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Wirtschaft leidet unter Sanktionen

Shahram Ahadi17. Juni 2012

Der Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr und das Ölembargo machen Irans Wirtschaft zu schaffen. Hinzu kommt die Inflation. Die Unzufriedenheit der Menschen wächst.

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Iranische Geldscheine (Rial) (Foto: Asio)
Bild: www.asio.ir

Am 1. Juli tritt das von der EU beschlossene Embargo gegen iranische Ölimporte in vollem Umfang in Kraft. Damit wird die Schraube der internationalen Sanktionen gegen Teheran weiter angezogen. Schon jetzt sind die Öleinnahmen des Landes stark eingebrochen. Im April hat der Iran Analysten zufolge ein Viertel weniger Erdöl exportiert als ein Jahr zuvor, seit Beginn dieses Jahres belaufen sich Irans Verluste geschätzt auf zehn Milliarden US-Dollar.

Die Führung in Teheran versucht bislang, Gelassenheit zu demonstrieren. Irans Ölminister Rostam Qasemi sprach auf dem jüngsten Ministertreffen der OPEC-Länder in Wien von einem "bedauerlichen" Schritt der EU, der "die Stabilität der Ölmärkte und der Weltwirtschaft beeinträchtigen" werde. Vor heimischem Publikum sprach Irans Notenbankchef Mahmoud Bahmani allerdings im Dezember 2011 von einem "absoluten Wirtschaftskrieg". Die Lage unter den internationalen Sanktionen sei wesentlich schwieriger als während eines wirklichen Krieges.

Mahmoud Bahmani, Chef der Zentralbank Irans (Foto: DW)
Notenbankchef Mahmoud Bahmani: "Absoluter Wirtschaftskrieg"Bild: ISNA

Tauschhandel

Es sind nicht nur die fehlenden Öleinnahmen. Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem SWIFT wirkt sich negativ auf den gesamten iranischen Handel aus. Aber Not macht erfinderisch. China und Indien bezahlen teilweise für iranisches Öl in ihren eigenen Währungen Yuan beziehungsweise Rupien. Mit den Yuan kauft der Iran wiederum in China ein. Letztlich handelt es sich um Tauschhandel, mit kuriosen Folgen. Auf einer aktuellen Liste der Importartikel aus China, die von der iranischen Zollbehörde veröffentlicht wurde, befinden sich Gebetsketten, Gebetsteppiche, Peitschen und Grabsteine. Also Artikel, die auch im Iran produziert werden und deren Einfuhr zu Billigpreisen die heimische Produktion bedroht.

Bedrohter Mittelstand

Nicht nur die Devotionalienbranche, auch die Industrieproduktion leidet unter den Handelsrestriktionen. "Für unsere Arbeit brauchen wir Rohmaterialien aus dem Ausland, konkret aus Deutschland, was im Moment problematisch ist", berichtet der Geschäftsführer einer Gießerei in Teheran gegenüber DW.DE. "Wenn wir bestenfalls nur zu 50 Prozent ausgelastet sind, sind wir gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen." Nach offiziellen Angaben haben innerhalb eines Jahres (März 2011 bis März 2012) mindestens 100.000 Fabrikarbeiter ihren Job verloren.

Produktionsband beim Reifenhersteller Irantire. (Foto: Iran Tire)
Beim Reifenhersteller "Iran Tire" laufen die Bänder noch. Trotzdem mussten 80 Arbeiter wegen Finanz- und Lieferproblemen entlassen werden.Bild: irantire

Wegen der Hürden beim Import und bei der Zahlungsabwicklung haben viele Unternehmen ihre Produktion heruntergefahren oder eingestellt. Um die Produktion aufrechtzuerhalten, müsse man über Drittfirmen an die gewünschte Ware kommen, dann aber zu überhöhten Preisen, so die Klagen von Unternehmern.

Sogar Branchen wie die Musikindustrie sind von Sanktionen betroffen. "Wenn man gezwungen ist, für die Abwicklung der Geschäfte ein privates Konto anzugeben, wird schnell der Verdacht geweckt, man betreibe Geldwäsche", berichtet der Geschäftsführer des Labels Hermesrecords, das weltweit aktiv ist und auch Alben europäischer Musiker veröffentlicht, gegenüber DW.DE. "Das schadet natürlich dem Ansehen der Firma."

Inflation

Unterdessen leidet die breite Bevölkerung unter der Inflation, die nach offiziellen Angaben rund 20 Prozent beträgt, aber nach Ansicht von Beobachtern im Iran weitaus höher ist. Der Rial hat seit Anfang des Jahres um fast die Hälfte an Wert verloren. Laut der jüngsten Statistik der iranischen Zentralbank von Anfang Juni ist der Preis für verschiedene Lebensmittel innerhalb eines Jahres zwischen 39 und 78 Prozent gestiegen, Früchte etwa werden allmählich zu Luxuswaren. Die tiefe Krise der iranischen Wirtschaft hat nicht erst mit den verschärften Sanktionen engesetzt. Aber sie machen die Lage für die breite Bevölkerung schwieriger. Ob sich die politische Führung davon beeindrucken lässt, ist eine offene Frage.

Aprikosen auf einem Marktstand (Foto: DW)
"Bitte nicht anfassen, teure Ware"Bild: Tejararnews