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Halbzeit für Hermannstadt

Medana Weident 8. Juli 2007

Der Status, neben Luxemburg Kulturhauptstadt Europas 2007 zu sein, war für das malerische Hermannstadt eine große Ehre und eine Herausforderung zugleich. Nun ist Halbzeit und damit Zeit für eine Zwischenbilanz.

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Der Große Ring im Herzen Hermannstadts, Quelle: DW
Der Große Ring im Herzen HermannstadtsBild: DW

"Ohne den Baron Samuel von Brukenthal würde Hermannstadt sicherlich nicht die Kulturhauptstadt Europas sein", meint Liviana Dan, Direktorin der Gemäldegalerie im Brukenthal-Museum. Brukenthal, 1777 von der Kaiserin Maria Theresia zum Gouverneur Siebenbürgens ernannt, hat nicht nur die Stadt, sondern die ganze Region positiv beeinflusst. Der Aufklärer war ein eifriger und auch raffinierter Kunstsammler, Politiker, Philosoph und Mäzen, ein Homo Europaeus im wahrsten Sinne des Wortes. Eine umfassende Biografie zeigt das Museum unter dem Titel "Brukenthal - Modell Aufklärung".

Berühmter Mann in blau

Das von Jan van Eyck gemalte Bild "Mann mit blauer Kopfbedeckung", Quelle: DW
Das von Jan van Eyck gemalte Bild "Mann mit blauer Kopfbedeckung" gehört zu den wertvollsten des BrukenthalmuseumsBild: DW

Äußerst sehenswert ist auch die alte Pinakothek des Museums, die eine wertvolle Sammlung beherbergt - vor kurzem ergänzt durch Raritäten internationaler Kunstwerke, die nach der Machtübernahme 1948 von den Kommunisten nach Bukarest gebracht wurden. Eines der am meisten bewunderten Gemälde ist "Der Mann mit der blauen Kopfbedeckung", das ursprünglich vom Baron dem Maler Albrecht Dürer zugeordnet wurde. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es ein nicht weniger wertvoller van Eyck ist.

Die perfekt erhaltene und restaurierte mittelalterliche Kulisse der Altstadt von Hermannstadt (rumänisch: Sibiu, ungarisch: Nagyszeben) ist in diesem Jahr zur ständigen Bühne für Darbietungen und Veranstaltungen jeder Art geworden: Vor allem am Großen und Kleinen Ring oder im speziell erbautem Riesenzelt am Rande der Innenstadt. Hinzu kommen die Jazz-Abende in Kellern und Cafes.

"Eine Märchenstadt"

Liviana Dan, Direktorin der Gemäldegalerie, Quelle: DW
Liviana Dan, Direktorin der GemäldegalerieBild: DW/ Medana Weident

Liviana Dan ist begeistert, wie sich die Stadt gewandelt hat. "Klaus Johannis, der Oberbürgermeister Hermannstadts, hat es geschafft, aus einem Verwaltungskonzept einen Stil zu schaffen. Das sieht man an allen Ecken. Hermannstadt ist eine Märchenstadt. Alle, die in den Abendstunden in Cafes oder auf der Lügenbrücke sitzen, an Tischen mit leuchtenden Kerzen, haben das Gefühl, in einer Welt zu sein, die es gar nicht gibt."

Tatsächlich verzaubert die märchenhafte Atmosphäre, inmitten einer zum Leben erweckten Burg, bewacht von alten Türmen und den Ziegeldächern mit ihren Katzenaugen. Touristen, viele von weither gereist, haben das mittelalterliche Paradies bereits entdeckt und strömen zu Tausenden jeden Tag und vor allem in den Abendstunden ins Zentrum der Stadt.

Partnerstadt Landshut

Die Lügenbrücke am Kleinen Ring in Hermannstadt, Quelle: AP
Die Lügenbrücke am Kleinen Ring in HermannstadtBild: DW

Auf der Lügenbrücke, deren Name sich auf verschiedene Legenden zurückführen lässt, spielt heute eine Big Band aus der deutschen Partnerstadt Landshut. Der Leiter der Band, Martin Stefani, ist selbst ein Siebenbürger Sachse, der vor 30 Jahren nach Deutschland auswanderte. Er arbeitet an der Landshuter Musikschule und hat mehrere Bands gegründet. "Jetzt bin ich zum dritten Mal mit einer Band aus Landshut hier. Dieses Mal sind wir als Vorboten einer offiziellen Delegation hergekommen. Heute ist unser Bürgermeister hinzugekommen und wir spielen überall in Hermannstadt mit sehr viel Freude. Die Stadt ist nur zu empfehlen."

Am späten Abend wechselt die Musik am Kleinen Ring. An den vollbesetzten Tischen sitzt auch der österreichische Fotograf Gerhard Trumler und hört beigeistert einer Zigeunerband zu: "Hermannstadt ist sehr voll mit Touristen, es ist eine ganz wunderbare Atmosphäre, ganz besonders wenn zum Beispiel wie heute eine Zigeunerkapelle spielt."

Die Transsilvanier von heute

Wer mehr über die gegenwärtigen Siebenbürger wissen möchte, kann die Foto-Ausstellung "Gesichter Siebenbürgens" besichtigen, entlang der mit weißen Rosen bedeckten Mauern der Kirchenburg Heltau. Beatrice Ungar, Chefredakteurin der "Hermannstädter Zeitung" wollte damit die Vielfältigkeit der heutigen "Transsilvaniern" hervorheben: "Regional bedingt sind hier mehr Ethnien und Konfessionen vorhanden als in anderen Gebieten Rumäniens. Der Gedanke war also, die Vielfalt dieser Menschen zu zeigen, die jetzt hier leben."

Die evangelische Kirche aus dem 15. und 16. Jahrhundert bietet regelmäßig Konzerte. So zum Beispiel das der Landshuter Hofkapelle, eine Gruppe des Vereins "Die Förderer", die auf nach gebauten historischen Instrumenten Musik des späten Mittelalters spielt. Ernst Püschel, der Vorsitzende des Vereins ist begeistert von der Stadt und ihren Menschen: "Den Fleiß der Menschen hier kann man an jeder Ecke sehen. Ich habe mich heute in der Früh zum Beispiel gewundert über die Sauberkeit in dieser Stadt, über die Ordnung, die durchaus westeuropäisch ist. Wenn dieser Fleiß der Menschen anhält, dann kann Rumänien eine kleine Perle in der EU werden."

Es geht weiter

Die erste Halbzeit als Kulturhauptstadt Europas ist um. Die Hermannstädter Veranstalter ziehen Bilanz. Oana Ionita vom Koordinationsbüro ist bis jetzt sehr zufrieden: "Es gibt eine so große Vielfalt der Angebote, so dass wir auch eine Publikumsvielfalt anziehen konnten." Und auch in der zweiten Jahreshälfte finden einige Highlights statt: ein Animationsfestival, ein Tanzfestival und vor allem im September das 3. ökumenische Treffen, zu dem über 3000 Teilnehmer erwartet werden. Über das ganze Jahr verteilt gibt es außerdem zahlreiche gemeinsame Projekte der beiden Kulturhauptstädte Hermannstadt und Luxemburg.

Wer mehr in die bezaubernde Welt Hermannstadts versinken möchte, kann auch im neuen Bildband des bekannten rumänischen Fotografen Razvan Voiculescu blättern. "Man sagt, Hermannstadt sei der Ort mit den meisten Gebäuden dieses Landes, denen es gelungen ist, die Zeiten in ihrer ursprünglichen Form zu überdauern ", schreibt Voiculescu im Vorwort. "Mit diesem Bildband habe ich mir erlaubt, dem Reisenden einen kleinen Reiseführer zu erstellen. Drei Tage durch eine Märchenstadt und durch ein Dorf-Museum, das mir von allen, die ich im Laufe der Zeit gesehen habe, als das am geistreichsten erscheint. Drei Tage Stille und Schönheit in Winkeln und Details, in Räumen, in die sich die Geschichte in Stein eingemeißelt hat."