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Handelsdrehscheibe Afghanistan

Peter Philipp / (kap)21. Dezember 2002

Nach Jahren der Zerstörung hat Afghanistan Geld und Hilfe dringend nötig. Die Geberländer zeigen sich zahlungsbereit. Vom Wiederaufbau in der Region könnten auch die Nachbarländer profitieren.

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Hilfe tut auch dem Handel gutBild: AP

23 Jahre Krieg und Zerstörung haben Afghanistan schwer zugesetzt. Das Land ist dringend auf Hilfe von außen angewiesen. Eine internationale Geberkonferenz in Oslo hat dem Land Mitte Dezember 1,2 Milliarden Dollar für 2003 zugesagt. Im EU-Haushalt sind im nächsten Jahr 124 Millionen Euro Aufbauhilfe eingeplant. Diese könnte auch Afghanistans Nachbarn zugute kommen.

Strategisch wichtig

Afghanistan war immer schon Gegenstand der Begehrlichkeit seiner Nachbarn. Nicht wegen irgendwelcher Bodenschätze - sondern wegen seiner Lage. Strategisch wichtig für Militärs, mehr aber noch für die Händler. Denn Afghanistan liegt auf den wichtigsten Handelsrouten vom Fernen in den Nahen Osten und von Zentralasien an den Indischen Ozean.

Kriege, die Besatzung durch die Sowjets, jahrelange Befreiungs- und Machtkämpfe der afghanischen Mujahedin sowie die Taliban-Herrschaft haben dies zunichte gemacht. Seitdem jedoch eine neue Regierung unter Hamid Karzai versucht, das Land wieder aufzurichten, wird auch die Vision einer neuen regionalen Handelsdrehscheibe Afghanistan erneut attraktiv.

Internationaler Transit

Und dies nicht nur für die Afghanen, die vom Transit internationaler Handelswaren sowie Erdgas und vielleicht auch Erdöl profitieren könnten, sondern auch für Afghanistans Nachbarn: Die zentralasiatischen Republiken Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan hätten bei einer Öffnung des Landes wieder Zugang zu Pakistan und Indien. Sie könnten ihre Exporte von dort in alle Welt verschiffen und ihre Bedürfnisse durch den Handel mit diesen Ländern decken.

Auch Pakistan und Indien hätten neue wirtschaftliche Chancen in den zentralasiatischen Republiken und selbst China würde davon profitieren. Afghanistan wäre der größte Nutznießer: Nicht nur mit Serviceleistungen für den Durchgangsverkehr, sondern in erster Linie mit zusätzlichen Arbeitsplätzen: Für den Ausbau der zerstörten strategischen Straßen, Brücken und Tunnels bis hin zur Teilnahme an dem sich entwickelnden Handel.

Flüchtlingsproblem

Aber es gibt weiterhin Probleme: Mit Pakistan sind die Beziehungen belastet wegen der Unterstützung, die Islamabad den Taliban gab. Und natürlich auch, weil einige führende Taliban- und Al-Kaida-Vertreter in Pakistan vermutet werden: Entweder in den unwegsamen Gegenden der Nordwest-Stammesgebiete oder im Großstadt-Dschungel von Karachi. Das Verhältnis zu Pakistan ist auch deswegen noch nicht normalisiert, weil immer noch Hunderttausende afghanische Flüchtlinge in dem Nachbarland leben und in letzter Zeit sogar wieder dorthin geflohen sind.

Die größten Probleme bei der Verwirklichung einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Region hat aber Afghanistan mit sich selbst: Solange die Zentralregierung gerade eben die Hauptstadt Kabul kontrolliert, nicht aber die Provinzen - und damit die Durchgangsstraßen - ist jeder Transitverkehr durch Afghanistan wie eh und je den Unwägbarkeiten ausgesetzt, die die Existenz der verschiedensten Regionalherrscher und anderer örtlicher Kriegsherren mit sich bringt. Solange die Transitwege nicht hinreichend abgesichert sind, werden Warenkonvois und Reisende weiterhin schutzlos allen Repressalien von Wegelagerern ausgesetzt sein. Und Afghanistan kann den Traum vergessen, regionale Drehscheibe zu werden.