"Keep Surfing"
20. Mai 2010An dieser Stelle ist der Eisbach wie ein reißender Gebirgsfluss. Eine weiß schäumende Welle, auf die man von einer Brücke an der Prinzregentenstraße direkt hinunterschauen kann, eine stehende Welle, auf der fast zu jeder Tageszeit ein Surfer zu finden ist. Es ist ein faszinierender Anblick. Die paar Quadratmeter Surfareal am Englischen Garten begründeten einen Mythos: München, die Hauptstadt des Flusssurfens nennt es Eli, der schwer tätowierte Kalifornier, der gerne hierher kommt und auch sonst die ganze Welt nach Flüssen absucht, auf denen man Surfen kann. Doch in München wurde dieser Sport erfunden und alle sind stolz darauf.
Die Anfänge: Filmen unerwünscht
Regisseur Björn Ritchie Lob ist selbst Teil dieser Szene und filmte seine Surfkollegen in München über Jahre hinweg, sprach mit ihnen über ihr Leben rund um den Sport und natürlich über das Surfen. Dabei war es anfangs gar nicht so einfach, das Leben der Flusssurfer zu dokumentieren, wie der Regisseur erzählt: "In den ersten fünf Jahren, in denen ich viel auf Video gedreht habe, gab es noch die goldene Regel, wenn Fotografen und Kameras kommen, sofort mit dem Surfen aufzuhören, damit nichts in den Medien gezeigt wird und dann zu viele an den Eisbach kommen."
Doch irgendwann war es vorbei mit der Geheimhaltung. Fernsehsender zeigten Berichte über die Surfer und in jedem neueren Reiseführer wird die Touristenattraktion ebenfalls erwähnt. Doch vor 20 Jahren war das Surfen in München noch "underground", sprich: Die Polizei verfolgte die Surfer, beschlagnahmte die Boards und verhängte saftige Strafen. Inzwischen hat das Schild am Eisbach, auf dem "Baden und Surfen verboten" steht, nur noch versicherungsrechtliche Gründe.
Nah dran am Großstadtabenteuer
Das Surfen steht aber noch immer für einen Schuss Abenteuer, den man sonst in der heilen bayerischen Welt vermisst. Junge, unangepasste Menschen suchen ihren Spaß - und auch ganz eigene Wege, sich zu verwirklichen und im Idealfall ihren zeitaufwendigen Sport in ihren Alltag zu integrieren. Schließlich sind es nur ein paar Minuten bis zum nächsten Surfrevier, wenn man in München wohnt.
Das genießen auch die Zuschauer rund um den Surf-Spot - und genauso unmittelbar ist man im Kino mit dabei, wenn die Surfer auf ihre Boards springen. Viele Sequenzen sind mit einer direkt am Surfbrett befestigten Kamera gefilmt. Man sieht deutlich die Vorbilder: Die Surf-Sequenzen sind clipartig auf Musik geschnitten, die "Keep Surfing" selbstverständlich auch zum hippen Surf-Film machen sollen. Schwerelosigkeit und Gleiten in Zeitlupe - darauf setzt der Film.
Das Thema "Surfen mitten in der Stadt - und kein Meer weit und breit" scheint für den Regisseur und für die River-Surfer kein Widerspruch zu sein. Surfer der ersten Stunde erzählen, wie man überhaupt darauf kam, dass die Welle, die sich nicht von der Stelle bewegt, zum Surfen taugen könnte. Das war vor 35 Jahren, als man den Sport nur am Meer praktizierte.
Bayerischer Monaco-Franze-Charme
Walter, früher "Hausmeister" des Eisbachs, der auch Berühmtheiten wie den mehrfachen Weltmeister Kelly Slater einfach nach Hause schickte, als der am Eisbach surfen wollte, wohnt inzwischen auf Sardinien. Dort ist er ein gefragter Hersteller des australischen Blasinstruments Didgeridoo. Auch das hat er sich selbst beigebracht - wie früher das Surfen. "Keep Surfing" vermittelt so den Eindruck, dass die Sucht nach dem Surfen durchaus mit Erfolg im Beruf vereinbar ist. Vielleicht gerade, weil man - wie beim Flusssurfen - andere, eigene Wege, suchen muss.
Ohne die typischen Münchener Klischees vom Maßkrug und vom Oktoberfest zu strapazieren, dafür mit sommerlich-fröhlichen Aufnahmen am Englischen Garten - Björn Ritchie Lob, ein gebürtiger Kölner, hat es geschafft, seine Wahlheimat München in ein überaus sympathisches Licht zu tauchen. Die Zutaten: Coole Jungs und grantelnde Hausmeister und ein Stück Anarchie, das in jedem Bayern steckt. Das verkörpern auch die Protagonisten von "Keep Surfing".
Autorin: Renate Heilmeier
Redaktion: Jochen Kürten