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Hilft Geoengineering im Kampf gegen den Klimawandel?

Katarina Zimmer sm
30. Januar 2020

Geoengineering ist der Oberbegriff für Technologien, die helfen sollen, den Klimawandel abzubremsen. Wissenschaftler streiten über die Wirksamkeit und darüber, ob man die Verfahren überhaupt einsetzen soll.

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Blick auf Stoerrmthaler See und das Kohle-Kraftwerk Lippendorf suedlich von Leipzig
Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoemann

Die Buschbrände in Australien sind das jüngste Beispiel dafür, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist. Wenn sich unser Planet bis zum Jahr 2100 wirklich um 4 Grad Celsius erwärmt, werden solche Ereignisse immer öfter vorkommen.

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Doch was wäre, wenn wir die Erderwärmung rückgängig machen könnten, die auch zu immer mehr Dürren und Überschwemmungen führen wird?

Das sind die Bestrebungen der US-amerikanischen Foundation For Climate Restoration(F4CR). Die Stiftung will die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre auf unter 300 ppm (übersetzt: Teile pro Million) senken - wie im vorindustriellen Zeitalter. Heute liegen die globalen Durchschnittswerte bei mehr als 400 ppm.

"Ich habe ein großes Interesse daran, eine Welt zu hinterlassen, in der unsere Kinder überleben können”, sagt Pieter Fiekowsky der DW. Der Physiker hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studiert und F4CR im Jahr 2015 gegründet. "Das erfordert ganz klar, dass unsere CO2-Werte wieder auf ein unbedenkliches Niveau gebracht werden."

BdTD Kosovo Smog in Pristina
Luftverschmutzung als Resultat von Emissionen gefährdet die GesundheitBild: Getty Images/AFP/A. Nimani

Laut der Stiftung müssen mehr Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt als verursacht werden.

Konkret heißt das: Mit Technologien, die naturbasiert oder künstlich sind, werden große Mengen Treibhausgase aus der Atmosphäre geholt, um den Planeten abzukühlen. Diese Strategien werden allgemein als Geoengineering definiert. Allerdings wird unter Wissenschaftlern noch heiß diskutiert, welche Technologien sich eignen und ob sie überhaupt genutzt werden sollen.

Vorteile für das Klima

Rob Jackson ist Erdsystemwissenschaftler an der Stanford-Universität in Kalifornien. Er glaubt, dass es besser ist, das Klima wiederherzustellen als die Temperaturen auf der Erde zu stabilisieren.

San Francisco Flughafen
Beim Bau des Flughafens von San Francisco wurde eine Form von Beton verwendet, der Kohlenstoff bindetBild: picture-alliance/AP Photo/M. Jose Sanchez

"Wir brauchen eine neue Erzählweise, eine neue Darstellung des Klimawandels”, sagt Jackson. Er ist der Meinung, dass es Anstrengungen geben sollte, die über die bloße Schadensbegrenzung hinausgehen. "[Die Wiederherstellung des Klimas] wird dem Klima nutzen. Sie wird Leben retten, weil sie die Luftverschmutzung reduziert. Sie wird eine Vielzahl weiterer Vorteile bringen."

In einem Weißbuch schlug F4CR vergangenes Jahr vor, Meeres-Ökosysteme wiederherzustellen, die Kohlenstoff speichern, wie zum Beispiel Tangwälder. Eine andere Lösung ist eine Form von Beton, der bei der Herstellung Kohlenstoff bindet. Das Material wurde kürzlich beim Bau eines neuen Terminals am Flughafen von San Francisco verwendet.

Global Ideas Tangwälder
Die Organisation FC4R schlägt vor, Kohlenstoff vermehrt in Tangwäldern zu speichernBild: picture-alliance/H. Bäsemann

Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen bestimmte Emissionen kaum vollständig entfernt werden können, zum Beispiel Methan in der Landwirtschaft, ein Treibhausgas, das stärker als Kohlendioxid wirkt, sagt Jackson.

Er schlug vor kurzem eine Technologie vor, mit der Methan aus der Luft entfernt werden kann, indem es zu Kohlendioxid oxidiert wird. CO2 ist zwar länger in der Luft, hat aber eine geringere Kapazität, Wärme zu speichern.

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Klimawissenschaftler haben einige Geoengineering-Lösungen aufgenommen, die, im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen, helfen können, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Dazu gehört auch das Verfahren Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS). Dabei wird Kohlenstoff aus Nutzpflanzen extrahiert und unterirdisch gespeichert.

"Es ist eigentlich nicht möglich, die globale Erwärmung auf 2 oder 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ohne [Treibhausgase zu beseitigen]", sagt Avit Bhowmik, Professorin für Risiko- und Umweltstudien an der schwedischen Karlstad-Universität, gegenüber der DW. "Es würde nicht ausreichen, den Anstieg der Kohlendioxid- und Treibhausgaskonzentrationen zu stoppen - wir müssen sie absondern.”

Trockenheit und Dürre in Deutschland
Kann Landwirtschaft in Zukunft dazu genutzt werden, Kohlenstoff zu absorbieren statt abzugeben?Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

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Keine Wunderwaffe

Trotzdem weist Jackson darauf hin, dass viele Geoengineering-Methoden noch im Teststadium sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass große Mengen Eisen in die Ozeane geleitet werden, um das Wachstum von Phytoplankton anzuregen. Diese Pflanzen liefern Nahrung für Fische und helfen Fischbestände wiederaufzubauen, die Kohlenstoff binden.

Mehr Forschung ist nötig, um solche Ideen weiterzuentwickeln und die ökologischen Auswirkungen zu untersuchen, sagt Jackson.

Selbst Technologien wie das BECCS-Verfahren sind noch in der Testphase. Viele Experten glauben zudem, dass diese Verfahren von der Dringlichkeit ablenken, den Ausstoß von Treibhausgasen zu stoppen.

"Ich denke, diese langfristigen Ziele [das Klima wiederherzustellen] lenken von der wirklich wichtigen Herausforderung ab, vor der wir heute stehen, nämlich die Emissionskurve nach unten zu korrigieren", sagt Joeri Rogelj, Klimawissenschaftler am Imperial College London.

Es besteht auch die Sorge, dass Geoengineering-Technologien ein falsches Gefühl von Sicherheit geben - also höhere Emissionen einfach wieder beseitigt werden können. Rogelj sagt, dass Ökosysteme, die nicht in der Lage sind, sich an die derzeitige Erderwärmung anzupassen, wohl nicht zurückkehren werden, selbst wenn die Temperaturen sinken.

Blick in die Kronen von Kiefern
Bild: picture-alliance/dpa/ZB

"Die Wiederherstellung des Klimas bedeutet nicht, dass die Erde wieder so aussehen wird, wie in der vorindustriellen Zeit", fügt Rogelj hinzu.

Ein Mittelweg?

Bhowmik glaubt, dass es möglich ist, einen Nettorückgang von Treibhausgasen zu erreichen, ohne dass man auf die radikalsten Geoengineering-Ansätze zurückgreifen muss. Der Exponential Roadmap Report, der im Jahr 2019 veröffentlicht wurde, beschreibt naturbasierte Ansätze. Bhowmik arbeitete maßgeblich an diesem Report mit. 

Um diesem Plan zu folgen, muss die Welt ihre globalen Treibhausgasemissionen ab 2020 alle zehn Jahre halbieren. Die Landwirtschaft muss so gestaltet werden, dass Felder Kohlenstoff absorbieren und nicht abgeben. Wälder müssen aufgeforstet und natürliche Kohlenstoffspeicher wie Moore geschützt werden.

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"Wenn man diesen Weg beschreitet, wäre es tatsächlich möglich, bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre deutlich zu reduzieren. Und bald danach werden wir das Niveau der vorindustriellen Zeit erreichen", glaubt Bhowmik.

Die Wiederherstellung des Klimas bekam im September 2019 Aufwind. F4CR nahm gemeinsam mit Wissenschaftlern, Wagniskapitalgebern und jungen Aktivisten an einem UN-Forum teil, um Investitionen in Technologien anzustoßen, die die globale Erderwärmung umkehren sollen.

Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Wiederherstellen des Klimas überhaupt sinnvoll und möglich ist und in welcher Form das angegangen werden soll. Die meisten Wissenschaftler sind sich aber sicher, dass die Minderung von Treibhausgasen unabdingbar ist und dass Menschen überall auf der Welt unterstützt werden müssen, sich mit steigenden Temperaturen auseinanderzusetzen.

Dies schließt FC4R mit ein. "Die Wiederherstellung des Klimas ist eine kritische dritte Säule", sagt Rick Parnell, CEO der Organisation. "Es ist das dritte Bein des Schemels, zusammen mit Schadensminderung und Klimawandelanpassung."

Dies ist die aktualisierte Form eines vorherigen Artikels.

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