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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Marko Langer12. Mai 2007

Sarkozys außenpolitische Pläne / Blairs Rücktritt

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Was haben Europa und die internationale Gemeinschaft vom künftigen französischen Präsidenten Sarkozy zu erwarten? Diese Frage sowie der angekündigte Rücktritt des britischen Premiers Blair beschäftigen die internationale Presse. Nach der Stichwahl in Frankreich faßt die französische Tageszeitung LE FIGARO die Lage so zusammen:

'Die Russen sind beunruhigt, die Chinesen verwirrt, die Araber besorgt und die Türken resigniert. Dagegen sind die Amerikaner zufrieden und die Briten eilfertig zur Stelle. Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass die außenpolitische Ausrichtung Nicolas Sarkozys international kontrastreiche Reaktionen ausgelöst hat. Doch die Einschätzungen im Ausland, die eine grundlegende Änderung der französischen Außenpolitik vorwegnehmen, unterscheiden sich erheblich von den Analysen der Pariser Experten, die den erwarteten Bruch in der Diplomatie eher kleinreden.'

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE beschäftigt sich mit Sarkozys europapolitischen Vorstellungen:

'Die Sehnsucht nach einem kleinen, übersichtlichen Haus, die Sarkozy mit seinem Vorschlag einer Mini-Verfassung für die EU oder mit dem Drängen auf ein nur intern liberalisiertes Wirtschaftssystem befriedigt, hat freilich auch ihre Tücken. Denn es ist eine Illusion zu glauben, Europa könnte global reüssieren, obwohl es sich institutionellen Reformen verweigert und durch nationalen Protektionismus gegenseitig behindert.'

Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT konstatiert:

'In den meisten europäischen Hauptstädten wird überwiegend zufrieden auf das Wahlergebnis reagiert. Nicht nur, weil Sarkozy ein Referendum über eine neue, stark eingekürzte europäische Verfassung vermeiden will, sondern auch und vielleicht vor allem, weil er sich mehr als Gegenkandidatin Royal als willensstarker Reformer profiliert hat. Sozialökonomische Reformen sind bitter nötig in Frankreich, das dem europäischen Alltag noch immer seinen Stempel aufdrückt.'

Die bei der Wahl unterlegenen Sozialisten müssen nach Ansicht der spanischen Zeitung EL PERIÓDICO DE CATALUNYA - Zitat:

'zu einer Reformpartei werden, ohne die Werte der Linken aufzugeben. Und sie müssen ein Bündnis mit dem Zentrum suchen. Andere sozialistische Parteien in Europa haben diesen Schritt längst getan.'

Abschließend noch ein Blick in die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA, die nach den Protes

ten gegen Sarkozy feststellt:

'Der französischen Linken gefällt der Wahlsieg von Nicolas Sarkozy nicht. Für sie ist der gewählte Präsident ein Rassist und faschistischer Diktator. In Polen würde sich Sarkozy sicherlich in der politischen Mitte befinden, in Frankreich dagegen wird er als gefährlicher Rechter dargestellt. Einmal mehr bestätigt sich die These, dass Frankreich ein außergewöhnliches Land ist.'

Zu einem anderen Thema. Mehrere Anläufe hat er gebraucht, nun hat Großbritanniens Premier Tony Blair endlich die Einzelheiten seines Rücktritts bekannt gegeben. Die internationale Presse zieht eine Bilanz der Amtszeit Blairs. Das österreichische Blatt KURIER schreibt:

'Wer immer Tony Blair zu beurteilen hat, muss ihn an einem messen: Jener Aufbruchstimmung, in die er Großbritannien und damit auch Europas Sozialdemokratie bei seinem Antreten versetzte. Er übernahm ein Land mit abgewirtschafteter Industrie, einzementierter Arbeitslosigkeit und Landstrichen, in denen Elend herrschte, das mit westeuropäischen Maßstäben nicht zu messen war. Doch da die Mühlen der Politik nicht in Blairs Tempo mahlten, inszenierte er bald nicht nur sich selbst, sondern auch seine Erfolge.'

Der britische GUARDIAN befasst sich mit den jüngsten Erklärungen des designierten Nachfolgers, des bisherigen Schatzkanzlers Gordon Brown. Zitat:

'Das war Gorden Browns Chance, eine andere Musik aufzulegen, ein neues Leitmotiv zu setzen, für sich und für die Partei, Er konnte nicht widerstehen, der Schauspielerei in der Politik einen Seitenhieb zu geben, aber er sprach überzeugend von seinem Verlangen, einer 'ergebenen Regierung' zu dienen - ein neuer Ausdruck im Lexikon der Labour-Partei. Das war zum Teil ein frühes sprachliches Experiment, Wechsel und Kontinuität zu vermählen. Aber es war auch der Versuch eines Anfängers, eines notorischen Privatmanns, ein Verkäufer nicht nur seiner Ideen, sondern auch seiner selbst zu werden.'

Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich zieht folgendes Fazit der Amtszeit Blairs:

'Er war in erster Linie ein Hoffnungsträger, ein politisches Wunderkind, das schon bei seinem ersten Auftritt 1997 auf der internationalen Politbühne wie ein Erlöser gefeiert wurde. Am Ende dürfte sich auch die verhängnisvolle Entscheidung, am Irak-Krieg teilzunehmen, damit erklären, dass Blair auf sich selbst zurückgeworfen war.'

Kritischer dagegen sieht es die FINANCIAL TIMES aus London:

'Blairs immer noch verwirrende Entscheidung, das Vereinigte Königreich der inkompetentesten US-Regierung zu unterstellen, hat Großbritannien von der Europäischen Union entfernt. Dieser vorgeblich pro-europäische Führer hat damit die Chance vertan, Großbritanniens Einfluss in Europa und darüber hinaus zu verstärken.'

Die niederländische Zeitung TROUW schließlich glaubt:

'Es wäre ungerecht, Blairs internationale Bedeutung auf seine umstrittene Rolle im Irak zu verengen. Alles in allem gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa nur wenige Politiker mit dem Elan von Tony Blair. Mit seinen 54 Jahren ist er noch lange nicht von der Weltbühne verschwunden. Und davon kann diese Welt noch großen Nutzen haben.'