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In Bam stockt der Wiederaufbau

Keivandokht Ghahari26. Dezember 2004

Genau vor einem Jahr zerstörte ein Erdbeben im Iran die Stadt Bam. Seitdem kommt der versprochene Wiederaufbau nur langsam voran. Doch an mangelndem Geld und fehlender internationaler Hilfe liegt das nicht.

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Das zerstörte Wahrzeichen der Stadt: die 2000 Jahre alte BurgBild: AP

Das Erdbeben in Bam war eine Katastrophe mit besonders schweren Folgen: Nach unterschiedlichen Schätzungen kamen zwischen 32.000 bis 40.000 Menschen ums Leben. 80 Prozent aller Häuser der südostiranischen Stadt wurden zerstört, zwei Drittel der Bevölkerung wurden über Nacht obdachlos.

Umfangreiche nationale und internationale Rettungsaktionen liefen noch am 26. Dezember 2003 an. Irans Regierung sprach damals davon, dass die Wiederaufbauarbeiten binnen zwei Jahren durchgeführt werden. Berichte aus dem Iran zeigen jedoch, dass der Wiederaufbau nach einem Jahr nicht so schnell voran kommt wie geplant. Viele Menschen leiden noch immer sehr stark unter den Konsequenzen des Bebens; überall in der Stadt sind Ruinen zu sehen.

Kritik an der Regierung

Eine iranische Familie in Bam, Iran
Diese iranische Familie hat Unterkunft gefundenBild: DW

Mohammad-Hossein Banivaheb, Sprecher der "Vereinigung iranischer Ärzte und Zahnärzte" in Deutschland, hat Bam seit dem Beben bereits drei Mal besucht, um seinen Landsleuten vor Ort zu helfen. Er kritisiert, dass, bezogen auf die gesetzte Frist, die Erwartungen nicht erfüllt worden sind. Zwar seien etliche Familien in Wohn-Containern untergebracht worden, doch für alle Opfer hätten diese Provisorien nicht gereicht. Es fehle zudem an medizinischen Einrichtungen und an Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, die oft ohne Beschäftigung in der Stadt herumlungern.

Die größten Probleme der Überlebenden lauten Sicherheit, Hygiene, Arbeitslosigkeit und Drogensucht. Im Nachrichtenblatt "Shahrvandan wa Mosharekat" ("Bürger und Gemeinschaft") machen Bürger ihrem Ärger Luft und klagen über die Unfähigkeit der Regierung, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Der Vorsitzende des Stadtrates, der Arzt Abbas Esmaili, bemüht sich, ein optimistischeres Bild zu vermitteln. Er vergleicht Bam mit einem Patienten, der zwar immer noch auf der Intensivstation liege, der sich aber nicht nur langsam, sondern auch merklich vom Schock zu erholen versuche.

Hilfe versickert

Plakat der Organisation SIB für die Wiederaufbau der Stadt Bam
Plakat der Organisation SIB für die Wiederaufbau der Stadt BamBild: DW

Tatsächlich bemühen sich mehrere Hilfsorganisationen um eine Verbesserung der Situation. Solche Hilfen sind wichtig, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn noch immer mangelt es an einem qualifizierten staatlichen Management - und es fehlt ein Konzept, um den Aufbau der Stadt mit Hilfe der Bevölkerung selbst voranzutreiben.

Viel Hilfe wurde angeboten und Hilfsgüter nach Iran gesendet, aber wegen Missmanagement konnte diese Hilfe oft nicht optimal eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die 400.000-Euro-Spende, die die deutsche Fußballmannschaft beim Länderspiel in Teheran im Oktober 2004 für den Wiederaufbau von Bam überreichte. Der Vorsitzende des Stadtrates, Abbas Esmaili, bemängelt, dass das Geld bisher nicht bei den Bedürftigen angekommen sei.

Fehlender Bürgersinn

Hinzu kommt ein kulturell bedingtes Problem: Die Menschen in Bam haben, wie die meisten Iraner, kaum Erfahrung mit der Arbeit in gesellschaftlichen Interessenvereinen und Bürgerinitiativen. Die verwandschaftlichen Bindungen seien nach wie vor viel stärker als die Solidarität unter ähnlich betroffenen Opfern, sagt Roya Ekhlaspour vom "Verein der Kinderfreunde" in Bam. "Andere Beziehungen als verwandschaftliche gibt es quasi nicht. Die Leute in Bam können aber nur als Interessenvereine ihre Forderungen formulieren. Sonst entscheiden andere für sie."

Massenbestattungen nach Erdbeben im Iran
Die Überlebenden taten ihr BestesBild: AP

Die Menschen müssen sich verstärkt selbst und gegenseitig helfen - meint auch Esmaili. Dies sei für ihn eine der Lehren des Erdbebens: "Wenn Menschen, die in einer Krise stecken, sich selbst nicht helfen, dann gehen viele Arbeiten gar nicht oder nur langsam voran. Ich werde das nicht vergessen, dass es damals die Opfer aus der Stadt selbst waren, die am ersten Tag des Erdbebens 95 Prozent der verschütteten Menschen aus den Ruinen retteten."

Isolierung aufgebrochen

Trotz allem menschlichen Leid sieht Roya Ekhlaspour aber auch einen positiven Punkt: Im Fall Bam habe die iranische Regierung zum ersten Mal akzeptiert, dass sie in Katastrophenfällen auf die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Helfern angewiesen ist. Auch sei erstmals nicht die Arbeit von Nicht-Regierungs-Organisationen blockiert worden.