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"In vielen Fällen setzen wir auf Kontinuität"

Das Gespräch führte Silke Bartlick15. August 2005

Im Interview mit DW-RADIO zieht der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Norbert Lammert, eine Bilanz der rot-grünen Kulturpolitik. Und die fällt für den politischen Gegner überraschend gut aus.

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DW-RADIO: Nach Aussagen zur Kulturpolitik muss man auf dem fast 40 Seiten starken Regierungsprogramm der CDU/CSU etwas suchen. Man findet sie dann schließlich in Kapitel fünf. Das ist überschrieben: "Wir

gestalten ein lebenswertes Deutschland" - und gerade mal eine halbe Seite lang. Spielt die Kultur für die Christdemokraten eine nachgeordnete Rolle?

Norbert Lammert: Die Kultur spielt für uns eine herausragende Rolle. Es gibt aber unter allen Experten keinen Streit darüber, dass man mit Aussicht auf Erfolg nicht mehr als drei oder vier Themen in einem solchen Wahlkampf transportieren kann. Und das werden unvermeidlicherweise diejenigen sein, die zwischen den konkurrierenden Parteien am stärksten kontrovers sind.

Kulturpolitik ist in der föderalen Bundesrepublik im wesentlichen Sache der Länder und der Kommunen. Die Christdemokraten streben, so sagt das Regierungsprogramm, eine Modernisierung dieser bundesstaatlichen Ordnung an. Sie setzen auf Entflechtung und mehr Effizienz. Welche Konsequenzen hätte das für die Bundeskulturpolitik?

Ich bin mit Blick auf die Kulturpolitik ein erklärter Anhänger von Verflechtungsstrukturen. Wir hätten in Deutschland nicht diese beneidenswert dichte Kulturlandschaft, wenn wir nicht die gleichzeitige Zuständigkeit und die gleichzeitige Verantwortung, übrigens auch den Wettbewerb, von Ländern und Kommunen und das zusätzliche Engagement des Bundes hätten. Gerade weil es sich bei der Kunst- und Kulturförderung um eine freiwillige öffentliche Aufgabe handelt, finden viele öffentliche Förderungen nur durch den Zugzwang der Gemeinschaftsfinanzierung statt. Und deswegen: Jeder der mit fundamentalistischem Ehrgeiz ausgerechnet die Kunst- und Kulturförderung für das Exerzierfeld einer Entflechtungsdebatte in Deutschland hält, der hat sich mit den besonderen Bedingungen der Kunst- und Kulturförderung wahrscheinlich nicht hinreichend vertraut gemacht.

Kommen wir zum Amt des Kulturstaatsministers. Das ist ja noch relativ jung. Es wurde vor sieben Jahren von Gerhard Schröder eingeführt. Wenn Sie jetzt zurückschauen: Um welche Kulturpolitik hat sich die amtierende Bundesregierung besonders verdient gemacht?

Ich habe persönlich nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich die Einrichtung dieses Amtes für eine überfällige Ergänzung in der Kenntlichkeit bundespolitischer Aufgaben halte. Es kann ja keine Rede davon sein, dass früher der Bund keine Kulturpolitik betrieben hätte. Aber seit der Zeit ist das Engagement des Bundes im Bereich der Kunst und Kultur sehr viel deutlicher, sehr viel sichtbarer und im übrigen auch leichter kritisierbar als das vorher der Fall war, weil es identifizierbare Verantwortlichkeiten gibt. In den vergangenen Jahren hat sich die Bundesregierung - in der Regel in sehr enger Kooperation mit dem Parlament und dem zuständigen Ausschuss für Kultur und Medien - um eine ganze Reihe von Fragen gekümmert: Die Künstlersozialversicherung als eine der ganz wesentlichen Rahmenbedingungen für künstlerisches Schaffen - aber auch das Urheberrecht. Es hat die Gründung einer Kulturstiftung des Bundes gegeben.

Wo gibt es denn noch Handlungsbedarf. Was plant die CDU/CSU nach einem Wahlsieg?

Ich weise gerne darauf hin, dass Bundestagswahlen ja nichts mit der Neuerschaffung der Welt zu tun haben und dass auch neu ins Amt kommende Bundesregierungen keine grüne Wiese vorfinden, sondern immer ein bestelltes Feld und dass deswegen in vielen Fällen auch schlicht Kontinuität gebraucht und gefragt ist. Wobei ich für alle drei gerade beispielhaft genannten Themen neben den Geländegewinnen, die mit Initiativen verbunden gewesen sind, auf verbleibende Probleme aufmerksam machen müsste.

Wir haben bei der Künstlersozialversicherung, die ich für eine ganz wichtige und unverzichtbare Einrichtung halte, um freiberuflich tätigen Künstlern ein Mindestmaß an sozialer Absicherung für ihr Schaffen zu garantieren, das Problem einer wachsenden Zahl von Mitgliedern. Hier wird man sich erneut sehr sorgfältig darum kümmern müssen, wie man die Finanzsituation stabilisieren kann ohne zu einer Überforderung derjenigen zu kommen, die die Beiträge aufbringen müssen, aus denen Leistungsansprüche bedient werden können. Wir haben eine nach wie vor unerfreuliche Parallelstruktur durch die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder. Wir haben ein - ich sage das ohne Unterton eines Vorwurfs - völlig ungelöstes Problem im Zusammenhang mit dem großen Thema "Beutekunst" Also an Aufgabenstellungen wird es nicht mangeln.