In Berlin glüht ein Kern für die Kunst
26. September 2018Seit dem 1. September ist der Berliner Kirchenbau mit der markanten grünen Kuppel unweit der Staatsoper Unter den Linden eigentlich wegen Umbaus geschlossen. Doch bis es tatsächlich mit den Bauarbeiten losgeht, gibt die leer geräumte Basilika Raum für die Kunst. Bis zum 11. November können Besucher den Kirchenraum auf eine neue Weise erleben.
Das Kunstwerk ist eine Installation der renommierten Raumkünstlerin und Bildhauerin Rebecca Horn mit dem Titel "Glowing Core" (Glühender Kern). Die experimentierfreudige 74-Jährige, die mit ihren Installationen weltweit Aufsehen erregte, kennt die Sankt-Hedwigs-Kathedrale bereits aus den Jahren ihrer Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule der Künste von 1989 bis 2004.
Spirituelle Raumerfahrung
Bei Horns Licht-Spiegel-Konstruktion sind nun im Zentrum des Kirchenraums drei goldene Trichter unter der Kuppel der Kathedrale aufgehängt, die sich in einem sich bewegenden Spiegel wiederfinden, der auf dem Boden liegt. Darüber sind auf drei Ebenen kreisförmige Leinwände mit unterschiedlichen Durchschnitten errichtet. Das Blau des Himmels scheint unter der Kuppel auf und es entsteht eine gefühlt 20 Meter tiefe Öffnung unter die Ebene des Fußbodens. Blickt der Besucher in die rotierenden Spiegel auf dem Grund, sieht er in die Tiefe einer hellen Lichtröhre - ein Blick in den "glühenden Kern". Richtet er den Blick nach oben, so steigt er quasi in einen Lichtwirbel, in die Höhe eines blauen Lichts. Horn erläutert: "Als Betrachter ist man in diesen Prozess des Aufsteigens und Abstürzens eingefangen. Das Blau des Himmels und die Tiefe des Meeres sind im Schwebezustand durch das Gebäude gespannt. Durch goldene Trichter fließen die Wasserwirbel zur Decke, doch findet man sich selbst am Grunde des Brunnens in einem drehenden Universum." Somit korrespondiere das Kunstwerk in besonderer Weise mit der Architektur der Kathedrale und ermögliche eine bewusste Wahrnehmung des Rundbaus.
Kunstgenuss nur bei Dunkelheit
Horn besteht darauf, anders als etwa bei der früheren Präsentationen von "Glowing Core" auf Palma de Mallorca im Jahr 2015, dass die Installation dieses Mal nur bei Dunkelheit gezeigt werden darf. Da sich die Sankt-Hedwigs-Kathedrale wegen der Lichtkuppel tagsüber nicht abdunkeln lässt, ist der Kirchenraum erst nach Einbruch der Dunkelheit für die Besucher zugänglich. Ab 18.50 Uhr - nach Sonnenuntergang - bis 23.00 Uhr wird der Kuppelbau vom gold glühenden Strahlen über dem Trichter und von Seitenlichtern illuminiert, die Spiegelkorridore verwandeln sich in Lichtkanäle.Die Ausstellung ist während der Öffnungszeit mit Musik untermalt, die, buddhistisch angehaucht, ein unaufdringliches spirituelles Grundrauschen herstellen soll. Am Dienstag, Donnerstag und Samstag findet jeweils um 22.00 Uhr unter dem Motto "Spirituell.Liturgisch.Frei. - Nachtmusik um Zehn" ein halbstündiges Konzert statt, das die Rauminstallation ergänzt. Domkapellmeister Harald Schmitt schlägt mit zwanzig Werken den Bogen von der Gregorianik über die Renaissance, vom Barock über die Romantik bis in die Musiken der Gegenwart. Zu sehen ist die Installation bis zum 11. November.
is/ks (KNA)