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Gerhard Will: "China ohne klare Strategie"

Rodion Ebbighausen14. Mai 2014

In Vietnam kam es zu heftigen Protesten gegen China. Mehrere chinesische Farbiken gingen in Flammen auf. Gerhard Will ordnet die heftigen Ereignisse im Interview mit der DW ein.

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Deutschland SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Dr. Gerhard Will
Bild: SWP

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (13./14.05.2014) sind in Vietnam bei Protesten gegen Chinas Installation einer Ölplattform im Südchinesischen Meer nach offiziellen Angaben etwa 15 Fabriken angezündet und 100 beschädigt worden. Betroffen waren chinesische, aber auch taiwanische und südkoreanische Firmen. Alle Fabriken liegen in einem Industriepark in der südlichen Provinz Binh Duong. Insgesamt hatten mehr als 10.000 Vietnamesen an den Protesten teilgenommen. Am Mittwoch nahm die vietnamesische Polizei 500 Demonstranten fest.

Deutsche Welle: Haben Sie mit derartig heftigen Reaktion gerechnet?

Gerhard Will: Ich habe nicht damit gerechnet. Die Proteste machen aber deutlich, welches Gewaltpotenzial in der Gesellschaft und in dem Konflikt steckt. Im Nachhinein ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich die Proteste so gewaltsam entladen haben. Die vietnamesische Regierung hat lange gezögert, ob sie Demonstrationen überhaupt erlauben sollte. Nachdem sie die Demonstrationen jetzt zugelassen hat, muss sie allerdings feststellen, dass der Protest sehr schnell in äußerst gewaltsame Aktionen umschlägt. Das ist natürlich eine Intention, die die Regierung nicht verfolgt hat.

Wie Sie bereits andeuten, war die vietnamesische Regierung bisher immer sehr restriktiv, wenn es um Demonstrationen gegen China ging. Sehen Sie nun mit der Erlaubnis einen grundsätzlichen Umschwung auf Seiten der Regierung?

Die Regierung in Vietnam hat hier keinen klaren Kurs. Einerseits will sie den Nationalismus für die eigene Legitimation ausbeuten, andererseits weiß die Regierung auch, dass ein gesteigerter Nationalismus zu einer Dynamik führen kann, die die Regierung nicht mehr kontrollieren kann. Dieses Hin und Her ist auch einer der Gründe, warum die Proteste so eskaliert sind, denn die Regierung gibt keinen klaren Kurs vor.

Sie sprechen von einem Schwanken der vietnamesischen Regierung gegenüber ihren Bürgern. Wie würden Sie die chinesisch-vietnamesischen Beziehungen insbesondere mit Blick auf das Südchinesische Meer beschreiben?

Die Beziehungen beider Länder schwanken natürlich auch. Sie bewegen sich zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite gibt es die Freundschaft und Kooperation zwischen den Kommunistischen Parteien. China und Vietnam verfolgen politisch und ökonomisch eine vergleichbare Strategie. Auf der anderen Seite gibt es zwischen beiden Ländern erhebliche Widersprüche - nicht nur in der Geschichte, sondern auch aktuell. Sie spiegeln sich unter anderem in den Territorialkonflikten wider. Bei den Territorialkonflikten gibt es zwar ökonomische Motive, aber es geht auch um den Nationalismus, den beide Regierungen für ihre Herrschaftslegitimation nutzen wollen.

Was vermuten Sie waren die Gründe für China, die Ölbohrinseln in gerade diesen höchst umstrittenen Gewässern zu positionieren?

Zuerst einmal erstaunt, dass die Experten in dieser Gegend keine großen Erdöllager vermuten. Deswegen muss man davon ausgehen, dass es vor allem politische Motive waren, die China veranlasst haben, die Ölbohrplattform so nah an der vietnamesischen Küste zu platzieren. Es bleibt Spekulation, warum dieser Schritt gerade jetzt von China unternommen wird. Ich glaube allerdings, die chinesische Regierung will testen, wie weit die Solidarität der ASEAN-Staaten mit Vietnam reicht. Es geht auch darum zu testen, wie weit die Unterstützung bzw. die Zusammenarbeit der USA mit Vietnam und den Philippinen trägt. Die Ölbohrplattform ist ein Testfall, mit dem China ganz bewusst nach der ASEAN-Konferenz das Bündnis auf die Probe stellen wollte.

Wie belastbar ist das ASEAN-Bündnis denn aus Ihrer Sicht?

Die Reaktionen nach der ASEAN-Konferenz waren völlig unzureichend. Der ASEAN gelingt es einfach nicht, eine gemeinsame Position zu finden. Die Interessenunterschiede sind zu groß. Nicht alle ASEAN-Staaten haben Territorialkonflikte mit China und einige versprechen sich von einer Kooperation mit China mehr als innerhalb der ASEAN. Der "Test" Chinas hatte insofern eine Wirkung.

China hat laut Agenturberichten Indonesien gebeten, beschwichtigend auf Vietnam einzuwirken. Hat sich China bei dem "Test" vielleicht doch verkalkuliert?

Die Bitte an Indonesien, in dem Konflikt zu vermitteln, scheint mir ein geschicktes Manöver zu sein. Zum einen soll es zeigen, wie uneins die ASEAN ist und zum anderen soll es die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft Chinas signalisieren.

Mit den massiven Reaktionen, die wir jetzt in Vietnam beobachten können, hat China sicher nicht gerechnet. China erkennt auch, dass Vietnam und die Philippinen näher zusammenrücken. Bislang hatte sich Vietnam zur Klage, die die Philippinen vor dem Internationalen Seegerichtshof angestrengt haben, zurückhaltend geäußert. China ist jetzt dabei, wieder zurück zu rudern. Das zeigt nicht zuletzt, dass auch China keine wirklich konsistente Strategie in der Südchinesischen See verfolgt.

Gerhard Will ist Südostasien-Experte und war utner anderem in der Asien-Gruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin tätig.