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Am Abgrund

Peter Philipp9. Mai 2008

In Beirut wächst der Konflikt zwischen der von der radikal-islamischen Hisbollah angeführten pro-syrischen Opposition und der vom Westen unterstützten anti-syrischen Regierung. Peter Philipp erklärt die Hintergründe.

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Nach Auseinandersetzungen in der libanesischen Hauptstadt Beirut (Quelle: AP)
Nach Auseinandersetzungen in der libanesischen Hauptstadt BeirutBild: AP

Seit drei Tagen eskaliert die Auseinandersetzung zwischen der libanesischen Regierung von Ministerpräsident Fouad Siniora und der von Hisbollah angeführten Opposition in Beirut. Die Libanesen fühlen sich an die Tage des Bürgerkrieges erinnert, der das Land von 1975 bis 1990 verwüstete.

Hisbollah-Miliz in Beirut (Quelle: AP)
Hisbollah-Miliz in BeirutBild: AP

Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht in Sicht. Appelle des UN-Generalsekretärs zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung blieben ebenso ohne Wirkung wie der Aufruf Sinioras, die Kämpfe einzustellen.

Große Teile von Westbeirut stehen unter der Kontrolle vermummter Hisbollah-Kämpfer, die offenbar auch unterstützt werden durch Anhänger des christlichen Ex-Generals Michel Aoun, der mit Hisbollah zusammenarbeitet. Die Bewaffneten greifen sunnitische und drusische Anhänger der Regierung an. Sie haben am Freitag den Fernsehsender "Future" des Hariri-Clans besetzt und die Redaktionsräume der Zeitung "Al Mustaqbal" verwüstet, die ebenso dem Sohn des 2005 ermordeten früheren libanesischen Ministerpräsidenten gehört.

Auslöser: Telefonnetz und Videokameras

Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen durch zwei Maßnahmen der Regierung vor einigen Tagen, die von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah als "offene Kriegserklärung" verurteilt wurden: Die Regierung beschlagnahmte ein von der Hisbollah illegal betriebenes Festnetz-Kommunikationssystem und versetzte den Sicherheitschef des Beiruter Flughafens, weil dieser im Auftrag der Hisbollah den Flughafen mit Videokameras habe überwachen lassen.

Nasrallah schnaubte in einer Ansprache: Der Sicherheitschef bleibe im Amt und es solle nur ja niemand auf die Idee kommen, ihn ablösen zu wollen. Jeder wisse, was dann geschehe… Und was das Telekommunikationsnetz der Hisbollah betreffe, so sei dies von großer strategischer Bedeutung bei der Verteidigung gegenüber Israel: Über dieses Netz könne Hisbollah ungestört und ohne geortet zu werden, seine Operationen planen und lenken und jeder Versuch, dieses Netz zu zerschlagen komme deswegen direkter Hilfe für Israel gleich.

Panzer der libanesischen Armee (Quelle: AP)
Panzer der libanesischen ArmeeBild: AP

Solche Worte waren das Signal zum Angriff: Zuvor hatte die Hisbollah zwar schon einen eintägigen Generalstreik gegen steigende Lebenshaltungskosten abgehalten, zu dessen Ende es einige Scharmützel außerhalb Beiruts gegeben hatte. Aber man hatte erwartet, dass die Lage sich wieder normalisieren würde. Die Rede Nasrallahs aber setzte Gewalt frei, die in den zurückliegenden anderthalb Jahren nur mühsam hatte zurückgehalten werden können.

Die Syrien und dem Iran nahe stehende Hisbollah und ihre christlichen Verbündeten von Michel Aoun fordern seit Ende 2006 den Rücktritt der Regierung Fuad Siniora oder eine Machtverteilung im Kabinett, die ihnen dort ein Vetorecht einräumt. Die vom Westen – und dem Großteil der arabischen Welt – unterstützte Regierung ist dazu nicht bereit, weil sie dadurch handlungsunfähig würde. In der Folge hat die Opposition es verstanden, seit Herbst 2007 die Wahl eines neuen Staatspräsidenten zu verhindern, obwohl man sich eigentlich längst auf die Person und auch die Modalitäten geeinigt hatte.

Keine Gefahr für UNIFIL und Bundeswehr

Bisher unberührt von den gewaltsamen Entwicklungen bleibt UNIFIL – die UN-Interimtruppe im Libanon: Die Blauhelme sind im Südlibanon eingesetzt, nicht in Beirut, und es ist nicht ihre Aufgabe, sich in innerlibanesische Konflikte einzumischen. Obwohl das Mandat heißt: Die libanesische Zentralregierung bei der Ausweitung ihrer Kontrolle über das ganze Staatsgebiet zu unterstützen.

Die Bundeswehr innerhalb der UNIFIL kommt mit den Beiruter Auseinandersetzungen schließlich gar nicht in Berührung: Sie ist Teil einer internationalen Flotte, die vor der Küste des Libanon kreuzt, um einen – dort allerdings nicht vorkommenden – Schmuggel von Waffen zu unterbinden.