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Hongkongs Firmen vor schwieriger Wahl

Ashutosh Pandey mit Material von Reuters
17. August 2021

Chinas neues Anti-Sanktionsgesetz droht ausländischen Unternehmen und Personen Strafen an, wenn sie Sanktionen gegen die Volksrepublik umsetzen. Das Gesetz könnte schon bald auch für westliche Firmen in Hongkong gelten.

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China Schanghai Fahnen USA und China
Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele

Peking plant die Einführung neuer Anti-Sanktionsgesetze in Hongkong und Macau, um ausländische Firmen und Einzelpersonen davon abzuhalten, Sanktionen gegen China umsetzen.

Die Gesetze würden es der chinesischen Regierung ermöglichen, Vergeltung für ausländische Sanktionen zu üben. Denn die USA und EU sind dabei, den Druck auf Peking wegen des harten Vorgehens gegen pro-demokratische Aktivisten in Hongkong und wegen der Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang zu erhöhen. Die USA und die Europäische Union hatten deswegen im vergangenen Jahr Sanktionen gegen mehrere chinesische Unternehmen und Einzelpersonen verhängt.

Es wird erwartet, dass das im Juni in der Volksrepublik verabschiedete "Anti-Auslandssanktionsgesetz" in Hongkong übernommen wird, indem es in die Verfassung der ehemaligen britischen Kronkolonie aufgenommen wird. Die Gesetze des chinesischen Festlands gelten in der von China beherrschten Stadt nur dann, wenn sie in einem Anhang der Verfassung Hongkongs, dem Basic Law (Grundgesetz) aufgeführt sind. Das chinesische Parlament könnte dafür jetzt auf einer viertägigen Sitzung, die am 17. August begonnen hat, die Weichen stellen.

"Chinesische Amsträger haben erklärt, dass sie bestimmte ausländische Sanktionen als unvereinbar mit den Grundprinzipien des Völkerrechts und den nationalen Interessen und der Sicherheit Chinas betrachten", so Nicholas Turner, Anwalt bei der Kanzlei Steptoe & Johnson und Experte für Wirtschaftssanktionen, gegenüber der DW. "Diese neuen Gesetze sollen der chinesischen Regierung Instrumente an die Hand geben, mit denen sie auf ausländische Maßnahmen reagieren kann, um die nationalen Interessen und die Sicherheit Chinas zu schützen, insbesondere wenn es um die inneren Angelegenheiten Chinas geht."

Schweiz Wilbur Ross in Davos
Schon jetzt auf Chinas Sanktionsliste: Wilbur Ross, früherer US-Handelsminister unter Ex-Präsident Donald TrumpBild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE/G. Ehrenzeller

Was ist das neue Anti-Sanktionsgesetz?

Es ist zwar noch nicht bekannt, inwieweit sich das Gesetz in Hongkong von dem auf dem Festland unterscheidet, aber es wird erwartet, dass es weitgehend den im Juni eingeführten Vorschriften entspricht.

Nach dem von Peking verabschiedeten Gesetz kann eine ausländische Einrichtung oder Person, die Sanktionen gegen chinesische Einrichtungen oder Personen umsetzt, auf eine Anti-Sanktionsliste der chinesischen Regierung gesetzt werden.

Diesen Personen oder Einrichtungen könnte dann die Einreise nach China verweigert oder sie könnten ausgewiesen werden. Außerdem könnte ihr Vermögen in China beschlagnahmt oder eingefroren werden. Sie könnten auch daran gehindert werden, mit chinesischen Staatsangehörigen oder Firmen Geschäfte zu machen. Das Gesetz ermöglicht es chinesischen Firmen, ihre ausländischen Geschäftspartner vor Gericht zu ziehen, wenn sie sich wegen der Einhaltung ausländischer Sanktionen geschädigt fühlen.

Im Juli nutzte China das neue Gesetz, um den ehemaligen US-Handelsminister Wilbur Ross und sechs weitere Amerikaner zu sanktionieren, als Reaktion auf die US-Sanktionen gegen chinesische Amtsträger wegen des harten Vorgehens in Hongkong.

Xinjiang: Chinas muslimische Minderheiten

Was will China damit erreichen?

Peking kritisiert die USA und die EU für ihre Einmischung in, wie es sagt, interne Angelegenheiten Chinas. Es hat sein "juristisches Instrumentarium" aufgestockt, um gegen "ausländische Sanktionen und Einmischung" vorzugehen. Besonders stört China die in den USA bestehende Möglichkeit der "long arm jurisdiction", mit denen amerikanische Gerichten auch gegen Rechtsverletzungen im Ausland vorgehen können.

Peking führt die Verhaftung der Huawei-Topmanagerin Meng Wanzhou durch Kanada im Jahr 2018 und das Vorgehen Washingtons gegen die chinesischen Firmen Huawei und ZTE wegen Verstößen gegen die US-Sanktionen gegen den Iran oder Nordkorea als Beispiele für diesen langen Arm amerikanischer Gerichte an.

"Früher hatte China weder die wirtschaftliche Macht noch den politischen Willen, rechtliche Mittel einzusetzen, um gegen US-Sanktionen vorzugehen. Jetzt hat es beides", sagte Wang Jiangyu, Rechtsprofessor an der City University von Hongkong, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

"Zusammenarbeit ist die beste Option, aber die USA wollen sie nicht. Also ist Vergeltung, wie bei diesem neuen Gesetz, die zweitbeste Option. Klein beizugeben ist die schlechteste."

Hongkong Gebäude der Bank of China, Cheung Kong Center und HSBC
Hongkongs Parlament von Pekings Gnaden: Der Legislativrat (vorne) und Bankenhochhäuser wie das von HSBC (rechts) Bild: AFP/Getty Images/M. Clarke

Was bedeutet das Gesetz für die Bedeutung Hongkongs als Finanzzentrum?

Durch die neuen Vorschriften kommen westliche Unternehmen, die in der Stadt tätig sind, in die prekäre Lage, einen Spagat zwischen zwei Regulierungssystemen machen zu müssen.

"US-Unternehmen, die in China tätig sind, befinden sich in einem geopolitischen Kreuzfeuer", so Doug Barry vom US-China Business Council gegenüber der DW. "Sie müssen sich gleichzeitig an chinesische und US-Gesetze halten."

Kritiker befürchten, das Gesetz könne Hongkongs Ruf als globales Finanzzentrum schaden und ausländische Investoren abschrecken. Die sind jetzt schon über die allmähliche Aushöhlung des "hohen Maßes an Autonomie" beunruhigt, das Peking der ehemaligen britischen Kronkolonie zugesagt hat. Im Juni 2020 verabschiedete China ein umfassendes Gesetz zur nationalen Sicherheit, um gegen pro-demokratische Aktivisten in Hongkong vorzugehen, und verschärfte damit seine Kontrolle über die Stadt.

Die Biden-Regierung hat US-Unternehmen vor den wachsenden Risiken für ihre Geschäfte und Aktivitäten in Hongkong gewarnt. "Die Entwicklungen des letzten Jahres in Hongkong stellen für multinationale Unternehmen ein eindeutiges operatives, finanzielles, rechtliches und Reputations-Risiko dar", erklärte die Regierung in einer Mitteilung vom Juli 2021.

In einer Empfehlung wurde vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen Pekings gegen Unternehmen gewarnt, die US-Sanktionen anwenden und deshalb unter das chinesische Anti-Sanktionsgesetz fallen.

"Insbesondere internationale Banken und Finanzinstitute könnten verpflichtet werden, US-Sanktionen umzusetzen, was sie wiederum einem rechtlichen Risiko im Rahmen der neuen Anti-Auslandssanktionsgesetze in Hongkong aussetzen könnte", sagte Shaun Wu, Partner bei der Anwaltskanzlei Paul Hastings, gegenüber der DW. "Unternehmen müssen daher auf diese neue Gesetzgebung in Hongkong achten und sich beraten lassen, um sicherzustellen, dass sie die einschlägigen Gesetze und Vorschriften in den verschiedenen Rechtsordnungen beachten."

Nicholas Turner von Steptoe & Johnson erwartet nicht, dass das neue Anti-Sanktionsgesetz Hongkongs Bedeutung als internationales Finanzzentrum schaden wird. "Viele Finanzinstitute in Hongkong waren in der Lage, die jüngsten US-Sanktionen gegen chinesische Militärunternehmen und andere Ziele zu umgehen und gleichzeitig weiterhin von Hongkongs Kapitalmarkt zu profitieren, der im vergangenen Jahr eine enorme Stärke gezeigt hat."

Hongkong Carrie Lam PK
Von US-Sanktionen betroffen: Hongkongs Regierungschefin Carrie LamBild: Vincent Vu/AP Photo/picture alliance

Wie streng wird Peking das Anti-Sanktionsgesetz anwenden?

Doug Barry vom US-China Business Council sagt, dass entscheidend sein wird, wie streng das neue Gesetz angewendet wird.

"China muss vorsichtig und selektiv vorgehen. Das Dilemma für die chinesische Führung besteht darin, zu vermeiden, dass Unternehmen aus China vertrieben werden und so das Ziel Pekings, die heimische Wirtschaft zu reformieren und zu öffnen, gefährdet wird", sagte er.

Peking hat starke Anreize, Hongkongs Status als internationales Finanzzentrum zu schützen, das dank seines erstklassigen Finanz- und Rechtssystems ausländisches Kapital für China anlockt.

Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, die selbst von US-Sanktionen betroffen ist, sagte im Januar gegenüber Bloomberg, dass China wahrscheinlich keine Banken wie HSBC bestrafen würde, die US-Sanktionen umsetzen.

"Ich wüsste nicht, warum die Zentralregierung solche Maßnahmen ergreifen sollte", sagte sie und fügte hinzu, sie erwarte nicht, dass Banken in Hongkong zwischen China und den USA und deren Verbündeten wählen müssten.

Wie streng Peking die neuen Regeln durchsetzt, hängt nach Ansicht von Experten wahrscheinlich davon ab, wie hart Washington gegen Firmen vorgeht, die mit Unternehmen oder Personen auf der US-Sanktionsliste Geschäfte machen.

Im Mai erklärte das US-Finanzministerium, es habe noch keine ausländischen Finanzunternehmen identifiziert, die Geschäfte mit Unternehmen oder Personen machten, die auf der US-Sanktionsliste stehen, weil sie Pekings autoritären Kurs gegenüber Hongkong unterstützen..

Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Kohlmann