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Kleidung ohne Gift

Ralph-Heinrich Ahrens10. Juni 2013

Viele Textilhersteller verwenden giftige Chemikalien. Doch seit die Umweltorganisation Greenpeace Modemarken deswegen anprangert, wollen immer mehr Händler darauf verzichten. Es gibt auch ungiftige Ersatzstoffe.

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Textilfabrik in Bangladesch (Foto: dpa
Textilfabrik in BanglaseschBild: picture-alliance/dpa

"Modemarken missbrauchen weltweit Flüsse als Abwasserkanäle", sagt Manfred Santen. Der Greenpeace-Mann ist aber Optimist. Er glaubt, viele Modemarken würden ihre T-Shirts und Hosen künftig sauberer produzieren lassen. Ihm geht es um Chemikalien, die beim Herstellen und Verarbeiten von Textilien eingesetzt werden.

Manche Chemikalien sind krebserregend oder beeinflussen das Hormonsystem. "Diese Chemikalien gelangen im Herstellungsland durch Fabrikabwässer in die Flüsse", erklärt Santen. Aber auch später, wenn die Kleidung in anderen Ländern verkauft wurde, treten die Gifte noch beim Waschen aus. Sie gefährden so weltweit das Trinkwasser und den Lebensraum von Fischen. Selbst wenn Textilien in den Regalen nicht giftig sind, kann es sein, dass sie dennoch mit Schadstoffen hergestellt worden waren.

Keine Marke ohne Gift

Alle führenden Modemarken setzen solche Chemikalien ein. Das bewies Greenpeace im Sommer 2012. Der Umweltverband ließ 141 Kleidungsstücke aus 29 Ländern von unabhängigen Laboren auf Schadstoffe testen: Jeans, Hosen, Kleider, T-Shirts und Unterwäsche. Sie stammten von Armani, Benetton, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, Gap, H&M, Jack&Jones, Levi's, Mango, Metersbonwe, Only, Tommy Hilfiger, Vero Moda, Victoria's Secret und Zara.

Vierzig Greenpeace Aktivisten protestieren in Bangkok gegen APEO (Foto: AP /Sakchai Lalit)
Mit der "Entgiftungskampagne Detox" kämpft Greenpeace gegen APEO-ChemikalienBild: AP

Das Ergebnis erschreckte Santen. "Wir wurden zwar nicht bei jedem Kleidungsstück, aber bei jeder Firma fündig", zum Beispiel bei der Modemarke Zara, einer Marke der spanischen Inditex-Gruppe. So hat das Labor in einer Zara-Jeans aus Pakistan krebserregende Substanzen aus Azofarbstoffen nachgewiesen. Eine Kinderjacke enthielt viel hormonell wirksame 'Alkylphenolethoxylate' - kurz APEO. Textilhersteller reinigen mit Hilfe dieser Chemikalien Garne und Kleidung. APEO bilden in Gewässern aber für Fische giftige Chemikalien. "Das ist seit 30 Jahren bekannt", weiß Alex Föller, Geschäftsführer des Verbands TEGEWA. Der Verband vertritt Chemiefirmen, die Textilhilfsmittel – also Mittel, die Textilhersteller beim Verarbeiten oder Reinigen von Textilien brauchen – herstellen. 

Doch diese fischgiftigen APEO lassen sich durch andere Chemikalien ersetzen – etwa durch ungiftige Substanzen, die 'Fettalkoholethoxylate' heißen. Aus ihnen entstünden in der Umwelt keine fischgiftigen Abbauprodukte, so Industriemann Föller. Deutsche Chemiefirmen haben daher bereits 1986 freiwillig darauf verzichtet, APEO in Waschmitteln für Textilien einzusetzen. In der EU ist der APEO-Einsatz inzwischen streng reguliert. Seit 2005 dürfen diese Chemikalien nur eingesetzt werden, wenn sie nicht mehr in das Abwasser gelangen können, doch weltweit fehlen solche strengen Regeln.

Mode mit Chemie statt Charme

Greenpeace wirft den Modeketten daher vor, dass deren Textilien unnötigerweise mit solchen Chemikalien behandelt werden. Die Modeketten reagieren empfindlich auf solche Vorwürfe. Seit 2011, als Greenpeace mit seiner 'Entgiftungskampagne Detox' begann, haben 17 große Marken – darunter adidas, Nike, H&M – zugesagt, bis 2020 generell bei der Herstellung der Kleidung auf die Schadstoffe zu verzichten. Zara hat sogar angekündigt ab Mai 2013 kein APEO mehr einzusetzen.

"Wir wollen genau wissen, bis wann welche Modeketten auf welche Chemikalien verzichtet", sagt Greenpeace-Mann Santen. Der Umweltverband will die Versprechen und ihre Umsetzung auf jeden Fall überprüfen

Dabei weiß Santen, dass die Modeketten vor großen Herausforderungen stehen: "Sie wissen oft nicht, welche Firmen wo was für sie herstellen oder verarbeiten." Das betrifft vor allem sogenannte 'Fast-Fashion-Marken' wie H&M und Zara. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, innerhalb weniger Wochen auf neue Trends zu antworten, Mode zu entwerfen, herstellen zu lassen und in die Läden zu bringen.

Dahinter stehe ein enorm hoher logistischer Aufwand, "bei dem es schwer ist, den Überblick zu erhalten, wie die einzelnen Textilien hergestellt werden", so Santen. Das Problem: Zulieferketten sind oft komplex. Industriemann Föller nennt ein Beispiel: "Ein Textilhersteller hat vielleicht 100 oder 200 direkte Lieferanten in China, Pakistan oder Bangladesch, die für ihn Textilien herstellen, die er nachher konfektionieren möchte." Diese Zulieferer wiederum kaufen jene Chemikalien, die sie zum Verarbeiten der Garne und Textilien benötigen, meist bei verschiedensten Firmen ein. Einige von ihnen sind Familienbetriebe, weiß Föller. "Fällt einer aus, tritt der Schwager oder der Cousin ein und liefert dann die entsprechenden Chemikalien." Einen Überblick habe hier niemand.

Eine Textilfabrik in Huaibei in China (Foto: Newscom picture alliance)
Händlern fällt es schwer, die Einhaltung der Regeln bis in letzte Glied der Zuliefererkette zu kontrollierenBild: picture alliance/Newscom

Saubere Chemikalien sind nicht teurer

Doch wird auf APEO verzichtet, werden das die Käufer der T-Shirts oder Hosen wohl nicht im Preis spüren, vermutet Föller. Die Ersatzchemikalien würden die Herstellungspreise nur im Cent-Bereich anheben. Kostspieliger könnten aber Kontrollen werden. "Zumindest in Stichproben müssen die Modefirmen dann prüfen lassen, ob ihre Lieferanten sich auch daran halten." Föller hat einen Tipp: "Lieferanten müssen auch Gefahr laufen, aus der Lieferkette herausgeworfen zu werfen, wenn sie gegen die Vorgaben verstoßen."

Dass solche Drohungen funktionieren, zeigt die Autoindustrie. Seit vielen Jahren müssen Zulieferbetriebe dort unterschreiben, dass ihre Produkte gewisse giftige Substanzen nicht oder nur in Spuren enthalten. Das gelte auch für die Hersteller von Sitzbezügen, sagt Hans Pfeil. Er leitet die Abteilung Toxikologie der Fordwerke Köln: "Stellen wir fest, dass unsere Vorgaben nicht eingehalten werden, klären wir das rigoros auf."

Und beseitigt ein Zulieferbetrieb dann die Fehlerquelle nicht, ergänzt Pfeil, darf er keine Sitzbezüge mehr liefern. Diese Drohung wirkt: So dürfen Fords Sitzbezüge nur Spuren an fischgiftigem Alkylphenolethoxylat enthalten. Fords Fachleute finden daher auch – wenn überhaupt – nur wenig dieser Substanzen in den Bezügen. Die Zulieferer spülen also die Textilien ausreichend, bevor sie sie an Ford weiterschicken – oder sie nutzen bereits ungiftige Ersatzchemikalien.

Für Greenpeace ist das zwar nicht genug. Sie wollen, dass ganz auf diese Fischgifte verzichtet wird, damit auch Flüsse in Bangladesch, China oder Vietnam sauberer werden. Das Beispiel der Autoindustrie zeigt jedoch: Auch komplexe Lieferketten lassen sich kontrollieren.