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Politik

Hessens Minister "von Sorgen erdrückt"

29. März 2020

Thomas Schäfer hätte Ministerpräsident werden können. Doch nun ist der 54-jährige CDU-Politiker tot - und nicht nur sein Chef Volker Bouffier ist über die Umstände erschüttert.

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Deutschland Wiesbaden Thomas Schäfer
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

"Diese Nachricht traf mich, und uns alle, völlig unvorbereitet." Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sieht sehr müde aus, als er am Sonntag in Wiesbaden vor die Kamera tritt. Die hessische Landesfahne zu seiner Rechten, bewahrt Bouffier Fassung, als er über den überraschenden Tod seines politischen Freundes sprechen muss. Aber Bouffier ist, ohne Zweifel, erschüttert.

Umfangreiche Tatortarbeit

Die Leiche des hessischen Finanzministers und CDU-Politikers Thomas Schäfer war am Samstagvormittag gegen 10.20 Uhr an den Gleisen der ICE-Strecke in der Nähe von Hochheim im Main-Taunus-Kreis gefunden worden. Dies teilten die Staatsanwaltschaft Wiesbaden und das Polizeipräsidium Westhessen am späten Samstagabend mit. "Aufgrund der Gesamtumstände, der umfangreichen Tatortarbeit, der Befragung zahlreicher Zeugen, der Auffindesituation vor Ort sowie technischer und kriminalwissenschaftlicher Auswertungen und Untersuchungen ist von einem Freitod von Herrn Dr. Schäfer auszugehen", hieß es im Kriminalisten-Deutsch in der Erklärung.

"Er fand offensichtlich keinen Ausweg mehr"

Am Tag danach braucht Ministerpräsident Bouffier seinen Sprechzettel nicht, um den politischen Weggefährten zu würdigen. "Gerade ihn hätten wir in einer so schwierigen Zeit dringend gebraucht", sagt Bouffier mit seiner tiefen Stimme. Der Regierungschef geht davon aus, dass Schäfer sich große Sorgen um die Bewältigung der Corona-Krise machte. "Große Sorgen vor allen Dingen darum, ob es gelingen könne, die riesigen Erwartungen in der Bevölkerung, insbesondere der finanziellen Hilfen, zu erfüllen", fügte Bouffier hinzu.

Der Ministerpräsident lässt nicht durchblicken, ob sich Schäfer mit seinen Sorgen an ihn gewandt hat. Nur so viel: "Ich muss davon ausgehen, dass ihn diese Sorgen erdrückt haben. Er fand offensichtlich keinen Ausweg mehr. Er war verzweifelt und ging von uns."

Noch den Nachtragshaushalt eingebracht

Bouffier verwies darauf, dass sein Finanzminister bis zuletzt daran gearbeitet habe, die durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöste Krise organisatorisch und finanziell zu bewältigen. Schäfer war mehr als zwei Jahrzehnte in der hessischen Landespolitik aktiv, seit dem Jahr 2010 auf dem Posten des Finanzministers. Über die Landesgrenzen Hessens hinaus war er als Finanzfachmann angesehen. Er galt intern als Favorit für die Nachfolge Bouffiers im Amt des Regierungschefs für den Zeitpunkt, da dieser sein Amt aufgeben würde. Erst am Dienstag hatte der Minister im Wiesbadener Landtag den Nachtragshaushalt mit einem großen Hilfspaket zum Kampf gegen das Coronavirus und seine Folgen in Hessen eingebracht. Einen Tag danach hatte er Einzelheiten zur Unterstützung von Wirtschaft und Selbstständigen im Umfang von 7,5 Milliarden Euro in einer Video-Pressekonferenz zusammen mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) vorgestellt.

Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll Schäfer einen Abschiedsbrief geschrieben haben. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte: "Die Nachricht vom plötzlichen Tod von Thomas Schäfer hat mich, hat uns alle in der CDU schockiert. Sie trifft uns und macht uns traurig und fassungslos", schrieb sie auf Twitter.

Thomas Schäfer hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Bouffier wünscht der Familie die Kraft, mit der Situation umzugehen - bevor er dann seine Erklärung beendet, sich für die Aufmerksamkeit bedankt und langsam abgeht.

ml/kl (dpa, afp, epd, HR, FAZ)

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