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Gerechtigkeit im Sudan?

Ute Schaeffer / Redaktion: Klaudia Pape5. März 2009

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat erstmals in der Rechtsgeschichte gegen einen amtierenden Präsidenten Haftbefehl erlassen. Ute Schaeffer kommentiert.

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Bild: DW

Es ist, als ob die Demonstranten die Propaganda ihres Präsidenten demonstrativ umsetzen wollten: „Ein echter Sudanese stellt sich niemals gegen seinen Präsidenten, wenn dieser ihn braucht", titeln die Plakate der Präsidialverwaltung. Tausende demonstrierten in der sudanesischen Hauptstadt Khartum gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen Präsident Omar Al-Baschir. Drei Dutzend überwiegend afrikanische Staaten haben damit gedroht, ihre Anerkennung des Strafgerichts in Den Haag aufzugeben. Der Fall Al-Baschir droht, die Weltgemeinschaft vor eine Zerreißprobe zu stellen.

Die Liste der Staaten, welche den Strafgerichtshof nicht vorbehaltlos unterstützen, wird länger werden. Bisher gehören ihr die USA, Russland, Indien, Pakistan, China, Israel und der Iran an. Und auch die Menschen im Sudan werden die Auswirkungen des Haftbefehls spüren: Er wird die ohnehin schwierige humanitäre Situation weiter verschlechtern, Khartum hat erste Hilfsorganisationen des Landes verwiesen. Er wird die Friedenssuche schwieriger machen: Eine Rebellengruppe in Darfur hat aufgrund des Haftbefehls bereits ihre Teilnahme an den Friedensgesprächen aufgekündigt. Und er wird das Land, das als Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen gilt, weiter in die Isolation treiben. Es ist der erste Haftbefehl gegen einen Präsidenten, der noch im Amt ist. Und er löst zu Recht die Frage aus: Lässt sich Gerechtigkeit erreichen, ohne vorher Frieden zu schaffen?

Sudan nach dem Bürgerkrieg Polizist
Können im Krisenstaat Sudan Strafen durchgesetzt werden?Bild: AP

Erster Haftbefehl gegen amtierenden Präsidenten

Nein, antworten hier Institutionen wie die Afrikanische Union und Staaten, die es wissen müssen. Ob für Ruanda, für das ehemalige Jugoslawien oder für Südafrika: Erst nach einem Friedensschluss, nach dem Ende von Krieg und Genozid wurden die politisch Verantwortlichen strafrechtlich belangt.

Es ist keine Frage: Al-Baschir ist verantwortlich im Sinne des Statuts des Gerichts für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen. Er muss dafür zur Verantwortung gezogen werden. Doch warum jetzt? Und ist der Haftbefehl das richtige Instrument, Krieg und Gewalt im Sudan zu beenden? Hier sind Zweifel angebracht. Es hätte viele andere Instrumente gegeben, doch die Internationale Gemeinschaft hat sich nicht darauf verpflichten wollen: harte UN-Sanktionen zum Beispiel, politischer und wirtschaftlicher Druck von Seiten der wichtigen Handelspartner allen voran China. Und warum lieferten westliche Staaten immer noch Waffen in den Sudan, wenn man dort den Frieden will?

Kritik der afrikanischen Union

Der internationale Strafgerichtshof in den Haag
Der internationale Strafgerichtshof in den HaagBild: ICC

Niemand ist für Straflosigkeit, auch nicht arabischen Staaten, nicht die Afrikanische Union, welche den Haftbefehl nun kritisieren. Doch – und das ist ein ebenso wichtiges wie richtiges Argument: Es lässt sich keine Strafe umsetzen in einem Konfliktstaat wie dem Sudan. In dem gleich mehrere Regionalkonflikte eskalieren, der nur schwache politische Institutionen hat und kaum Partizipation der Menschen und der in diesem Jahr überdies vor wichtigen Wahlen steht. Zumal von einem Gericht, welches den Haftbefehl zwar aussprechen kann, ihn aber nicht umsetzt, sondern auf die Zusammenarbeit der betreffenden Staaten angewiesen ist.

Zu Recht fragt die Afrikanische Union, die sich ihrerseits in vielen Missionen mühevoll um Frieden auf dem Kontinent bemüht: Warum ermittelt Den Haag eigentlich nur gegen Afrikaner? Das Gericht befasst sich derzeit mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Uganda, in Darfur, der Zentralafrikanischen Republik und dem Kongo. Wie für Kriege und Konflikte auf dem Nachbarkontinent auch, wäre es weit besser, afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme anzustreben. Tatsächlich sieht die Afrikanische Union einen gemeinsamen Gerichtshof vor. Der ist allerdings noch Zukunftsmusik.

Rückendeckung möglichst vieler Staaten

Sudan: Flüchtling, junges Mädchen
Die Menschen im Sudan wünschen sich FriedenBild: dpa

Um Gerechtigkeit durchzusetzen, einen Haftbefehl überhaupt umsetzen zu können, braucht Den Haag die klare Rückendeckung möglichst vieler Staaten. Der Fall Al-Baschir wird den Internationalen Strafgerichtshof schwächen. Gerade die afrikanischen Staaten gehörten zu seinen Unterstützern. Es waren die reichen, entwickelten Staaten, die sich bisher schwer taten.

Der Internationale Strafgerichtshof hat konsequenter gehandelt als die politische Staatengemeinschaft, die sich auf ein entschiedenes Vorgehen gegen Khartum wegen Eigeninteressen nicht einigen konnte. Der Haftbefehl zeigt, dass auch ein amtierender Staatschef verantwortlich ist, dass das Völkerrecht für alle gilt. Das ist ein wichtiges politisches Signal.

Doch die Entscheidung des Gerichts in Den Haag wird weder Gerechtigkeit noch Frieden im Sudan bringen können. Es hätte viele Wege gegeben, Khartum entschlossen und gemeinsam die Grenzen aufzuzeigen. Der Einsatz der Strafjustiz zum jetzigen Zeitpunkt ist ganz sicher nicht das geeignete Instrument, um politische Lösungen zu befördern.