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PolitikSchweden

Islamische Staaten verurteilen Koranverbrennung in Stockholm

30. Juni 2023

In der islamischen Welt stößt die Verbrennung von Koranseiten in Schweden durchweg auf heftige Kritik. Die Türkei zeigt sich verärgert und Marokko leitet diplomatische Schritte ein.

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Ein Mann mit zwei schwedischen Fahnen filmt Salwan Momika, der mit einem Megafon spricht
Salwan Momika macht auf seine umstrittene Aktion in Stockholm aufmerksamBild: Stefan Jerrevång/TT NEWS AGENCY/picture alliance

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Schweden und den Westen als Ganzes nach der öffentlichen Koran-Verbrennung in Stockholm scharf angegangen. "Wir werden den Überheblichen im Westen letztendlich beibringen, dass die Beleidigung der Heiligtümer von Muslimen nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat", sagte der Staatschef der Türkei nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Am Mittwoch, dem ersten Tag des islamischen Opferfestes Eid al-Adha, hatte in Stockholm ein Mann vor etwa hundert Schaulustigen und Journalisten vor der Großen Moschee mehrmals auf den Koran eingetreten und dabei die Fahne Schwedens geschwenkt. Danach steckte er Schinkenstreifen, die Muslimen als unrein gelten, in das Buch und verbrannte einige Seiten daraus. Der 37-jährige nach Schweden geflüchtete Iraker Salwan Momika hatte zuvor die Genehmigung der schwedischen Behörden für seine Protestaktion erhalten. Noch im Februar waren ähnliche geplante Aktionen untersagt worden. Schwedische Gerichte hatten geurteilt, dass die Polizei nicht das Recht habe, die Erlaubnis zu Koranverbrennungen zu verweigern. Gegen den Veranstalter wird jetzt unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt.

Araber sind empört

Scharfe Kritik an der umstrittenen Aktion kam von den arabischen Staaten. Die Arabische Liga verurteilte die Genehmigung der Verbrennung durch die schwedischen Behörden aufs Schärfste. Stockholm müsse islamfeindlichen Ideen und Extremismus entgegentreten, statt diese zu fördern, hieß es.

Als Reaktion auf die "inakzeptable Tat" berief Marokko seinen Botschafter in Schweden zur "Konsultation auf unbestimmte Zeit" zurück, wie die marokkanische Nachrichtenagentur MAP meldet. Das Außenministerium bestellte zudem Schwedens Botschafter in Rabat ein. "Dieser erneute beleidigende und unverantwortliche Akt verschmäht die Gefühle von mehr als einer Milliarde Muslime in dieser heiligen Zeit der Pilgerreise nach Mekka und des gesegneten Fests Eid Al-Adha", erklärte das Ministerium.

Hadsch 2023 – Mekka erwartet über zwei Millionen Pilger

Der Irak bestellte den schwedischen Vertreter ein. Die Regierung in Bagdad erklärte, die Aktion sei "rassistisch" und "unverantwortlich" und zeuge von einer "hasserfüllten und aggressiven Einstellung, die gegen die Grundsätze der Meinungsfreiheit verstößt". In der Hauptstadt hielten Demonstranten vor der schwedischen Botschaft Koranbücher in die Höhe, wie die staatliche Nachrichtenagentur INA meldet. Der einflussreiche Schiitenführer Muktada al-Sadr soll zu dem Protest aufgerufen haben.

Lokale Medien berichten, die Demonstrierenden hätten die Ausweisung des schwedischen Botschafters gefordert. Der unabhängigen irakischen Nachrichten-Webseite Alsumaria News zufolge zogen sich die Demonstranten nach kurzer Zeit wieder zurück. Zuvor soll es ihnen gelungen sein, das Tor zur schwedischen Botschaft zu durchbrechen. Die Botschaftsmitarbeiter befanden sich nach Angaben des schwedischen Außenministeriums in Sicherheit.

"Schändliche Tat"

Das Außenministerium in Saudi-Arabien teilte mit: "Diese hasserfüllten und wiederholten Taten können unter keiner Rechtfertigung hingenommen werden." Sie schürten Hass, Ausgrenzung und Rassismus. Das mehrheitlich muslimische Ägypten äußerte sich ähnlich. "Die Verbrennung einer Kopie des Heiligen Korans durch einen Extremisten ist eine schändliche Tat, die am ersten Tag von Eid al-Adha die Gefühle von Muslimen auf der ganzen Welt provoziert", erklärte das Außenministerium.

Auch der Iran bestellte den schwedischen Geschäftsträger ein. Staatliche iranische Medien erklärten, das Prinzip der Meinungsfreiheit sei missbraucht worden, um Hass und Gewalt zu säen. Irans Außenamtssprecher Nasser Kanaani verurteilte den Protest als "provokant" und "inakzeptabel".

Die pro-iranische Hisbollah im Libanon forderte in einer Erklärung die arabischen und islamischen Regierungen auf, Schritte zu unternehmen, um andere Länder dazu zu bewegen, "die Wiederholung dieser Torheiten auf ihrem Boden zu verhindern und die Verbreitung einer Kultur des Hasses zu stoppen". Das US-Außenministerium bezeichnete die Verbrennung religiöser Texte ebenfalls als "respektlos und beleidigend".

Rückschlag für schwedische NATO-Ambitionen?

Bereits im Januar hatten rechtsextreme Demonstranten in Stockholm einen Koran vor der türkischen Botschaft verbrannt und damit wütende Reaktionen in der islamischen Welt ausgelöst. Die Koran-Verbrennung führte damals zu einer Verhärtung des türkischen Widerstands gegen den geplanten NATO-Beitritt Schwedens. Der jüngste Vorfall könnte die Aussichten Schwedens auf eine Mitgliedschaft weiter trüben. Ankara begründet seine bisherige Blockade der Aufnahme Schwedens in die Militärallianz aber vor allem damit, dass das Land ein Zufluchtsort für "Terroristen" sei. Damit sind in erster Linie Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint.

Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 vor dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gemeinsam die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Finnland ist bereits Anfang April als 31. Mitglied in das westliche Verteidigungsbündnis aufgenommen worden.

kle/fab (dpa, afp)