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Hip-Hop mit Verstand aus Tansania

Sandra Petersmann, Tansania19. Juli 2005

Die offizielle Landessprache in Tansania ist Swahili. Gleich danach aber kommt Bongo Flava. Das ist Hip-Hop-Musik - so etwas wie der gerappte Volksmund des Landes. Sandra Petersmann hat einige der Musiker getroffen.

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Jeder auf den Straßen von Tansania kennt Bongo-Flava-MusikBild: dpa - Bildarchiv

Bongo ist das Swahili Wort für Gehirn. Oder Verstand. Bongo ist auch der Spitzname für Dar es Salaam. Weil man ziemlich viel Grips braucht, um in der Drei-Millionen-Metropole am Indischen Ozean zu überleben. Bongo Flava, Hip-Hop auf Swahili, ist der musikalische Geschmack der Straße. 1993 kam in Dar es Salaam die erste selbst produzierte Platte auf den Markt. Knapp 15 Jahre später ist Bongo Flava die erfolgreichste Musikrichtung im ganzen Land. Jede Radiostation spielt die Songs, aus jedem Ghetto Blaster schallt die Musik.

Für Kondome und Treue

Adili rappt spontan los. Er ist 25 und ein Aufsteiger in der Szene. Seine erste Platte verkauft sich sehr gut, aber er hat nicht vergessen, woher er kommt. Er singt über das wahre Leben, sagt er. Und zum wahren Leben in Tansania gehört Aids. "Wir haben viele Familienmitglieder und Freunde verloren. Darum geht es in meinem Song. Wir müssen vorsichtig sein und genau überlegen, wie wir unser Leben leben wollen", sagt Adili. Die Menschen sollten die Hoffnung nicht verlieren, sie sollten Kondome benutzen, und sie sollten dem Menschen treu sein, den sie wirklich lieben, erklärt er.

Afrikanische Mixtur

Für Adili ist Bongo Flava 100 Prozent Tansania. Auch wenn er selber aussieht wie die berühmten US-Rapper Ice T oder Puff Daddy. Er trägt zerlöcherte Jeans und ein Basketball-Shirt in XXL, um den Hals hängt eine dicke goldene Afrika-Kette, auf dem Kopf sitzt eine schwarze Baseballmütze. "Bongo Flava, das ist unsere Musik in Tansania. Es ist Hip Hop, aber in unserer eigenen Sprache. Darum nennen wir es Bongo Flava. Wir mixen es zusammen. Wir nehmen unsere Kultur, unsere Musikideen und mischen es mit den ganz einfachen Hip-Hop Beats aus den USA. So entsteht unsere Musik", beschreibt Adili das spezielle Musik-Rezept.

Wahres Leben statt echter Liebe

Menschen in Tansania
Straßenszene in TansaniaBild: dpa - Bildarchiv

Auch Ludigo liebt diese Musik. Er produziert sie. Sein Kopf wippt im Takt der Musik. Er spielt ein Stück von Juma Nature und Professor Jay. Ein sehr erfolgreicher Song. Es geht um die Einheit Tansanias. Ludigo trommelt die Beats leise auf die Tischplatte. Für den 33-jährigen Bongo-Flava-Produzenten gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Swahili-Rap aus Tansania und Rap aus den Vereinigten Staaten. "Viele US-Rapper konzentrieren sich auf Liebeslieber, weil sich Liebe gut verkauft. Und wenn du ein Künstler bist, musst du natürlich viel Geld verdienen. Aber diejenigen, die wirklich etwas von dem verstehen, was sie da machen, die wollen was sagen. Die singen über Aids und Armut. Songs über Aids verkaufen sich in Tansania ziemlich gut. Den Leuten gefällt es, wenn unsere Musik eine klare Botschaft hat."

Sozialkunde ohne Schimpfwörter

Eine klare Botschaft: In "Alikufa kwa ngoma" von Mwanafalsafa, einem Hit aus dem Jahr 2003, geht es darum, dass sich jeder mit HIV infizieren kann. "Er hat nie mit Mädchen rumgemacht, er war sehr religiös. Er war ein Moralist, aber er starb an Aids", rappt die Gruppe im Refrain. Für Produzent Ludigo sind das die Songs, die Bongo Flava zu dem machen, was es ist: Sozialkunde für alle, ohne Schimpfwörter und Gewalt, mit globalem Sound. "Einige infizieren sich durch Sex, andere durch eine Bluttransfusion, und wieder andere werden HIV positiv geboren. Wer hat Schuld, wer trägt die Verantwortung? Wie können wir es wagen, uns ein Urteil über infizierte Menschen zu erlauben? Wir sollten niemanden diskriminieren. Wir kennen die Hintergründe nicht. Und selbst wenn wir sie kennen, wie können wir es wagen?", sagt Ludigo. Die Musik hat neben der Unterhaltung eine ganz wichtige Funktion, erklärt Ludigo: "Viele Menschen können keine Zeitung lesen, aber sie können unsere Musik hören." Musik sei das wichtigste Medium, um Botschaften rüberzubringen, sagt der Musik-Produzent. "Die Radiosender spielen ganz viel Bongo Flava, weil die Menschen unsere Musik mögen. Das Radio ist das einzige Medium, dass alle erreichen kann. Auch ganz arme Menschen können Radio hören. Und Menschen in sehr entlegenen Dörfern können uns hören."