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Maniok statt Plastik

3. November 2018

Plastikmüll verschmutzt zunehmend Flüsse und füllt Deponien. In Jakarta wollen zwei Männer eine Alternative bieten, die Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft haben könnte, nicht nur in Indonesien.

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Müllkippe in Tangerang, Indonesien Sugianto Tandio
Bild: DW/M. Kasper-Claridge

Der Gestank ist unerträglich. Die Mittagshitze brennt auf der offenen Müllkippe nahe der indonesischen Stadt Tangerang im Großraum Jakarta. Riesige Kakerlaken huschen über das 35 Hektar große Gelände und im Minutentakt rollen Lastwagen heran und bringen tonnenweise neuen Müll. Bagger stapeln ihn höher und höher. Dazwischen schuften einige hundert Müllsammler in der gnadenlos heißen Sonne. Sie suchen nach verwertbaren Plastiktüten oder Plastikteilen. 

Sugianto Tandio schüttelt den Kopf angesichts der riesigen Menge Plastikmüll. "Jeden Tag werden etwa 1500 Tonnen Festmüll hierher gebracht und 15 bis 20 Prozent davon sind Plastik", sagt der Ingenieur. Doch herkömmliches Plastik benötigt geschätzte 500 bis 1000 Jahre, ehe es zerfällt. Der Plastikmüll, der hier in Tangerang gestapelt wird, bleibt deshalb vielen Generationen als Umweltproblem erhalten.

Plastik im Fisch

"Schon heute enthält ein Drittel der Fische im Meer Mikroplastik. Stellen Sie sich das mal vor: Jedes Mal, wenn sie Meerestiere essen, ist es so, als stünden drei Fische vor Ihnen und Sie müssten entscheiden, welchen Sie essen wollen und welchen Sie lieber stehen lassen sollten." Das sei kein Problem, das wir unseren Kindern überlassen könnten, sagt Tommy Tjiptadjaja. "Es hängt wirklich von uns ab. Unsere Generation ist die Generation, die handeln muss." Gemeinsam mit Tandio hat der in Chicago ausgebildete Ökonom Greenhope gegründet, ein Unternehmen, das Alternativen zu herkömmlichem Plastik entwickelt.

Müllkippe in Tangerang, Indonesien
Müllsammler in Tangerang: Umweltproblem für mehrere GenerationenBild: DW/M. Kasper-Claridge

"Ecoplas" heißt eines ihrer Produkte. Es sieht aus wie Plastik, ist aber biologisch abbaubar. "Es ist ein biologisch abbaubares Polymer, das wir aus Tapioca herstellen", erklärt Tandio, der jahrelang an der Entwicklung dieses Produkts gearbeitet hat und die entsprechenden Patente hält. Stolz zeigt er Plastiktüten, Plastikbesteck und sogar eine speziell für die USA entwickelte Tüte, mit der man die Hinterlassenschaften von Hunden aufsammelt. Alles biologisch abbaubar. 

Die beiden Unternehmer wurden 2013 von der in Genf ansässigen Schwab Foundation mit dem "Social Entrepreneur Award" ausgezeichnet und ihre Arbeit damit auch international anerkannt. Tapioka wird aus der getrockneten Maniokwurzel hergestellt, die auch als Cassava bekannt ist. Der Anbau der Pflanze ist vor allem in tropischen Ländern verbreitet. Nigeria, Thailand, Brasilien, Indonesien und Ghana gehören zu den größten Erzeugerländern. Eine Nutzung als Plastikersatz könnte auch für viele Kleinbauern, die Maniok anbauen, eine zusätzliche Erwerbsquelle sein, davon ist Tandio überzeugt. 

Plastiktüten verboten

Seitdem immer mehr Länder die Nutzung von Plastiktüten verbieten oder mit zusätzlichen Kosten belegen, ist das Interesse an möglichen Alternativen groß. Tjiptadjaja und Tandio werden weltweit zu Kongressen und Hintergrundgesprächen eingeladen. Der eine war gerade auf der großen Our Ocean Conference in Bali, der andere zu Gesprächen mit der Regierung Malaysias. Auch aus Kenia und einigen lateinamerikanischen Ländern kamen Nachfragen. 

Sugianto Tandio auf der Müllkippe in Tangerang, Indonesien
Greenhope-Ingenieur Sugianto Tandio im DW-Interview: "Bis zu 20 Prozent des Mülls sind Plastik"Bild: DW

Indonesien will spätestens 2020 aus Erdöl hergestellte Plastiktüten verbieten. Schon jetzt findet man die biologisch abbaubaren Alternativen von Greenhope in zahlreichen indonesischen Supermärkten und Geschäften. "Ecoplas - Cassava-based degradable plastic" steht auf den Tüten, die auf den ersten Blick kaum von herkömmlichen Plastiktüten zu unterscheiden sind. Greenhope hat heute bereits 50 Mitarbeiter und alle Zeichen stehen auf Wachstum.

Allerdings ist die Produktion noch vergleichsweise teuer. Eine biologisch abbaubare Plastiktüte kostet in der Produktion fast doppelt so viel wie eine umweltschädliche. Die Verbraucher überlegen deshalb genau, ob sie Geld für umweltfreundliche "Plastik"-tüten ausgeben. 

Günstige Alternativen

Tommy Tjiptadjaja und Sugianto Tandio arbeiten daran, die Kosten so weit wie möglich zu senken und bauen ihre kleine Forschungsabteilung weiter aus. Eine ihrer Lösungen ist ein Zusatzstoff, den sie "Oxium" genannt haben. Er sorgt dafür, dass sich herkömmliches Plastik schon nach zwei Jahren zersetzt. Das Plastik ist dann zwar immer noch auf der Basis von Erdöl und nicht nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen, aber der Preis für mit Oxium versetztes Plastik liegt nur zwischen zwei und fünf Prozent über dem konventionellen Plastik. Es ist keine ideale Lösung, aber ein Fortschritt und gerade für ärmere Länder sei der Einsatz von Oxium eine günstige Alternative, meinen die Unternehmer. Schon jetzt verkauft Greenhope es nach Südafrika, Malaysia und in andere Länder. 

Stabilität und Schutz

Für die offene Müllkippe in Tangerang hat Greenhope mit Oxium versetzte Abdeckplanen aus Plastik im Angebot. Sie können die üblen Gerüche eindämmen, unter denen die Einwohner der umliegenden Dörfer und der Stadt leiden und gleichzeitig den wachsenden Müllberg stabilisieren, denn immer wieder kommt es zu Abbrüchen. Mehr als zwei Planen im Jahr hat das Unternehmen an TPA, den Betreiber der Müllkippe, aber bisher nicht verkaufen können. 

Tandio schüttelt den Kopf und schaut auf den großen, wackligen Müllberg. Eigentlich müsse der neue Müll jeden Tag mit Planen abgedeckt werden, sagt er, aber das sei den Betreibern leider zu teuer.