Hongkongs Regierungschef geht
10. März 2005
"Wenn Peking gewollt hätte, dass er bleibt, dann wäre er geblieben", sagte der Hongkonger Politikwissenschaftler Joseph Cheng. Dagegen verwahrte sich Tung gegen die Einschätzung, die chinesische Regierung habe ihn zum Rücktritt gedrängt. Der 67-jährige stellte eine Erklärung zu "angemessener Zeit" in Aussicht.
Freiwillig gegangen?
In der Hongkonger Presse war schon seit Tagen spekuliert worden, Tung sei von der chinesischen Zentralregierung "gegangen worden", weil er in der Bevölkerung immer unbeliebter geworden sei. Der Rücktritt werde mit "schlechter Gesundheit und Stress" begründet, hieß es mit Hinweis auf Quellen in Peking. Das Büro des Hongkonger Regierungschefs nannte die Berichte in den meisten Hongkonger Blättern "Spekulationen", ohne sich aber weiter zu äußern. Die Amtsgeschäfte wird zunächst die Nummer Zwei, Donald Tsang, übernehmen. Der 60-jährige Verwaltungschef gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge.
Neuer Posten schon gefunden
Offenbar um ihm einen ehrenhaften Abgang zu ermöglichen, wurde Tung Chee-hwa zum Vizevorsitzenden der Konsultativkonferenz Chinas nominiert. Eine Berufung in das Beratergremium verdienter und häufig pensionierter Persönlichkeiten dürfte zum Abschluss des Chinesischen Volkskongresses am 12. März besiegelt werden. Konferenzsprecher Wu Jianmin wollte die Berichte nicht kommentieren, hieß aber mehr Hongkonger in dem Gremium willkommen. Er machte deutlich, dass die Aufgabe "ein Vollzeitjob" sei.
Seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China hatte der von Peking ernannte frühere Reeder die nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" autonom verwaltete Sonderverwaltungsregion geführt. Er wurde nicht direkt gewählt, sondern von einem 800-köpfigen Komitee eingesetzt. Seine reguläre Amtszeit wäre in zwei Jahren ausgelaufen. Tung hatte seit seinem Amtsantritt mit etlichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt.
Glückloser Regent
Im ersten Jahr seiner Amtszeit sorgte die Asienkrise für Rekordarbeitslosigkeit in der ehemaligen britischen Kronkolonie, in den vergangenen beiden Jahren geriet Tung unter Druck, als hunderttausende Menschen auf den Straßen für mehr Demokratie demonstrierten. Im Jahr 2002 wurde die Sieben-Millionen-Stadt zudem von der gefährlichen Lungenkrankheit Sars heimgesucht, an der bis 2003 fast dreihundert Menschen in Hongkong starben. Dem glücklosen Regierungschef fehlte auch wegen seiner bedingungslosen Loyalität zu Peking das Vertrauen vieler Hongkonger. Umgekehrt verärgerte die kommunistische Führung in Peking die anhaltende politische Krise in Hongkong und die zunehmenden Rufe nach freien Wahlen.
Nach dem Generationswechsel in Peking hatte der neue Staats- und Parteichef Hu Jintao den Hongkonger Regierungschef im Dezember überraschend öffentlich kritisiert. Tung Chee-hwa, der 1996 vom damaligen chinesischen Parteichef Jiang Zemin ausgesucht worden war und bereits nach den Massenprotesten seinen Rücktritt angeboten haben soll, räumte daraufhin im Januar "Unzulänglichkeiten" ein. Vor dem chinesischen Neujahrsfest Anfang Februar habe er erneut seinen Rücktritt eingereicht, der auf einer Krisensitzung des Politbüros angenommen worden sei, berichtete der "Hong Kong Standard". (arn)