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Nordafrika stellt Weichen für Strom aus Wind und Sonne

Richard A. Fuchs28. April 2007

Bislang war Ökostrom aus der Sahara nur eine Vision: mit Wind und Sonne soll Nordafrika Europa mit grünem Strom versorgen. Das findet jetzt auch die Politik interessant – vor allem in Nordafrika selbst.

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Kleine Solar-Anlagen unzureichend: Für den Stromtransport nach Europa müssen Solarkraftwerke und Windparks herBild: KfW-Bildarchiv / Fotograf G.J. Lopata

An der engsten Stelle der Straße von Gibraltar liegen nur rund 14 Kilometer zwischen Europa und Afrika. Doch bei den Voraussetzungen für die Nutzung von Wind und Sonne zur Stromproduktion liegen Welten zwischen den beiden Kontinenten. Während es im sonnenreichen spanischen Andalusien bereits beachtliche 3000 Sonnenstunden im Jahr gibt, kann man in Ägypten mit mehr als 4300 Sonnenstunden rechnen. Und auch beim Wind hat Nordafrika die Nase vorn: vor der Küste Marokkos treibt ein konstanter Wind mit mehr als elf Metern pro Sekunde Windräder an. Zum Vergleich: vor Deutschlands Nord- und Ostseeküste müssen Windräder mit nur halb so viel Wind auskommen.

Ökostrom aus der Sahara

Kein Wunder, dass bei einer bis zu dreifach höheren Stromausbeute gerne über das Projekt "Ökostrom aus der Sahara" nachgedacht wird. Dabei könnte durch große Wind- und Solarkraftwerke mit mehreren hundert Megawatt Leistung sauberer Strom von Nordafrika nach Europa fließen. Eine Gruppe deutsch-jordanischer Forscher geht davon aus, dass dieser Ökostrom trotz enormer Anfangskosten schon 2020 billiger wäre als der in Europa durch Kohle- oder Atomkraft hergestellte Strom.

Grüne Öl-Scheichs vom Nil?

KfW Bankengruppe Solarenergie Kochtopf
Solar-Thermische Kraftwerke arbeiten mit Spiegeln - wie bei diesem Solar-KocherBild: KfW-Bildarchiv

"Ein Stück weit sind wir dieser Vision schon näher gekommen", sagt der ägyptische Energieminister Hassan Younes zu der Idee des Ökostroms. An der Küste des Golfes von Suez in Zafarana entsteht seit Ende der 1990er-Jahre einer der größten Windparks Nordafrikas. Von 180 Windrädern soll genügend Strom produziert werden, um 340.000 ägyptische Haushalte zu versorgen. Einige Windräder müssen noch aufgestellt werden, der erste Strom fließt aber schon seit dem vergangenen Jahr. Gewollter Nebeneffekt: der Windpark spart jedes Jahr 110.000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen ein.

Am Nil wird gerade ein von der Weltbank finanziertes Erdgas-Kraftwerk mit zusätzlichen Sonnenspiegeln ausgestattet. In diesen Spiegeln wird Licht eingefangen und Wasser erhitzt. Die in diesem solarthermischen Kraftwerk gewonnene Wärme treibt einen Dampfgenerator an, der Strom produziert. Energieminister Younes weiß, wie dringend diese Vorzeige-Projekte gebraucht werden: Ägypten verbraucht jedes Jahr rund sieben Prozent mehr Strom, und dieser Mehrbedarf kann nicht mehr durch die überlasteten Wasserkraftwerke am Nil ausgeglichen werden. So bleibt nur die Wahl zwischen klimaschädlichen Erdgas-Kraftwerken und erneuerbaren Technologien.

Technik "Made in Ägypten"

Damit aber überhaupt an einen Export von Ökostrom gedacht werden kann, müssen noch viele Anlagen wie in Zafarana gebaut werden. Ambitionierte Ziele können da nicht falsch sein, dachte sich Energieminister Younes. Wie Angela Merkel möchte auch er im Jahr 2020 mindestens 20 Prozent des Stroms durch Erneuerbare Energie erzeugen. Und das am liebsten durch Windräder und Solarkraftwerke "Made in Ägypten".

"Wir wollen ein Kompetenz-Zentrum für Gründer und Wissenschaftler aufmachen, so dass wir bereits bei der Entwicklung Erneuerbarer Technologien Partner sein können", sagt Younes. Eine richtige Entscheidung, meint Mohamed El-Ashry, Vorsitzender des Netzwerkes für Erneuerbare Energien REN21. "Wenn Nordafrika die notwendige Technik nicht selbst herstellen kann, dann wird der Ausbau Erneuerbarer Energie enorm verlangsamt."

Windkraft 'Musterländle' mit Problemen

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Marokkos zukünftige Goldesel stehen auf Felsklippen und haben RotorenBild: KfW-Bildarchiv / Fotograf G.J. Lopata

Vor einer solchen Verlangsamung des Ausbaus von Windparks und Solarkraftwerken hat man in Marokko Angst. Im April dieses Jahres wurde der zweite große Windpark an der marokkanischen Atlantik-Küste in Betrieb genommen – mit Windrädern aus den USA und Europa. Weil die wenigen internationalen Hersteller mit der riesigen Nachfrage aber vollkommen überlastet seien, hätten sich die Preise innerhalb kürzester Zeit verdoppelt, sagt man hinter vorgehaltener Hand in der marokkanischen Elektrizitätsbehörde ONE. Und das bringe handfeste Probleme für die eigenen Ambitionen.

15 Prozent Stromverlust auf 3000 Kilometern

Und auch der Transport des Ökostroms durch das Mittelmeer nach Europa bereitet noch Sorgen. Bislang existiert nur eine Unterwasser-Leitung zwischen Marokko und Gibraltar, die aber stark erweitert werden müsste. Im Nachbarland Tunesien verhandelt man deshalb mit Italien, wie weitere Leitungen von Nordafrika nach Sizilien verlegt werden können.

Wissenschaftler haben vorgerechnet: bei einem 3000-Kilometer-Transport zwischen Nordafrika und Finnland würden zwischen zehn und 15 Prozent Strom verloren gehen – doch das rechne sich noch immer. Der tunesische Staatssekretär für Erneuerbare Energien, Abdelaziz Rassaâ, will deshalb so schnell wie möglich 200 Megawatt grünen Strom nach Europa exportieren.