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"Hamsterkäufe und leere Regale"

17. Mai 2010

Chau-In Tong ist gebürtige Kölnerin. Die Modedesignerin lebt seit vielen Jahren in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Mit DW-WORLD.DE spricht sie darüber, wie die Unruhen ihren Alltag verändert haben.

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Szene von der Gewalteskalation in Bangkok am 15. Mai (Foto: AP)
Gewalt in den Straßen von Bangkok am 15. MaiBild: AP

DW-WORLD.DE: Was bekommen Sie mit von den Kämpfen in der Stadt?

Chau-In Tong: Wir bekommen hier relativ viel mit, weil wir mittem im Zentrum wohnen - mit dem Auto ungefähr zwei bis drei Minuten von den Kämpfen entfernt. In den letzten Nächten haben wir immer wieder Schüsse gehört, Krankenwagen, Feuerwehr und auch viele Helikopter.

Wie beeinträchtigt Sie diese Situation - die ja schon seit Wochen anhält - in Ihrem täglichen Leben?

Als es anfing, waren einige Straßen gesperrt. Aber das war noch nicht so schlimm, denn man konnte den Bereich umfahren. Dann kamen langsam die Barrikaden und die Demonstrationen, und das hat uns natürlich schon beeinträchtigt. Für den Alltag bedeutet das: Ich kann nicht mehr mit meinen Kindern zu Spielgruppen gehen, zum Schwimmen oder einfach Freunde besuchen. Vergangenes Wochenende habe ich im Supermarkt Milch für meine zweijährigen Zwillinge gekauft, und da herrschte komplettes Chaos. Die Menschen machten Hamstereinkäufe, die Regale waren total leer, es gab kein Fleisch und kein Gemüse, und die Schlangen zogen sich durch den ganzen Laden. Das war einfach beängstigend, denn man weiß gar nicht, wie man mit so etwas umgehen soll. Ich kannte derartige Situationen bisher nur aus Schilderungen meiner Großeltern-Generation.

Wie reagieren Sie auf diese Situation? Gehen Sie - soweit das möglich ist - gar nicht mehr aus dem Haus? Wie organisieren Sie den Alltag?

In der letzten Woche haben wir versucht, das Haus nicht zu verlassen, weil es uns einfach zu gefährlich war. Die einzige Ausnahme war der Einkauf im Supermarkt. Und heute ist unsere Nanny schnell auf den Markt bei uns in der Nähe gefahren, um Gemüse einzukaufen, denn das bekommt man sonst nirgendwo mehr. Genau wie im Supermarkt mussten die Leute auch auf dem Markt lange anstehen. Und dann haben sie alles gekauft, was sie bekommen konnten. Sämtliche Waren sind deutlich teurer geworden. Das ist für uns persönlich vielleicht noch nicht so dramatisch, aber für ärmere Menschen ist das natürlich ein Problem. Viele verdienen jetzt ja auch weniger. Die Angestellten der Shopping Malls können beispielsweise zur Zeit gar nicht zur Arbeit gehen, bekommen dann nur einen Minimal-Lohn, und die Kommission fällt natürlich auch weg. Das hat mittlerweile zur Folge, dass viele Menschen ihre Wohnungen in Bangkok nicht mehr halten können und zurück aufs Land ziehen müssen.

Inwiefern sind Sie auch in Ihrem beruflichen Alltag eingeschränkt?

In diesem Punkt haben wir Glück: Wir sind im Dezember mit Haus und Büro umgezogen und wohnen jetzt in einem Haus direkt neben dem Büro. Allerdings haben wir am Freitag (14.05.) unsere Angestellten ganz früh nach Hause geschickt, weil es zu gefährlich gewesen wäre, abends auf der Straße zu sein.

Wie reagieren Sie, wenn Sie Anrufe von Freunden oder Verwandten aus Deutschland bekommen - die sich Sorgen um die Sicherheit Ihrer Familie machen?

Ich versuche immer, zu beruhigen - vor allem meine Eltern. Sie sagen, wir sollten unsere Sachen packen und nach Deutschland kommen. Es ist schwer zu erklären, was hier los ist, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Es hat sich einfach immer mehr aufgebauscht. Am Anfang war es eher wie eine Party, die Demonstrationszüge haben fast an Karnevalsumzüge erinnert. Es war einfach friedlich und hatte nichts Gewalttätiges an sich. Was dagegen jetzt auf den Straßen von Bangkok passiert, ist schlimm.

Chau-In Tong arbeitet als Modedesignerin in Bangkok.

Das Interview führte Thomas Kohlmann
Redaktion: Esther Broders