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PolitikAsien

Iran: Korrupte Politiker und schwarze Geschäfte mit Tee

Shabnam von Hein
3. Januar 2024

Beim Import von Tee in den Iran sollen zwei Milliarden US-Dollar veruntreut worden sein. Das ist nur einer von vielen Korruptionsfällen. Eine Bestandsaufnahme.

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Iran Teheran 2020 | Mann hält US-Dollarnote
Dollars werden auf dem Schwarzmarkt in iranische Rial eingetauschtBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Anfang Dezember machte im Iran ein Fall von Veruntreuung Schlagzeilen. Der Leiter des Inspektionsbüros der Justiz informierte die iranischen Medien darüber, dass im Zusammenhang mit dem Import von Tee zwei Milliarden US-Dollar auf kriminelle Weise abgezweigt worden seien. Die Täter sollen einer Gruppe angehört haben, die eigens dafür günstige Devisen vom Staat bekommen hatte, um auf dem internationalen Markt Tee für den Import zu kaufen. Anstatt hochwertige Ware aus Indien zum Preis von 14 Dollar pro Kilo zu importieren, hätten die Täter für einen Bruchteil der Summe Tee aus Kenia gekauft, für zwei Dollar pro Kilo. Insgesamt hätten sie auf diese Weise zwei Milliarden US-Dollar abgezweigt, die sie im Iran auf dem Schwarzmarkt in iranische Rial umgetauscht haben sollen. Den Profit hätten sie in die eigene Tasche gesteckt.  

Revolutionsgarden als Ölhändler 

Beauftragt wurden die mutmaßlichen Täter demnach vom "Hauptquartier für Ernährungssicherheit", das vor zwei Jahren im Wirtschaftsministerium eingerichtet wurde. Das Hauptziel dieser Behörde ist, die Produktion und  den Import von Lebensmitteln trotz der bestehenden Sanktionen zu fördern. Aufgrund des Konflikts um das iranische Atomprogramm ist das Land mit schweren Strafmaßnahmen belegt.

Das Hauptquartier für Ernährungssicherheit wird von einem ehemaligen Kommandeur der Revolutionsgarden geleitet und hat Zugang zu Deviseneinnahmen aus dem Ölexport, größtenteils in Dollar. "Um die Sanktionen zu umgehen, haben die Revolutionsgarden den Ölexport übernommen", erklärt Behzad Ahmadinia, ein in Zypern lebender iranischer Journalist und Mitglied der Internationalen Journalisten-Föderation, im Gespräch mit der DW. 

Illustration | Ölförderung im Iran
Die iranischen Ölexporte stehen unter US-SanktionenBild: Maksym Yemelyanov/Zoonar/picture alliance

Ahmadinia hat sich auf Recherchen zu Öl und Energie im Iran spezialisiert. Er berichtet: "Die Revolutionsgarden haben zahlreiche Scheinfirmen innerhalb und außerhalb des Iran gegründet. Sie exportieren und verkaufen Öl illegal an unbekannte Kunden zu unbekannten Preisen. Wir wissen nicht, wie viel Einkommen aus dem Ölexport an welche Firmen fließt und wofür das Geld verwendet wird. Alles wird intern geregelt - unter den Politikern und Beamten, die den Mächtigen nahestehen. Sie selbst, ihre Familien und Freunde profitieren von diesem Zustand wie Mafiaclans. Wenn interne Konflikte auftauchen, beispielsweise wenn jemand seinen Anteil nicht bekommt, gehen sie gegeneinander vor und wenden sich dafür an die Justiz. So erfahren wir von Korruptionsfällen und Veruntreuungen gigantischer Summen, die jedoch nie aufgeklärt werden." 

Irans Platz auf dem Korruptionsindex: 147 von 180 

Staatliche Korruption im Iran ist seit geraumer Zeit sehr verbreitet. Der Korruptionswahrnehmungsindex, eine Rangliste zur wahrgenommenen Korruption im öffentlichen Sektor - bei Beamten und Politikern - wies im Jahr 2022 dem Iran den Rang 147 unter den 180 untersuchten Ländern zu. Auf dem letzten - dem 180. Platz - liegt Somalia mit der weltweit höchsten Korruptionsrate. Zum Vergleich: Deutschland nimmt den neunten Platz ein, während Dänemark mit der geringsten Korruption ganz oben auf der Liste steht. Den Index gibt Transparency International heraus. Die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Berlin widmet sich weltweit dem Kampf gegen Korruption.

Wen treffen Sanktionen wirklich?

"Hochrangige Beamte und Regierungsmitglieder behaupten nun, von der Veruntreuung im Teegeschäft nichts gewusst zu haben", kritisiert der politische Journalist Abbas Abdi in einem Kommentar für die regierungskritische Zeitung "Etemad" Mitte Dezember. "Die Regierung versucht sogar, uns als Erfolg zu verkaufen, dass die Justiz den Fall aufgedeckt habe. Wie aber kann es sein, dass solche gigantischen Summen aus den Deviseneinnahmen einfach verschwinden?" 

Subventionierte Devisen und der Schwarzmarkt 

Die iranische Regierung bestreitet bis zu 40 Prozent ihres Budgets mit Deviseneinnahmen aus dem Ölexport. Sie tauscht diese Einnahmen aus US-Dollars in iranische Rial. Damit finanziert sie den iranischen Staatsapparat. Es gibt zwei Umtauschkurse im Iran: einen offiziellen subventionierten Umtauschkurs, der momentan bei rund 125.000 Rial für einen US-Dollar liegt. Diesen Kurs bekommt man aber nur, wenn man zum Beispiel im Auftrag der Regierung wichtige Produkte importiert, etwa Rohmaterial für die Industrie, Medikamente - oder eben Tee. Auf dem freien Markt muss man für einen US-Dollar viermal so viel bezahlen - ein Dollar ist dort momentan 500.000 Rial wert. 

"Das Land wird von unfähigen Politikern und Beamten geführt, und wir werden noch von vielen Korruptionsfällen mit gigantischen Summen erfahren", wetterte der ehemalige Parlamentarier Heshmatollah Falahat Pishe im Dezember bei einer Podiumsdiskussion an der Allameh-Tabataba'i-Universität in Teheran. Falahat Pishe war bis 2020 Vorsitzender der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlaments. Er gab zu, dass in den vergangenen Jahren mehr als 57 Milliarden US-Dollar verschwunden seien - doch die größten Fälle von Korruption und Veruntreuung in der Geschichte der Islamischen Republik , sagt er, hätten sich unter der derzeitigen Regierung ereignet. Die versuche, alle internen Regeln zu umgehen und werde dabei vom Parlament unterstützt. 

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