Geschenk".

Edelstein, Sohn von Holocaust-Überlebenden aus der Sowjetunion, erzählte, er habe sich vor 30 Jahren nie vorstellen können, dass er jemals einen Fuß auf deutschen Boden setzen werde: "Heute ist Deutschland ein enger Verbündeter Israels. Das hat viel Mut erfordert."

Allerdings machte Edelstein auch deutlich, dass er von den europäischen Nationen mehr Verständnis für die Linie Israels im Nahostkonflikt erwarte. Er hoffe, die Anschläge von Paris hätten "die Skeptiker aufgeweckt", sagte er. Unter Berufung auf den amerikanischen Theoretiker Samuel Huntington erklärte er, die westlichen Demokratien befänden sich "in einem Krieg der Kulturen mit dem islamischen Terrorismus. Davor haben viele Europäer die Augen verschlossen". Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, forderte dagegen neue Anstrengungen im Friedensprozess mit den Palästinensern. Es sei in Israels Interesse, dem Dialog zu "mehr Elan" zu verhelfen, sagte er.

Beide Parlamente vereinbarten, künftig einmal im Jahr gemeinsame Sitzungen von Fachpolitikern abzuhalten. Die nächste Sitzung wird im Mai 2016 stattfinden.