Hamburger Wasserexperten beraten weltweit
23. Juni 2015Eine trübe, stinkende Abwasserbrühe schwimmt in den Becken der Hamburger Kläranlage. Fäkalien, Steine, Laub, tote Tiere und grober Schmutz werden durch Rechen und Siebe gefischt. Das erklären die Ingenieure Natalie Gans und Ulrich Kandt bei einem Rundgang. Der Stolz der Mitarbeiter sind zehn eiförmige, riesige silberne Türme. Diese Faultürme sind Teil einer Biogasanlage auf dem Klärwerksgelände. Aus dem Faulschlamm des Abwassers entsteht hier Methangas. Mit einem Teil des Gases wird Wärme und Strom für das Klärwerk erzeugt, der andere Teil wird in das Hamburger Erdgasnetz eingespeist und verkauft.
Aus Abwasser wird Energie
"Seit 2004 wird mit dem Hamburger Abwasser überschüssige Energie erzeugt, davor war die Kläranlage ein 'Energiefresser'", betont Natalie Gans. Von solchen alten Klärwerken gibt es weltweit noch viele." Die 33-Jährige hat Abwasserreinigungsanlagen inspiziert - in Asien, der Türkei und zuletzt 30 Anlagen allein in Jordanien. Viele, sagt sie, arbeiten auch heute nach alten Methoden und verbrauchen viel zu viel Energie.
In Jordanien hat man sich auf die reine Abwasserbehandlung fokussiert", erklärt die Projektingenieurin. Umweltaspekte spielen keine Rolle. "Mit Faulbehälter-Anlagen, wie hier in Hamburg, trägt man zum Klimaschutz bei, indem man Energie einspart und gleichzeitig noch Energie produziert."
Erfahrungen weitergeben
Zusammen mit ihren Kollegen gibt Natalie Gans ihr Wissen weiter. Die Hamburger Wasserversorger haben dafür die Beratungsgesellschaft "Consulaqua" gegründet. Das Know-how wird ins Ausland verkauft, in arabische Länder, aber auch nach Lesotho und Palästina. Vor Ort werden die Anlagen modernisiert und Mitarbeiter geschult.
Allein mit einer neuen Anlagentechnik sei es nicht getan. "Wenn die Anlagen gebaut sind, müssen sie auch betrieben werden, ansonsten haben wir Investitionsruinen", betont Leonardo van Straaten. Und genau an der Stelle, so der Geschäftsführer, könnten die Hamburger ihre Erfahrung einbringen, die über viele Jahre gewachsen sei.
Zum Pool der Fachleute gehört auch Ulrich Kandt von der Hamburger Stadtentwässerung. Er ist gern im Ausland, in Lesotho oder in den palästinensischen Gebieten unterwegs.
In monatelangen Auslandseinsätzen schult er mit Begeisterung seine Kollegen vor Ort. Eines der Hauptprobleme sei die Ausbildung: "In diesen Ländern fehlt im Prinzip die gesamte Meisterebene, also die Ebene, die die Qualität garantiert", so Kandt. "Im Prinzip schauen sich die Handwerker die Fähigkeiten von anderen ab."
Nach Einschätzung von Kandt ist die Professionalisierung sehr wichtig, vor allem auch, um die Wasserknappheit anzugehen. Denn während in Hamburg - dank moderner Anlagen - nur vier Prozent Wasser versickert, ist der Verlust von Trinkwasser im Nahen Osten problematisch.
Zu den 20 Ländern, die am meisten von Wasserknappheit betroffen sind, gehören 14 arabische. Politik, Bewässerung in Landwirtschaft, das rasante Bevölkerungswachstum und Flüchtlingsströme sind Faktoren, die den knappen Wassersektor zusätzlich belasten: Sinkende Grundwasserspiegel, drohende Versalzung, rationierte Wasserlieferungen, die Verschlechterung der Hygiene sind die Folgen.
"Wasser kommt von Allah"
"In Ländern wie Jordanien beklagen die Behörden technische und administrative Verluste, sodass sie nur 50 Prozent abrechnen können, sagt Ulrich Kandt. 50 Prozent versickern durch Lecks in den oberirdischen Wasserleitungen oder werden illegal abgezapft. Hinzu kommt, dass Wasserzähler manipuliert oder beschädigt werden. "Die Leute schätzen einerseits die Infrastruktur nicht, andererseits sind sie der Auffassung, das Wasser kommt von Allah und kostet nichts", sagt Betriebsingenieur Kandt und macht sich auf den Weg nach Lesotho - zum nächsten Wasserprojekt.