1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Historischer Machtwechsel in Grönland

3. Juni 2009

Die linksorientierte Partei der Inuits, der Ureinwohner, ist die Gewinnerin der grönländischen Parlamentswahl. Der neue Autonomie-Status der Insel gewährt den Inuits mehr Rechte. Bis 2021 will Grönland unabhängig sein.

https://p.dw.com/p/I2XB
Der Wahlsieger und Chef der Partei Inuit Ataqatigiit, Kuupik Kleist, bei der Stimmabgabe (Foto: ap)
Der Wahlsieger: Kuupik Kleist, der Chef der Partei Inuit AtaqatigiitBild: AP

Nach dem am Mittwoch (03.06.2009) verkündeten amtlichen Endergebnis kommt die linksorientierte Partei Inuit Ataqatigiit (IA) auf 43,7 Prozent der Stimmen. Die bisherige Oppositionspartei von Kuupik Kleist erzielte ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zur vorigen Abstimmung. Damit entthronte die Partei die seit drei Jahrzehnten in Grönland regierenden Sozialdemokraten (Siumut), die um 3,9 Prozentpunkte auf 26,5 Prozent abrutschten.

Der bisherige Koalitionspartner von Ministerpräsident Hans Enoksen, die konservative Atassut-Partei, büßte fast die Hälfte ihrer Stimmen ein und errang nur noch 10,9 Prozent. Zu den großen Verlierern gehören auch die oppositionellen Demokraten mit 12,7 Prozent. Knapp 39.000 Stimmberechtigte waren dazu aufgerufen, über die Besetzung von 31 Mandaten zu befinden.

Neue Epoche mit mehr Autonomie

Der Wahlverlierer und amtierende sozialdemokratische Regierungschef Hans Enoksen an der Wahlurne (Foto: ap)
Der Wahlverlierer: der sozialdemokratische Regierungschef Hans EnoksenBild: AP

Der Machtwechsel hatte sich bereits in Umfragen angedeutet. Mehrere Spitzenpolitiker der Siumut-Partei sind der Korruption und Vetternwirtschaft schuldig befunden worden, auch ein innerparteilicher Machtkampf hat der Partei von Enoksen geschadet. Zudem wurde der Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen vorgehalten, zuwenig gegen Probleme wie die Vernachlässigung von Kindern, Alkoholmissbrauch und die hohe Selbstmordrate getan zu haben.

Eigentlich hätte die Legislaturperiode erst in einem halben Jahr geendet. Der Regierungschef wollte jedoch, dass die am 21. Juni startende "neue Epoche" der erweiterten Autonomie von Neuwahlen eingeleitet werde. Begonnen hatte diese Epoche mit einer Volksabstimmung Ende November. Damals votierten 76 Prozent der Grönländer für eine Ausweitung der Befugnisse der einheimischen Regierung. Diese übernimmt nun unter anderem die Zuständigkeit für die Polizei, das Justizwesen und den Küstenschutz. Außerdem wird Grönländisch, die Sprache der Inuit, als offizielle Landessprache anerkannt.

Unabhängigkeit von Dänemark als Endziel

Angenommen wurden auch Richtlinien für die Aufteilung der erhofften Einnahmen aus Ölvorkommen vor der Küste Grönlands. Darüber sollen noch in diesem Monat Verhandlungen mit Dänemark aufgenommen werden. Die Regierung in Kopenhagen, die die grönländische Wirtschaft zu zwei Dritteln subventioniert, ist aber weiterhin zuständig für die Außen- und Verteidigungspolitik. Und die dänische Königin Margrethe bleibt das formelle Staatsoberhaupt der rund 56.000 Grönländer.

Seit 1979 besitzt die größte Insel der Welt - sie ist etwa sechs Mal so groß wie Deutschland - als Teil einer "Reichsgemeinschaft" mit Dänemark einen halbautonomen Status. Doch weitgehend übereinstimmend streben allen grönländischen Parteien die völlige staatliche Unabhängigkeit von Kopenhagen an. Als Zieldatum gilt dabei das Jahr 2021, dann jährt sich zum 300. Mal der Beginn der Kolonisation durch Dänemark.

Blick auf die grönländische Stadt Ilulissat (Foto: dpa)
Gefährdete Idylle: Blick auf die grönländische Stadt IlulissatBild: picture-alliance/ dpa

Die Zukunft der zu rund 80 Prozent mit Eis bedeckten Rieseninsel und ihrer Bewohner ist dabei durchaus ambivalent. Zwar lagern im nördlichen Polargebiet nach jüngster Schätzung von US-Geologen etwa 30 Prozent des bislang noch unentdeckten Erdgases der Erde und 13 Prozent der unentdeckten Ölvorräte. Und die Erwärmung der Arktis könnte langfristig die Ausbeutung dieser Bodenschätze möglich machen - mit positiven Auswirkungen auf das Wohlstandniveau auch der Grönländer.

Gefahren für Lebensgrundlagen der Urvölker

Andererseits drohen ohne den Permafrost gewaltige Veränderungen der Natur: Die Küsten des Polargebiets könnten dem Angriff immer stärkeren Stürme nicht mehr trotzen und würden Stück für Stück ins Meer gerissen. Immer mehr indigene Fischer und Jäger müssten sich landeinwärts neu ansiedeln. Wale, Robben und Eisbären etwa wären schwerer erreichbar, weil sie wegen der Temperatur weit draußen im offenen Meer blieben.

Erst in der vergangenen Woche forderten Vertreter zahlreicher Urvölker in der Arktis auf einem UN-Forum in New York mehr Mitsprache bei allen wirtschaftlichen Projekten, die ihre Lebensgrundlagen betreffen. In einzelnen Dokumenten hieß es wörtlich: "Nichts ohne unsere Zustimmung!" (sti/det/dpa/afp/ap)