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Götz: "Permanent werden neue Drogen erfunden"

Gudrun Heise5. Juni 2015

Leichtere Drogen - wie Cannabis - werden zunehmend gefährlicher. Weil neue Substanzen, die auf den europäischen Markt drängen, immer reiner und stärker werden, sagt EU-Drogenexperte Wolfgang Götz im Interview.

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Joint (Foto: dpa).
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Deutsche Welle: Herr Götz, wie schlimm ist die Drogen-Situation in Europa?

Wolfgang Götz: Wir haben eine sehr komplizierte Drogenmarkt-Situation! Permanent wird irgendetwas erfunden. Was mir zum Beispiel momentan wirklich Kummer macht, ist die Reinheit und die Stärke mancher Substanzen, die im Moment auf dem Markt sind. Hauptsächlich Substanzen, die - im Volksmund - als leichte Drogen bezeichnet werden, etwa Cannabis oder Ecstasy.

Bis vor zwei Jahren waren die meisten Leute, die eine Drogenbehandlungen begonnen haben, Heroin-Konsumenten, jetzt sind es Cannabis-Konsumenten. Es passiert in Europa immer häufiger, dass Patienten in die Notaufnahme kommen, die nur Cannabis konsumiert haben. Der Grund dafür ist, dass die Stärke der heutigen Cannabis-Produkte teilweise stark zugenommen hat.

Drogen - Abhängigkeit, physischer und sozialer Schaden (Grafik: DW).

Was ist Ihr einziges Sorgenkind zurzeit?

Nein, wenn man sich anschaut, wo die meisten Kosten für das Gesundheitswesen und für die Gesellschaft anfallen, dann ist es immer noch Heroin.

Und die synthetischen Drogen?

Auch die sind natürlich ein großes Problem. Das Schwierige ist dabei, dass diese Substanzen in aller Regel zunächst einmal nicht verboten sind. Das heißt, da taucht ein Molekül auf, das in keiner Liste steht, also nicht verboten ist und in irgendwelcher Tabletten- oder Pulverform vertrieben wird.

Wir erfahren davon erst dann, wenn es in Notaufnahmen auftaucht oder Sozialarbeiter eine Pille zum Analysieren vorbeibringen. Oder wenn irgendetwas beschlagnahmt wird, in der Annahme, es sei Ecstasy.

Dann geht bei uns die Maschine los. Über unser Netzwerk in unseren nationalen Knotenpunkten versuchen wir herauszufinden, wo überall die Substanz auftaucht? Oft stellen wir dann fest, dass es nicht nur Notaufnahmen gibt, sondern auch Todesfälle. Dann müssen wir natürlich aktiv werden. Aber bis wir aktiv werden können, haben wir in der Regel schon 20 bis 30 Todesfälle.

Spielt das Internet eine große Rolle bei ihrer Arbeit?

Das Internet spielt in vielen Richtungen eine Rolle. Die problematischste ist, dass es zum Marktplatz geworden ist. Wir kennen zum Beispiel 650 Onlineshops, die illegale Drogen nach Europa verkaufen. Und wenn der Shop oder die Webseite auf irgendeiner exotischen Insel sitzt, dann kann das am Schluss doch bedeuten, dass die Ware in Deutschland oder aus Deutschland versendet wird.

Aber es gibt ja nicht nur das sogenannte Surface-Net, was sie über Google erreichen, sondern auch das Darknet, wo mit Verschlüsslungen gearbeitet wird. Da ist es sehr schwierig, in die Räume reinzukommen. Und wenn die dann noch mit Bitcoins oder ähnlichen elektronischen Mitteln zahlen, ist es extrem schwierig, hinterherzukommen.

Europol hat deswegen letztes Jahr extra ein Cybercrime-Center aufgebaut, die nichts anderes machen, als solche Sachen zu verfolgen und zu identifizieren. Letzte Woche wurde erst der Gründer von Silk Road - was das erste und größte Netzwerk war - in den USA zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Es bewegt sich also etwas. Aber es ist sehr schwer, hinterherzukommen, weil auf der anderen Seite eben auch Profis sitzen.

Wolfgang Götz ist Leiter der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD).

Das Interview führte Gudrun Heise.