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IAA 2019: Alles so schön grün hier!

Henrik Böhme z.Zt. Frankfurt am Main
10. September 2019

In einem schwierigen konjunkturellen Umfeld und begleitet von einer zugespitzten gesellschaftlichen Debatte rund ums das Auto lief die diesjährige Internationale Automobilausstellung. Aus Frankfurt Henrik Böhme.

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Kröte auf Moos
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Natürlich, ein bisschen Show muss immer noch sein, wenn ein neues Auto auf die Bühne rollt. Aber es dröhnt nicht mehr so sehr, dafür soll mehr Natur rüberkommen. Überall ist von Umwelt, vom Klimawandel, von Nachhaltigkeit, von klimaneutraler Produktion zu hören. Und auch sonst ist eine Menge anders auf der IAA des Jahrgangs 2019.

Bei Mercedes-Benz zum Beispiel. Die haben in die Frankfurter Festhalle früher für Abermillionen gleich zwei Etagen eingezogen und dort ihre Autos ausgestellt. In diesem Jahr ein um ein Drittel reduzierter Auftritt, in der Festhalle praktisch keine Autos, nur riesige Multimedia-Wände für die Präsentation von Mobilitätskonzepten. Die Autos dazu sind draußen in der Vorhalle geparkt. Noch drastischer BMW: Die Bayern, die vor zwei Jahren noch eine ganze Messehalle beanspruchten, brauchen jetzt zwei Drittel weniger Fläche, teilen sich die Halle mit Jaguar, Land Rover, Hyundai und anderen.

Ist die IAA ein Auslaufmodell?

Überhaupt die Aussteller: Mehr als 30 wichtige Automarken haben sich die Kosten für einen Auftritt in Frankfurt gleich ganz gespart, es fehlen fast alle Nobelmarken. Peugeot überlässt seiner deutschen Tochter Opel die Bühne, mit Honda ist nur ein einziger Japaner hier. Hat sich das Konzept der klassischen Automesse überlebt? Erleidet die IAA das gleiche Schicksal wie die Computermesse Cebit, die im vergangenen Jahr beerdigt wurde?

Präsentation von Mercedes-Benz in der Festhalle Frankfurt während der IAA 2019
Präsentation von Mercedes-Benz in der Festhalle Frankfurt während der IAA 2019Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

"Die Messe und der ganze Auftritt der Autohersteller müssen sich ändern. Ich glaube, die IAA in dieser Form läuft wirklich auf ihr Ende zu", sagt Jürgen Pieper, Auto-Analyst beim Bankhaus Metzler, zur DW.

Man müsse sich den neuen Themen öffnen und diese in den Vordergrund stellen. "Mich hat, wenn ich ehrlich bin, immer schon genervt, dass die Hersteller ihre gesamte Palette in die Hallen stellen, die man als Besucher gar nicht unbedingt sehen will." Man wolle die Neuigkeiten sehen, "das, was sich da bewegt und was sich da tut. Und darauf muss man sich konzentrieren", so Pieper.

Der Veranstalter der Messe, der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA), scheint das Problem erkannt zu haben und versucht gegenzusteuern. Denn freilich will man Frankfurt das Schicksal von Detroit ersparen. Dort kam die traditionsreiche Motorshow unter die Räder, weil plötzlich alle lieber zur Consumer Electronic Show nach Las Vegas fuhren und dort Autos als Teil der digitalen Welt zeigten. Im nächsten Jahr will Detroit einen letzten Versuch im Sommer statt im kalten Januar starten.

"Die reine Automesse, also das Ausstellen von Produkt und Technologie allein, reicht heute nicht aus, um Antworten auf die Fragen der Zukunft zu geben", sagt auch VDA-Chef Bernhard Mattes, früher Deutschland-Chef von Ford. Das Auto sei ja auch nur ein Teil der individuellen Mobilität der Zukunft.

"Nicht jeder Weg in einer Stadt muss mit einem Auto zurückgelegt werden, das kann mit einem Fahrrad, einem E-Scooter oder mit einem Bus genauso oder sogar besser funktionieren", so Mattes zur DW. Man müsse die Systeme allerdings deutlich effizienter machen. "All das tun wir, daran arbeiten wir." Auf der IAA, die er eine "Eventplattform der Mobilität der Zukunft" nennt, müsse das erlebbar gemacht werden, und es müsse darüber eine breite Debatte geben. "Ich bin zuversichtlich, dass das auch funktionieren wird."

Mehr E-Auto war nie

Und noch etwas ist anders: War früher die Zahl der Weltpremieren die Richtgröße einer Automesse, so ist es heute die Zahl der Elektroautos, die präsentiert werden. Die Branche steckt in einem gewaltigen Umbruch, das ist bekannt. Erschwerend kommt nun noch eine Eintrübung der Weltkonjunktur hinzu.

Die Experten erwarten für das laufende Jahr einen weltweiten Absatzrückgang von wenigstens vier Prozent, für den wichtigsten Markt China gar von sieben Prozent. Gegensteuern will zum Beispiel Volkswagen mit einer Elektro-Offensive. Konzern-Chef Herbert Diess sieht das auch als Versuch, die Folgen des Diesel-Skandals zu überwinden, der vor ziemlich genau vier Jahren unmittelbar nach Ende der IAA losbrach.   

Der Skandal sei traumatisch zunächst für VW, aber dann für die ganze Automobilindustrie gewesen, sagt Diess im DW-Exklusivinterview. "Wir haben durch unser Verhalten viel Schaden verursacht - weltweit, nicht nur in Amerika, auch hier in Europa. Und wir haben die letzten vier Jahre versucht, das so gut wie möglich zu reparieren."

Das sei noch lange nicht zu Ende und es werde noch Jahre dauern, bis man Vertrauen wiedergewonnen habe. "Aber auf der anderen Seite hat es uns auch angestoßen, schneller neu zu denken, konsequenter die Zukunft ins Auto zu holen", so der Volkswagen-Chef.

VW-Chef Herbert Diess enthüllt das Elektroauto ID 3 auf der IAA 2019
VW-Chef Herbert Diess enthüllt das Elektroauto ID.3 auf der IAA 2019Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Wie sich VW die automobile Zukunft vorstellt, das wurde nun in Frankfurt offiziell enthüllt, am Vorabend der Messe präsentierten die Wolfsburger ihren ID.3, der den Auftakt in ein neues Zeitalter markieren soll, so wie einst der Käfer und der Golf. Schon 30.000 Vorbestellungen lägen vor, sagt Diess nicht ohne Stolz und gibt dann ganz den VW-Chefverkäufer, wenn er von einem "interessanten Gesamtpaket" spricht. "Ich glaube, dass es für viele Kunden schwierig sein wird, sich gegen den ID.3 zu entscheiden. Für alle, die nicht jeden Tag Hunderte von Kilometern fahren, die im Jahr nicht 50 oder 60.000 Kilometer fahren, die nicht riesengroße Autos brauchen, ist es wahrscheinlich das beste Auto."

VW investiert für die Elektromobilität Milliarden, baut ganze Werke um, in Zwickau in Sachsen zum Beispiel werden ab November nur noch E-Autos vom Band laufen.

Nur ein einziges Werk und 500 Millionen Euro hingegen hat das chinesische Startup Byton zur Verfügung. Gegründet von Ex-BMW-Managern bläst man nun zum Angriff. Das neue Werk in Nanjing sei fast fertig, im November starte die Produktion des ersten Modell namens M-Byte, berichtet Byton-Chef Daniel Kirchert. Im nächsten Sommer starte der Verkauf in China, ein Jahr später in Europa und den USA. 

Daniel Kirchert, Mitgründer und Chef des E-Auto-Startups Byton
Daniel Kirchert, Mitgründer und Chef des chinesischen E-Auto-Startups BytonBild: DW/H. Böhme

"Der Grund, warum wir glauben, dass wir eine Chance haben gegen die etablierte Industrie anzutreten, kommt nicht nur daher, dass die Industrie sich komplett elektrifiziert." Das Fahrzeug als Connected Device sei ein Megatrend. "Und da glaube ich, dass wir als Startup den Riesenvorteil haben, auf einer grünen Wiese anfangen zu können, dass wir eine neue Kultur kreieren können."

Man sei, so Kirchert im DW-Interview, eben kein klassischer Autohersteller und auch kein reines Internet-Unternehmen. "Wir haben die besten Talente aus beiden Bereichen zusammenbekommen. Und das sind ja nicht so kompatible Kulturen. Das fällt unseren Kollegen aus der etablierten Industrie ein bisschen schwerer, sich in diese Richtung zu transformieren."

Aber trotz aller optimistischen Töne: Im Moment muss die Autobranche schauen, wie sie durch die aktuelle Krise kommt. Denn auch für das nächste Jahr sehen die Auguren kaum Licht am Ende des Tunnels.

Und die gerade in Deutschland begonnene Debatte über individuelle Mobilität, sie könnte schon am Samstag an Fahrt gewinnen, wenn die IAA ihre Tore für das breite Publikum öffnet. Klima-Aktivisten haben Proteste und Straßenblockaden angekündigt, um gegen die Autoindustrie zu demonstrieren. Die Frankfurter Polizei ist auf alles vorbereitet.

Dilemma: durstige SUVs statt Elektroautos

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58