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Gezinkte Raketen

Steffen Leidel3. März 2003

Der Irak hat fristgerecht mit der Zerstörung seiner umstrittenen Al-Samoud-2-Raketen begonnen. Doch schon droht Saddam Hussein mit dem Ende der Waffenverschrottung.

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Kurz vor Bagdad: Keine Fotos von zerstörten RaketenBild: AP

Saddam Hussein badete sich im Interview mit dem US-Sender CBS in Unschuld: "Welche Raketen, was meinen Sie? Wir haben keine Raketen, die gegen die Bedingungen der UN verstoßen", erwiderte er dem Reporter. Der hatte nach den Al-Samoud-Raketen gefragt, von denen der Irak laut der UN-Inspekteure bis zu 120 Stück in den vergangenen Jahren hergestellt haben soll. Und das sei so auch in Ordnung, meinte die irakische Regierung, da die Reichweite der Raketen auf 150 Kilometer begrenzt sei. Diese Auflage hatte der Weltsicherheitsrat nach dem ersten Golfkrieg 1991 dem Regime gemacht.

Verbotene Reichweite

Die Waffeninspekteure der Vereinten Nationen (UN) sind jedoch überzeugt, dass der Irak gemogelt hat. Mehrere Tests haben ergeben, dass die Raketen zu weit fliegen, einige bis zu 183 Kilometer. Bagdad wehrte sich gegen den Vorwurf: die Reichweite sei lediglich bei Tests ohne Sprengköpfe und ohne Leitwerksysteme zu hoch gewesen. Das Ladegewicht entscheide darüber, wie weit Raketen fliegen.

Dennoch gibt es begründeten Anlass zum Misstrauen. So wurde der Durchmesser der Al-Samoud ("Standhaftigkeit") von 50 auf 76 Zentimeter vergrößert. Robert Schmucker, der zwischen 1995 und 1998 als UN-Inspekteur im Irak war, glaubt, dass die Iraker die Samoud zu Mittelstreckenraketen umzurüsten wollten. Der vergrößerte Durchmesser ermögliche es, zwei Motoren in die Rakete einzubauen. Dieser Verdacht wird durch die Meldung erhärtet, dass die Bagdader Regierung in den vergangenen Jahren 380 Motoren des sowjetischen Typs SA-2 illegal eingeführt hat. Schmucker beruft sich auch auf Videoaufzeichnungen, auf denen er "riesengroße" Raketenprüfstände ausgemacht hat.

Doch kaum hat der Irak am Samstag (1. März 2003) damit begonnen, seine Al-Samoud-Raketen zu zerstören, droht er mit dem Ende der Waffenverschrottung. Wenn die USA einen Militärschlag ohne UN-Mandat androhten, gäbe es für den Irak auch keinen Grund, sich an die Vorgaben der UN zu halten, heißt es aus Bagdad. "Sollte es sich während der frühen Phase der Verschrottung in diesem Monat herausstellen, dass Amerika nicht den legalen Weg nimmt, warum sollten wir dann weiter machen?", fragte der irakische Präsidentenberater General Amir El Saadi am Sonntag (2. März 2003).

Rakete von anno dazumal

Die Al-Samoud-Rakete ist eine klassische Flüssigkeitsrakete auf dem technischen Stand der sechziger Jahre. Sascha Lange, Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, vergleicht die Rakete mit der V2, die die Deutschen im Zweiten Weltkrieg einsetzten. Die V2 verbreitete Angst und Schrecken, weil niemand vorher wusste, wo sie einschlagen würde. "Die Al-Samoud ist trägheitsgelenkt und somit nicht besonders zielgenau", so Lange zu DW-WORLD. "Alle Treffer sind Zufallstreffer". Die Befürchtung von Großbritannien und den USA, der Irak könne die Raketen mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen bestücken, hält Lange aber für unwahrscheinlich. "Solche Kampfstoffe können effektiv nur von Flugzeugen versprüht werden."

Der ehemalige Waffeninspekteur Schmucker glaubt, dass Saddam Hussein die Al-Samoud-Raketen für die Zeit nach den Inspektionen retten wollte. Der Irak arbeite an einem Zweistufensystem, das aus der Al-Samoud und einer weiter entwickelten Scud-Rakete bestehe. "Sobald die Inspektoren abgezogen sind, holt er sich dann einfach russische R17-Scud-Raketen", sagt Schmucker. Nordkorea sei dafür ein möglicher Anbieter. Auf dem internationalen Markt gebe es ohnehin alles, was das Diktatorenherzen begehrt. "Es gilt: Sagen Sie was Sie brauchen und Sie bekommen es", so der ehemalige Waffeninspekteur.

Know-How ist entscheidend

Dass der Irak noch andere Raketen versteckt hält, will Schmucker nicht ausschließen. "Das Land ist so groß, da können sie beliebig viel verstecken." Vor dem Golfkrieg verfügte Bagdad noch über Raketen, die über 600 Kilometer weit fliegen konnten. Die Al Abbas hatte sogar eine Reichweite von 900 Kilometer. Selbst wenn die Inspektoren alles finden und zerstören würden, könne Saddam gleich wieder neue Raketen bauen. "Die Technik ist nicht wichtig, es geht um das Fachwissen." Und das hat der Diktator. "Der Irak arbeitet unheimlich gut", meint Schmucker, der selbst an einigen Raketentests im Irak anwesend war. Besonders verdächtig erscheint ihm das Verschwinden von General Ismail Ra´ad, eine Schlüsselfigur in den Raketenprogrammen Saddam Husseins. "Ich bin sicher, der sitzt in irgendeinem Land und arbeitet an einem neuen Programm."