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May bittet um Zeit für Brexit-Gespräche

14. Juli 2016

In einem ersten Telefonat mit Kanzlerin Merkel hat sich die neue britische Premierministerin Zeit für die anstehenden Austrittsverhandlungen erbeten. Die größte Aufmerksamkeit bekam sie aber mit der Personalie Johnson.

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Kombi-Bild Premier Theresa May und ihr Außenminsiter Boris Johnson (Fotos: AFP/Getty Images u. dpa)

Theresa May habe Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in einem ersten Telefonat gesagt, sie benötige Zeit zur Vorbereitung der Brexit-Gespräche und hoffe auf konstruktive Verhandlungen. Das teilte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, mit.

In dem Gespräch habe Merkel der frischen Regierungschefin gratuliert und ihr für ihr neues Amt Glück gewünscht. Beide seien sich einig gewesen, dass die Zusammenarbeit im Geiste der freundschaftlichen Beziehungen beider Länder fortgesetzt werden solle. Dies gelte auch für die anstehenden Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

Frankreichs Präsident Hollande forderte May auf, schnell ein Gesuch für den Austritt Großbritanniens aus der EU einzureichen. In einem ersten Telefonat habe der Präsident seinen Wunsch bekräftigt, "dass die Verhandlungen für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union so schnell wie möglich eingeleitet werden", hieß es aus dem Elysée-Palast.

Wie Hollande drängen auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auf ein baldiges Austrittsgesuch. May will den förmlichen Austrittsantrag nicht vor Jahresende stellen, wenn die britische Verhandlungslinie festgezurrt ist.

In Junckers Glückwunschschreiben hieß es: "Das Ergebnis des Referendums im Vereinigten Königreich hat eine neue Lage geschaffen, die das Vereinigte Königreich und die Europäische Union bald angehen müssen." Er freue sich, Mays diesbezügliche Absichten zu erfahren und hoffe auf ein Treffen in nächster Zukunft.

May macht Brexit-Befürworter zum Chefdiplomaten

Bei der Vorstellung der neuen Minister für ihre Regierung sorgte May mit einer Personalie für einen Paukenschlag: Der umstrittene Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson ist nun Außenminister. Damit hatten nur die wenigsten gerechnet.

Boris Johnson (Foto: Getty Images/AFP)
Der Polarisierer als Chefdiplomat: Boris JohnsonBild: Getty Images/AFP/L. Neal

Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault zeigte Unverständnis für die Entscheidung: Während des Wahlkampfs hat er das britische Volk immer wieder angelogen und jetzt ist er es, der mit dem Rücken zur Wand steht… Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich verhandeln kann und der eindeutig, glaubwürdig und verlässlich ist."

In Deutschland kritisierte die SPD die Personalentscheidung umgehend. Johnson sei nicht als herausragender Diplomat in Erscheinung getreten, sagte der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner.

Die Ernennung Johnsons kann nach Ansicht der Grünen die britischen EU-Austrittsverhandlungen belasten. Die Wahl sei ein sehr schlechtes Signal und lasse Zweifel an den Fähigkeiten der neuen Premierministerin May aufkommen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Ähnlich äußerte sich Parteichefin Simone Peter. Damit habe May "den Bock zum Gärtner gemacht". Die Grünen-Chefin sprach davon, dass Johnson in Europa und darüber hinaus sein launenhaftes Unwesen treiben werde. Die Kanzlerin wollte die Berufung Johnsons bei ihrem Besuch in Kirgistan nicht kommentieren.

Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte an die Adresse Mays: "Wie kann sie in ihrer Antrittsrede von nationaler Einheit sprechen und dann den Mann, der das Land gespalten hat, als Außenminister einsetzen."

David Davis führt Brexit-Ministerium

Der frühere Londoner Bürgermeister wird jedoch nicht für die Austrittsverhandlungen zuständig sein. Für den Brexit wird es ein eigens neu geschaffenes Ressort geben, das der frühere Europa-Minister David Davis übernimmt. Neuer Schatzkanzler ist der bisherige Außenminister Philip Hammond. Finanzminister George Osborne trat zurück, könnte aber bei den Brexit-Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Liam Fox, der 2011 von seinem Amt als Verteidigungsminister wegen der Verquickung von beruflichen und privaten Interessen zurücktrat, ist nun Minister für internationale Handelsbeziehungen. Mays Nachfolgerin im Innenministerium ist die Abgeordnete Amber Rudd. Michael Fallon bleibt Verteidigungsminister.

"Ernennung von Boris Johnson war exzellente Idee"

In der britischen Presse wird die Ernennung Johnsons durchaus auch positiv aufgenommen. "May bringt die Brexiteers rein", titelt der "Telegraph". "Boris zu ernennen war eine exzellente Idee: er glaubt an den Brexit, aber er ist pro-europäisch; er will zusätzliche Kontrolle über die Migration, aber er ist für Einwanderung. Seine Ernennung wird helfen, den Brexit als ein liberales und die Globalisierung befürwortendes Projekt zu zementieren."

qu/fab (afp, rtr, dpa)