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"Hasskommentare müssen entfernt werden"

Volker Wagener1. Juni 2016

Die EU-Kommission hat sich mit Facebook & Co. auf einen Verhaltenskodex über Hatespeech geeinigt. Der ist dem Berliner Justizministerium zu weich. Zu recht, findet DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner im DW-Gespräch.

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Karikatur Hate Speech bei den Wahlen in Tansania Said Michael
Hate-Speech gibt es überall: Cartoon zu den Wahlen in Tansania

Deutsche Welle: Herr Zörner, Soziale Netzwerke haben sich zu eigenständigen Medien emanzipiert. Sie sind ein Podium der freien Meinungsäußerung, können aber auch Bühne für Hasskommentare sein. Welches Gut ist wertvoller: das freie Wort oder die Vermeidung von Hate-Speech?

Hendrik Zörner: Die Vermeidung von Hate Speech ist auf jeden Fall sehr wichtig. Sie ist im Zweifel dann auch wichtiger als die freie Meinungsäußerung - denn es ist ein Missbrauch des freien Wortes - wenn man Sie verwendet, um Hasskommentare abzusetzen und Menschen damit zu diskreditieren.

Der Verhaltenskodex der Brüsseler EU-Kommission, frisch beschlossen mit den vier großen Tech-Konzernen Google, Twitter, Facebook und Microsoft, sieht vor, dass innerhalb von 24 Stunden Hasskommentare aus dem Netz verschwinden sollen. Kontrollieren wollen die Konzerne aber nur stichprobenartig. Das klingt nicht sehr wirkungsvoll.

Das sehen wir auch so. Der Verhaltenskodex ist immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bislang gibt es da ja so gut wie gar keine Reglementierungen. Aber nur Stichproben zu nehmen ist eindeutig zu wenig. Es kann nicht darum gehen, nur den einen oder anderen Hasskommentar zu löschen, um als großer Anbieter hinterher mit reiner Weste dazustehen. Nein, es muss klar sein, dass Hasskommentare einfach nichts in sozialen Netzwerken zu suchen haben. Sie müssen entfernt werden, wenn Sie dort eingestellt worden sind.

Die Vorstellungen des deutschen Justizministeriums über Hate-Speech-Begrenzungen gehen weiter. Alle Nutzermeldungen sollen überprüft und gegebenenfalls gesperrt werden. Das können doch Facebook, Twitter & Co prima umgehen, indem sie sich gleich dem weicheren Brüsseler Kodex unterwerfen.

Das ist genau das Problem. Das würden Sie sicherlich auch tun, denn das sind international operierende Konzerne und Hasskommentare bleiben nun mal nicht auf eine Nation allein beschränkt. Das macht auch die Schwierigkeit deutlich, mit der das Bundesjustizministerium zu kämpfen hat, denn da kann es nur um nationales Recht gehen. Eine europaweite Regelung wäre unbedingt notwendig. Genau deswegen wäre es schon eine Verbesserung, wenn die EU-Kommission die Vorschläge des Bundesjustizministers aus Deutschland sehr ernst nehmen und Sie sich nach Möglichkeit zu eigen machen würde.

Hendrik Zörner
DJV-Pressesprecher Hendrik ZörnerBild: DJV

Wie ist es um das Durchsetzen nationalen Rechts im Internet bestellt ? Wie soll das funktionieren?

Das ist außerordentlich schwierig. Die deutsche Justiz, das erleben wir in vielen Zusammenhängen immer wieder, hinkt den technischen Entwicklungen im digitalen Zeitalter weit hinterher. Es gibt nach wie vor Ermittlungsbehörden und Gerichte, die den Internetzugang auf einen Arbeitsplatz in der gesamten Behörde beschränkt haben. Das ist wie ein Ausblick in die digitale Steinzeit, den wir noch viel zu häufig in der Praxis registrieren. Da kommt es dann unbedingt darauf an, dass die großen Player, dass beispielsweise Facebook, das macht, was der Gesetzgeber vorschreibt. Der Gesetzgeber selbst, beziehungsweise die ihm unterstehenden Exekutivorgane, können da kaum technisch etwas umsetzen. Das funktioniert nur dann wirkungsvoll, wenn die Anbieter mit dem Gesetzgeber an einem Strang ziehen würden.

Einige Nicht-Regierungsorganisationen kritisieren den Brüsseler Verhaltenskodex als Eingriff in die freie Meinungsäußerung. Für Internet-Aktivisten eine heilige Kuh. Aber: Nachweislich organisiert sich Terrorismus immer mehr über das Netz. Brauchen wir vor diesem Hintergrund nicht viel stärkere Eingriffsmöglichkeiten?

Nein, ich denke nicht, dass wir stärkere Eingriffsmöglichkeiten brauchen. Grundsätzlich gilt, immer eine Güterabwägung zu treffen. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Das ist nicht "nice to have", sondern fundamental für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften. Und das gilt auch vor dem Hintergrund der, zugegebenermaßen, schlimmen Terrorbedrohung mit der die westlichen Länder im Augenblick leben müssen. Die Presse-und Meinungsfreiheit darf dabei nicht über den Jordan gehen. Hasskommentare haben nichts mit Presse- und Meinungsfreiheit zu tun.

Hendrik Zörner ist Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV.

Das Interview führte Volker Wagener.