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Idomeni bei Nacht

Diego Cupolo, Idomeni / bh6. März 2016

Im völlig überfüllten Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze herrscht oft Chaos - tagsüber. Bei Nacht legt sich eine eigentümliche Ruhe über das Camp. Von Diego Cupolo, Idomeni.

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Griechenland: Flüchtlingslager Idomeni bei Nacht - Foto: Diego Cupolo (DW)
Bild: DW/D. Cupolo

Nach Einbruch der Dunkelheit prasseln Hunderte Feuer im Flüchtlingslager, entzündet mit tagsüber gesammeltem Holz. Der ruhig aufsteigende Rauch steht im Gegensatz zu den Tagen voller Proteste, oft vor laufenden Fernsehkameras, und manchmal gewalttätiger Aufstände. Die Nächte in Idomeni sind vergleichsweise friedlich und die Bewohner können entspannen - falls sie ein Obdach haben.

Rund 12.000 Asylsuchende drängen sich im Flüchtlingslager Idomeni, das eigentlich für 2500 Menschen ausgelegt ist. Sie haben die Felder ringsum in ein Labyrinth aus Zelten und Lagerfeuern verwandelt. Die Menschen haben es mit Bussen, Taxis oder zu Fuß bis hierher geschafft. Nun endet ihre Reise nach Nordeuropa hier, weil Mazedonien mittlerweile nur noch wenige Flüchtlinge ins Land lässt. Jetzt warten sie - und hoffen, dass die Grenze vielleicht doch wieder für alle geöffnet wird.

Obwohl die Unterstützer rund um die Uhr vor Ort sind, müssen Flüchtlinge, die spät nachts ankommen, oft draußen schlafen, weil es nicht genug Unterkünfte gibt. Um Abhilfe zu schaffen, fahren Freiwillige ebenso wie Mitarbeiter der Organisation Save the Children jetzt nach Mitternacht mit Lastwagen durchs Camp und versorgen obdachlose Familien mit Zelten.

Griechenland: Flüchtlingslager Idomeni bei Nacht - Foto: Diego Cupolo (DW)
Bild: DW/D. Cupolo

"Das Lager ist gut organisiert und die Leute sind jetzt ziemlich ruhig. Aber die Lage kann jederzeit wieder explodieren", sagt Kalliopi Mitelineos von der Hilfsorganisation A21, die sich um die Opfer von Menschenhändlern kümmert. "Die Grenzkontrollen funktionieren nicht und Griechenland ist auf diese Situation nicht vorbereitet."

Manche Leute witzeln, dass die Flüchtlingskrise mehr Journalisten nach Idomeni gebracht hat als Schutzsuchende. Der syrische Gitarrist Yasan vermeidet Kontakt zu Fotografen und Filmteams: "Ich will keine Bilder von mir, weil ich nicht möchte, dass meine Familie mich so sieht. Wenn sie mich fragen, wie's mir geht, sage ich ihnen nicht annähernd die Wahrheit."

Yasan hat während der Überfahrt von Samos alles verloren, außer seiner Gitarre. Die ersten Nächte in Idomeni musste er in Gruppenzelten schlafen - bis der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation ihm ein Einzelzelt gab. "Die Leute, die hier arbeiten, sind so nett!" betont er. "Ohne ihre Hilfe könnten wir hier nicht die Ruhe bewahren."

Griechenland: Flüchtlingslager Idomeni bei Nacht - Foto: Diego Cupolo (DW)
Bild: DW/D. Cupolo

Flüchtlinge, die sich in Griechenland registrieren lassen, bekommen Papiere, die ihnen 30 Tage Aufenthalt erlauben. Dass viele nun hier warten, um nach Norden weiterzuziehen, "ist absolut legal", sagt ein griechischer Polizist, der anonym bleiben möchte. "Aber sie sind neu hier und haben Geld. Ich weiß nicht, was sie tun, wenn ihnen das Geld ausgeht. Ich weiß nicht, wohin sie dann gehen."

"Wenn du in diesem Lager etwas brauchst, fragst du herum. Und am nächsten Tag wird es dir jemand am Eingang verkaufen", erzählt der Gitarrist Yasan. Viele griechische und arabische Händler haben ihre Stände in der Nähe von Idomeni aufgebaut. Von Zigaretten über Aluminiumtöpfe bis zu Halal-Burgern gibt es rund um die Uhr ein reichhaltiges Angebot an Waren.

Griechenland: Flüchtlingslager Idomeni bei Nacht - Foto: Diego Cupolo (DW)
Bild: DW/D. Cupolo

Regen verwandelt die Wege im Camp in Schlamm und zerstört oft Zelte, die der Feuchtigkeit nicht standhalten. Sam Ismail, ein ehemaliger Peschmerga-Kämpfer aus Kirkuk im Nordirak, beschwert sich über das Wetter: "Nachts wache ich auf und meine Decken im Zelt sind sogar nass, wenn es gar nicht regnet. Ich kapiere dieses Wetter nicht - die Luft ist so feucht."

Zur Zeit passieren zwischen 50 und 200 Personen täglich die Grenze nach Mazedonien. Obwohl viel weniger Menschen durchgelassen werden, als täglich neu in Idomeni ankommen, ist Ismail entschlossen, alles zu tun, um zu seinem Bruder nach England zu gelangen. "Ich habe erst beim sechsten Versuch geschafft, aus der Türkei nach Griechenland zu kommen. Glaubst du wirklich, ich gebe jetzt auf?"

Griechenland: Flüchtlingslager Idomeni bei Nacht - Foto: Diego Cupolo (DW)
Bild: DW/D. Cupolo