Hals- und Beinbruch
Menschlichen Körperteilen wie dem Kopf, dem Bauch oder dem Herz wird manche symbolische Bedeutung zugeschrieben. Auch der Hals kann da gut mithalten, kriegt so gesehen den Hals nicht voll.
Er verbindet den Kopf mit dem Rumpf Rumpf, Rümpfe (m.) der Körper (bei Mensch und Tier) ohne Kopf und Gliedmaßen , durch ihn strömt Luft in die Lungen und wird Verspeistes in den Magen geleitet. Umgangssprachlich aber hat der Hals weit mehr Funktionen, beispielsweise, um Aufregung und Überdruss Überdruss (m., nur Singular) der Widerwille/die Abneigung gegen etwas, was man nicht mehr mag, weil man es zu lange gemacht oder sich zu lange damit beschäftigt hat , Ärger und Wut zu signalisieren.
Die Emotionen und der Hals
So kann einem schon mal „das Herz bis zum Hals schlagen“, wenn es darum geht, eine schwere Prüfung zu bestehen oder bei Dunkelheit durch ein unsicheres Stadtviertel zu laufen. Besonders schüchterne Menschen spüren schnell „einen Kloß im Hals“, wenn sie plötzlich der geliebten Person begegnen. Und hat man genug von einer Sache oder sogar mehr als genug, zum Beispiel von einer Speise, einem oft gehörten Musikstück oder den vielfach wiederholten Versprechen von Politikern, dann „hängt einem das zum Hals raus“, – bildlich gesprochen –, man hat „den Hals voll davon“.
Wut und Ärger sorgen dafür, dass Menschen „der Hals schwillt“, bei manchen tatsächlich, denen man ihre Erregung dann auch am hochroten Kopf ansieht, für andere gilt das nur im übertragenen Sinne. Im Alltagsgespräch wird der Ausdruck oft auch von einer verstärkenden Handbewegung begleitet: „Da krieg ich sooo einen Hals, wenn ich diesen neuen Typen meiner Ex-Frau sehe!“, wäre ein recht typischer Aufreger-Satz. Gerne wird ein solcher Gefühlsausbruch auch noch mit gehässigen gehässig boshaft, gemein Sprüchen ergänzt wie: „Ach, dem wünsche ich die Krätze an den Hals“. Die Hautkrankheit Krätze ist dabei übrigens Nebensache und könnte auch durch andere unangenehme Dinge ersetzt werden, die man dem anderen „an den Hals wünscht“.
Gefahr im Anmarsch
Für den Fall, dass die Hormone vollständig die Oberhand gewinnen die Oberhand gewinnen umgangssprachlich für: sich als stärker erwiesen; sich gegen jemanden/etwas durchsetzen , wäre auch denkbar, dass der Verärgerte dem Auslöser seines Ärgers „an den Hals geht“ und eine Prügelei anfängt. Meistens ist es aber nicht mehr als eine sprachliche Entladung empfundener Wut und Abneigung, wenn jemand den Wunsch ausspricht, dass er einem anderen am liebsten „den Hals umdrehen“ würde. Ernsthafte Mordabsichten werden auf diese Weise nicht geäußert.
Noch weniger ernst gemeint ist der Wunsch „Hals- und Beinbruch“ für Bekannte und Freunde, die an einem sportlichen Wettkampf, einer Wanderung oder auch einem Segeltörn Segeltörn, -s (m.) die Fahrt auf einem Segelboot teilnehmen. Vermutlich stammt der Spruch aus dem Jiddischen. Mit „hazloche un broche“ wünschte man sich vor langer Zeit Glück und Segen. Aber da es die Vorstellung gab, dass man mit dem paradoxen paradox so, dass sich etwas eigentlich widerspricht; merkwürdig Wunsch des Gegenteils das Schicksal überlisten kann, wurde daraus Hals- und Beinbruch. Keine Seltenheit übrigens. So wünschen sich Seeleute auch heute noch „Mast- und Schot Schot, -en (f.) seemännisch für: beim Segeln die Leine zum Bedienen eines Segels bruch“ und Militärs bisweilen „Kopf- und Bauchschuss“. „Hals- und Beinbruch“ wirkt dagegen harmlos.
Der überlastete Hals
Den Hals kann man mit schmückenden Ketten und Amuletten Amulett, -e (n.) ein (meist als Anhänger an einer Halskette getragener) Gegenstand, der Glück bringen oder vor Unheil schützen soll behängen, symbolisch trägt er aber auch reichlich Aufgaben und Lasten. Ein übervoller Terminkalender mit 60-Stunden-Woche, Arbeit im heimischen Garten und zusätzlichem Freizeitstress könnte zum mitfühlenden Kommentar führen: „Da hast du dir aber jede Menge auf den Hals geladen.“
Wenn jemand jeden Auftrag annimmt, den er bekommen kann, muss das übrigens nicht unbedingt aus Habgier geschehen, also dass er „den Hals nicht voll kriegen kann“ oder aus manischer manisch hier: so, dass jemand den Zwang verspürt, etwas tun zu müssen; besessen Betriebsamkeit. Es kann auch einfach sein, dass diesem Menschen „das Wasser bis zum Hals steht“, weil er viele Kredite abzuzahlen hat und deshalb „bis zum Hals in Schulden steckt“. Vielleicht ist der Ärmste schlicht an den falschen Berater und Kreditgeber geraten, einen echten „Halsabschneider“, also geldgierigen Wucherer Wucherer, -/Wucherin, -nen abwertend für: jemand, der beim Verleihen von Geld oder beim Verkauf von Waren o. Ä. unverhältnismäßig viel Geld verdient, weil er die Notlage eines anderen ausnutzt , der ausschließlich an den eigenen Vorteil denkt.
Waghalsige Entscheidungen und ihre Konsequenzen
Hohe Kredite aufzunehmen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist immer ein gefährliches, also „waghalsiges“ Verhalten. Gerät man erst einmal in wirtschaftliche Not, nützt es nichts mehr, „lauthals“ über schlechte Bezahlung zu klagen, über den „Geizhals“ von Chef, der einem für die geleistete gute Arbeit einen viel zu niedrigen Lohn gibt. Nun gilt es, mit klugen Entscheidungen, Anstrengung und etwas Glück „den Hals aus der Schlinge zu ziehen“.
Dazu kann auch gehören, sich alle unnötigen finanziellen Verpflichtungen wie Versicherungen, Mitgliedschaften in Vereinen oder dem überteuerten Fitness-Center „vom Hals zu schaffen“ und zu kündigen. Sonst könnte einem beim nächsten Blick auf den Kontostand „der Bissen im Halse stecken bleiben“. Bei aller Anstrengung sollte das Krisenmanagement mit Ruhe und Bedacht geführt werden. Allzu schnelle „Hals über Kopf-Entscheidungen“ führen fast nie zum Erfolg.
Der falsche Hals
Obwohl Menschen nur einen Hals haben, können sie etwas „in den falschen Hals bekommen“. Manchmal wird so scherzhaft kommentiert, dass jemandem etwas in die Luftröhre statt in die Speiseröhre geraten ist, was zu kräftigem Husten führt. Meistens aber wird mit der Wendung ausgedrückt, dass ein Mensch etwas falsch verstanden hat, sich dadurch verletzt fühlt und verärgert ist. Wir geben auf jeden Fall den Rat, waghalsige Kunststücke ebenso zu meiden wie Geizhälse und Halsabschneider, sich niemals zu viel auf den Hals zu laden und wünschen ansonsten für alles, was angefasst und unternommen wird: Hals- und Beinbruch!
Hals- und Beinbruch
Rumpf, Rümpfe (m.) — der Körper (bei Mensch und Tier) ohne Kopf und Gliedmaßen
Überdruss (m., nur Singular) — der Widerwille/die Abneigung gegen etwas, was man nicht mehr mag, weil man es zu lange gemacht oder sich zu lange damit beschäftigt hat
gehässig — boshaft, gemein
die Oberhand gewinnen — umgangssprachlich für: sich als stärker erwiesen; sich gegen jemanden/etwas durchsetzen
Segeltörn, -s (m.) — die Fahrt auf einem Segelboot
paradox — so, dass sich etwas eigentlich widerspricht; merkwürdig
Schot, -en (f.) — seemännisch für: beim Segeln die Leine zum Bedienen eines Segels
Amulett, -e (n.) — ein (meist als Anhänger an einer Halskette getragener) Gegenstand, der Glück bringen oder vor Unheil schützen soll
manisch — hier: so, dass jemand den Zwang verspürt, etwas tun zu müssen; besessen
Wucherer, -/Wucherin, -nen — abwertend für: jemand, der beim Verleihen von Geld oder beim Verkauf von Waren o. Ä. unverhältnismäßig viel Geld verdient, weil er die Notlage eines anderen ausnutzt