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Irans Interessen auf dem Balkan

10. März 2005

Mohammed Chatami ist der erste iranische Präsident, der Kroatien und Bosnien besucht hat. Doch auch ohne persönliche Besuche reichen die bilateralen Verbindungen weit zurück.

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Moschee in SarajevoBild: DW

Im kroatischen Zagreb sprach Mohammad Chatami vor muslimischen Studenten – und gab sich philosophisch-nachdenklich: Man müsse "der Geschichte unseres Lebens ethisch begegnen, um den historischen und anthropologischen Umständen auf den Grund zu gehen, die zu Kriegen geführt haben".

Verbindungen aus dem Balkankrieg

Der Iran gehört zu den Ländern und Gruppen in der islamischen Welt, die den Krieg im früheren Jugoslawien in tiefer Sorge um das Schicksal der dortigen muslimischen Bevölkerung verfolgten: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zum Beispiel entsandten humanitäre Hilfe und - bereits seit Beginn des Konflikts 1992 - Waffen. Die ehemaligen Afghanistan-Kämpfer, die heute nur noch umfassend als "El Kaida" bezeichnet werden, wollten Freiwillige entsenden und boten militärisches Training an.

Der Iran schwankte: Es gibt zahlreiche Hinweise, dass der Iran mit Beginn des militärischen Konflikts auch mit "Experten" vor Ort vertreten war – darunter Hunderten von "Mujaheddin" und "Revolutionswächtern" ("Bassiji"). Die Aktivitäten des Iran wurden besonders in den USA misstrauisch beäugt, sie verhinderten aber nicht, dass der Iran im Frühjahr 1994 zu einem von den USA stillschweigend akzeptierten Waffenlieferanten für Bosnien aufstieg. Die Serben hatten in Bosnien bereits nahezu drei Viertel des Territoriums unter ihre Kontrolle gebracht und die Verteidigung brach immer häufiger wegen mangelnden Nachschubs zusammen.

Stillschweigend geduldeter Waffenlieferant

Die USA empfahlen zu jener Zeit, Bosnien mit Waffenlieferungen und mit Nato-Luftangriffen gegen die Serben zu helfen, in Europa fanden sie hierfür aber keine Unterstützung. Da kam in Washington eine Anfrage aus Kroatien, ob dieses Waffenlieferungen nach Bosnien "durchlassen" könne. Wie der stellvertretende US-Aussenminister, Strobe Talbott, später vor einem Geheimdienstausschuss des US-Senats aussagte, sei man eine klare Antwort schuldig geblieben und habe damit aber massive Waffenlieferungen an Bosnien ermöglicht.

Es war der Iran, der zum zuverlässigsten Lieferanten für die bedrängten Muslime wurde, gefolgt von der Türkei und Malaysia. Und das mit stillschweigender Duldung durch die Clinton-Regierung. Diese lehnte es nämlich strikt ab, dem Ruf verschiedener Senatoren zu folgen und im Alleingang in Bosnien einzugreifen. Dies hätte eine Verletzung der UN-Resolutionen bedeutet und damit anderen Staaten als Vorwand dienen können, sich ebenfalls nicht mehr an solche Resolutionen zu halten. Die "verdeckte Inaktivität" Washingtons löste später heftige innenpolitische Kritik von Seiten der Republikaner aus. Der Sturm legte sich aber wieder, nachdem mit dem Abkommen von Dayton der Abzug fremder Truppen und Irregulärer aus Bosnien vereinbart und auch weitgehend durchgesetzt wurde.

Auf Verbündetensuche

Die iranische Unterstützung für Bosnien und das indirekte Zusammenspiel zwischen Washington und Teheran in dieser Frage sind weiterhin ein spannendes Kapitel der internationalen Beziehungen. Der Iran wird mit einiger Sicherheit Sympathien in Bosnien gewonnen haben. So kommt der Besuch Chatamis in Bosnien nicht überraschend, sondern er stellt einen folgerichtigen Schritt bei den Bemühungen Teherans dar, vorhandene Sympathien langsam in politisches Kapital umzuwandeln.

Peter Philipp
DW-RADIO, 8.3.2005, Fokus Ost-Südost