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Die Grüne Bewegung im Iran

Lewis Gropp17. Februar 2012

Kenner der Grünen Bewegung im Iran sind sich einig, dass die Bewegung trotz Repressionen lebendig ist. Aber was bedeutet der drohende Militärschlag für die Regimekritiker? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

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epa02589663 Thousands of Iranian government supporters stage a protest against opposition leaders on 18 February 2011 in Tehran, Iran. More than 200 legislators, several clerical groups and government supporters have called for the arrest and execution of Mir-Hossein Moussavi and Mehdi Karroubi, two leaders of the opposition Green Movement, for allegedly undermining the Islamic system and collaborating with foreigners. Thousands of government supporters gathered after Friday prayers in Enqelab Square in central Tehran and took up the call, shouting, 'Moussavi and Karroubi should be hanged.' EPA/ABEDIN TAHERKENAREH
Grüne Bewegung im IranBild: picture-alliance/dpa

Es war still geworden um die Grüne Bewegung im Iran, nachdem die Regierung die Proteste im Zusamenhang mit der Präsidentenwahl von 2009 niederschlagen ließ. Doch in dieser Woche wurde wieder protestiert.

Für Dienstag (14.02.2012) hatte der Koordinationsrat der Grünen Bewegung zu inoffiziellen Protestaktionen aufgerufen. Offizielle Aktionen werden vom Regime nicht geduldet. Also organisierten die Oppositionellen Schweigemärsche und Hupkonzerte. Außerdem wurde der Verkehr der Hauptstadt Teheran gestört, nachts ertönten wieder Allahu-Akbar-Rufe von den Dächern Teherans.

Mit diesem Ruf, "Gott ist groß", hatte die Grüne Bewegung schon im Juni 2009 gegen das Mullah-Regime protestiert. Gegen eine Anrufung Allahs können die Führer der islamischen Republik kaum etwas ausrichten.

Trotz Unterdrückung: ungebrochener Protest
Anlass der aktuellen Proteste ist der Jahrestag der Festsetzung von Mehdi Karroubi und Mir-Hossein Moussavi, den beiden führenden Köpfen der Grünen Bewegung. Im Februar 2011 hatten die beiden das Volk dazu aufgerufen, aus Solidarität mit den Aufständischen in Ägypten auf die Straße zu gehen. Die Demonstration wurde verboten, die beiden unter Hausarrest gestellt.

Seither hat sich die Lage für Oppositionelle im Iran stark verschlechtert, sagt Farhad Payar von der Berliner Organisation Transparency for Iran, die sich für Menschenrechte und Pressefreiheit engagiert. "Es gibt keine freien Zeitungen mehr, ständig werden Oppositionelle verhaftet. Die ausländischen Sender, auch die Deutsche Welle, werden gestört. Es gibt keine freie Meinungsäußerung mehr."

Trotz der massiven Unterdrückungsmaßnahmen ist Payar davon überzeugt, dass die Grüne Bewegung so lebendig ist wie eh und je. "So lange die Menschen sich einen Systemwechsel wünschen, so lange wird es diese Bewegung geben. Man kann die Wünsche der Menschen ja nicht mit Polizeigewalt aus den Köpfen verjagen", so der Schriftsteller und Politikwissenschaftler. "Das ist in der Geschichte der Menschheit noch nie gelungen."

Hamid Dabashi von der Columbia Universität in New York ist der gleichen Meinung. "Wenn man die Grüne Bewegung nicht auf öffentliche Kundgebungen und Demonstrationen reduziert, dann kann man konstatieren: Sie ist absolut lebendig und ungebrochen."

Spaltung der Grünen Bewegung
Dabashi, ein international renommierter Iranist und Kulturwissenschaftler, ist sogar der Meinung, dass der internationale Druck und der drohende Militärschlag gegen den Iran einen positiven Effekt auf die Grüne Bewegung gehabt haben. "Diese Entwicklung hat eine neue politische Kultur hervorgebracht", sagte er der Deutschen Welle. "Sie hat den rechten, neoliberalen Flügel der Bewegung, der sich für Sanktionen einsetzt und unter dem Deckmantel einer 'humanitären Intervention' sogar für einen Militärschlag plädiert, abgespalten."

Dieser "rechte" Flügel der Grünen Bewegung habe kein Interesse an Freiheit, Demokratie, Rechtstaatlichkeit oder der nationalen Unabhängigkeit des Landes. Mit seiner Abspaltung sei die Grüne Bewegung nicht mehr die vage und heterogene Gruppe wie bisher, sondern einheitlicher, sagt Dabashi, der auch Autor des Buches "Iran, the Green Movement and the USA" ist.

Militärschlag nützt dem Regime

Ganz anders sieht es Nader Hashemi, Assistenzprofessor an der Universität Denver und Experte für die Grüne Bewegung im Iran. "Das einzige, was das Regime noch retten kann, ist ein israelischer oder amerikanischer Militärschlag", so der Herausgeber des Buchs "The Green Movement and the Struggle for Iran's Future"."Die Sanktionen und die drohende Intervention haben den Spielraum für die Grüne Bewegung sehr stark eingeengt. Wenn ein Land von außen bedroht wird, fördert das den nationalen Zusammenhalt." Zum jetzigen Zeitpunkt sei es deshalb wesentlich schwieriger über Differenzen innerhalb verschiedener Fraktionen im Iran zu diskutieren. "Die repressive Politik des Westens stärkt das Regime und schwächt die Opposition", urteilt Hashemi.

Die Angst des Regimes vor dem eigenen Volk

Gleichwohl ist der Experte aus Denver überzeugt, dass das Regime große Angst vor der Grünen Bewegung hat: "Die iranische Führung agiert extrem paranoid. Einerseits behauptet sie, es gebe gar keine Grüne Bewegung. Aber warum hat das Regime dann tausende Sicherheitskräfte auf den Straßen von Teheran aufmarschieren lassen? Warum verschleudert es mehrere Millionen Dollar, nur um den freien Fluss der Informationen zu blockieren und zu zensieren?"

Das Regime sei sich seiner Unrechtmäßigkeit sehr stark bewusst, so Hashemi. "Tief im Inneren weiß es, dass das Volk sich von ihm abgewandt hat." Dieses Bewusstsein erzeuge Druck auf die Führung in Teheran. Berichten zufolge ist in den oberen Machtetagen ein Streit darüber entbrannt, wie man den Protesten begegnen solle. Vertreter des Regimes wüssten inzwischen, dass sie die Oppositionsführer Karroubi und Moussavi nicht ohne Weiteres vor Gericht stellen können. Ihnen sei außerdem bewusst, dass ein großer Teil des Volkes hinter ihnen steht. Ein Prozess würde das Land stark destabilisieren, so die Ratio der Machthaber.

Die Vertreter der Grünen Bewegung stehen nicht nur für ihre Forderungen nach Demokratie. Leute wie Karroubi und Moussavi waren gehörten zu den führenden Figuren der Islamischen Revolution von 1979. Sie haben das Land mit aufgebaut. Karroubi und Moussavi verleihen der Opposition so moralische Autorität. Deswegen kann man sie nicht ohne Weiteres öffentlich demontieren.

Vor den Wahlen: Risse im System

Trotz Repressionen ist die Grüne Bewegung also in der Lage, großen Druck auf das Regime auszuüben, sagt Farhard Payar von Transparency for Iran. "Bis in die obersten Führungsriegen gibt es Risse, man ist sich uneinig darüber, wie man mit den Dissidenten umgehen soll."

Kulturwissenschaftler Hamid Dabashi zufolge hat ein Funktionär der Revolutionsgarden den obersten geistlichen Führer des Landes, Ayatollah Chamenei, unlängst mit dem säkularen Gewaltherrscher Schah Mohamed Reza Pahlevi verglichen. Der Schah hatte den Iran bis 1979 regiert - auch seine Regierung basierte auf dem Konzept tyrannischer Herrschaft. Das Regime in Teheran zeige nach Außen äußerste Härte, doch im Innern brodele es, sagt Dabashi.

Im März stehen zudem Parlamentswahlen an. Ob hier aber noch einmal Bewegung in die politische Landschaft kommt, ist ungewiss. Ein Großteil der Reformer lehnt die Wahlen ohnehin kategorisch ab und tritt gar nicht erst an. Keiner der Reformer im Land hat irgendwelche Erwartungen an die Abstimmung. Dabashi bezeichnet die Wahlen schon jetzt als einen "Witz".

"Iran bewegt sich in Richtung Demokratie"

Einen politischen Wandel aus dem System heraus halten Beobachter deswegen für ausgeschlossen. Nach der Niederschlagung der Proteste von 2009 ist es offensichtlich geworden, dass die Regierung in Teheran jegliche politische Öffnung mit äußerster Gewalt zu unterdrücken bereit ist und auch vor Morden nicht zurückschreckt. Der Großteil der Oppositionellen ist deswegen im Exil, inhaftiert, oder tot. Ein Machtwechsel im Rahmen der gegebenen politischen Prozesse und auf der Basis der Konstitution wird also nicht zu haben sein, so der Konsens.

Laut Hamid Hashemi von der Columbia Universität läuft die Uhr für das Regime ab: "Man kann ein solches Regime nicht gegen gewichtige soziologische, demografische und historische Kräfte aufrecht erhalten. Der Iran bewegt sich in Richtung Demokratie", so der Experte. Auch der Berliner Experte Farhad Payar ist sich sicher: "Das Regime steht sehr stark unter Druck. Bald wird Bewegung in die Sache kommen."

Autor: Lewis Gropp
Redaktion: Friedel Taube

Farhad Payar: Politikwissenschaftler und Vorstandsvorsitzender von "Transparency for Iran" Bild: privat
"Das Regime steht stark unter Druck": Farhad Payar von Transparency for IranBild: privat
Bild von Nader Hashemi, Nahost- und Islamexperte Bild: Namjoo Hashemi Aufnahmeort: Los Angeles, USA Aufnahmedatum: 2006
"Die Uhr für das Regime läuft ab": der Islam- und Nahostexperte Nader HashemiBild: Namjoo Hashemi
Hamid Dabashi: Iranist und Kulturwissenschaftler, Professor an der Columbia University New York Bild: privat
"Die Grüne Bewegung ist absolut lebendig und ungebrochen." Der Iranist und Kulturwissenschaftler Hamid DabashiBild: privat
Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, Foto: AP
Moralische Autorität der Opposition: Mir Hossein Mussawi und Mehdi KarroubiBild: AP