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Instinkt-Politiker mit Spielernatur

Der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann hat am Sonntag (20.10.) den Rücktritt von seinen politischen Ämtern in Nordrhein-Westfalen erklärt. Als Grund nannte er die "seit Tagen betriebene Hetz-'Jagd' von Parteikollegen".

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Nicht nur gesundheitlich angeschlagen: Jürgen W. MöllemannBild: AP

Kaum eine politische Karriere in Deutschland ist so von Höhenflügen und jähen Abstürzen gekennzeichnet wie die des Medien-Magneten Jürgen Möllemann. Dabei brachte es der ehrgeizige Sohn eines Augsburger Polsterermeisters vom Lehrer bis zum Bundesminister und sogar Vize-Kanzler. In seiner gut 30-jährigen Laufbahn stellte er manchem Parteifreund erfolgreich ein Bein - immer wieder aber auch sich selbst.

Der 57 Jahre alte leidenschaftliche Fallschirmspringer trat der FDP 1970 in seiner Wahlheimat Münster bei. Schon zwei Jahre später saß er für die Liberalen im Bundestag. Seine große Chance kam, als 1982 die sozial-liberale Koalition in Bonn zerbrach. Möllemann stützte den Wendekurs von Parteichef und Außenminister Hans-Dietrich Genscher und wurde im Kabinett von Helmut Kohl (CDU) mit dem Posten des Staatsministers im Auswärtigen Amt belohnt.

1987 wurde er Bundesbildungsminister, 1991 Wirtschaftsminister. Bis Anfang 1993 war er acht Monate lang sogar Vizekanzler. Dann folgte der steile Absturz: Im Januar 1993 musste Möllemann nach einer Affäre um ein Werbe-Schreiben für einen Verwandten zurücktreten.

Auf Parteitagen in Bund und Land hagelte es anschließend Niederlagen bei Vorstandswahlen. 1994 setzte ihm sogar der eigene Landesvorstand wegen permanenter Querschüsse gegen den damaligen FDP-Bundeschef Klaus Kinkel den Stuhl vor die Tür.

Nur zwei Jahre später rief die NRW-FDP ihren einzigen Wähler-Magneten aber reumütig zurück an ihre Spitze. Von nun an ging es für den Instinktpolitiker stetig wieder berauf. Bei der Landtagswahl 2000 führte Möllemann die Freidemokraten mit einem spektakulären Ergebnis nahe zehn Prozent zurück in den Landtag.

Im Mai 2001 wurde er beim Düsseldorfer FDP-Bundesparteitag zum Vize-Parteichef gewählt und setzte für den Bundestagswahlkampf seine Strategie mit der Zielmarke 18 Prozent durch. Den Rückwärtsgang legte Möllemann im Frühjahr dieses Jahres wieder einmal selbst ein. Mit einer von ihm ausgelösten Anti-Semitismus-Debatte führte er seine Partei in eine gefährliche Zerreißprobe. In Möllemanns Visier: die israelische Regierung und der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman.

Eine weitere Machtprobe mit Parteichef Guido Westerwelle entzündete sich an der Aufnahme eines umstrittenen Ex Grünen in die Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion. Der Streit konnte nur mühsam beigelegt werden. Nur zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2002 legte Möllemann aber ohne jede Absprache mit einem israel-kritischen Wahlkampfbrief nach und heizte den Antisemitismusstreit wieder an. Nach der Schlappe der FDP mit nur 7,4 Prozent der Stimmen trat Möllemann am Tag nach der Wahl von seinem Amt als Parteivize zurück.

Wegen der Alleingänge distanzierten sich auch in NRW immer mehr Parteifreunde von ihrem schillernden Chef. Ein Sonderparteitag am 7. Oktober, bei dem die Vertrauensfrage gestellt werden sollte, musste aber abgesagt werden: Zwei Nächte vor dem Showdown wurde er mit Herz-Rhythmus Störungen ins Krankenhaus gebracht. Als die Bundespartei kurz darauf auf ein 840.000 Euro schweres Sonderkonto des Wahlkämpfers Möllemann aufmerksam wurde und ihm gravierende Verstöße gegen das Parteiengesetz anlastete, war Möllemanns politisches Schicksal besiegelt. (dpa)