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Generationswechsel im polnischen Kino

Anna Maciol20. Juni 2012

Kreativ, mutig, jung. Die jungen Filmregisseure wagen es, offen über die Wirklichkeit zu sprechen. Zu den großen Namen wie Andrzej Wajda oder Roman Polanski gesellen sich junge, experimentierfreudige Regisseure.

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Filmkameras in einem Filmstudio in Warschau (Foto: DW/Maciol)
Filmkameras in einem Filmstudio in WarschauBild: DW

Seit Jahren sieht man sie über die roten Teppiche der renommierten Filmfestspiele schreiten: Die Rede ist von Andrzej Wajda, Agnieszka Holland, Roman Polanski. Sie haben das polnische Kino international bekannt gemacht, auf den großen Festivals präsentieren auch heute ihre Filme immer wieder überaus erfolgreich. Und unvergessen ist nach wie vor Krzysztof Kieslowski.

Neben den bekannten Namen hat das polnische Kino aber noch mehr zu bieten. In den vergangenen fünf Jahren haben viele neue, oft junge Filmregisseure debütiert und dabei erste Erfolge verbucht. Janek Komasa, Kasia Roslaniec und Leszek Dawid sind nur einige neue Namen."Das polnische Kino schafft es, immer wieder neue talentierte, namhafte Regisseure hervorzubringen. Das war immer unsere Stärke. Erst haben wir Wajdas oder Hollands Filme gesehen. Jetzt genießen wir Komasas, Roslaniecs und Leszeks Filme", erklärt der Filmkritiker Lukasz Maciejewski.

Regisseur Jan Komasa (Foto:DW/Anna Maciol)
Regisseur Jan KomasaBild: DW/Anna Maciol

Es sieht so aus, als fänden die polnischen Altmeister des Kinos ihre würdigen Nachfolger. Nach der Zeit der Wende und der Transformation beschreitet die polnische Filmindustrie neue Wege. Die neuen Regisseure sprechen eine mutige Sprache. Ihre Filme zielen auf das internationale Publikum.

Die Debütanten

Die neuen polnischen Filmmacher lassen sich keiner festen Gruppe oder Strömung zuordnen. Jeder einzelne von ihnen ist eine künstlerische Persönlichkeit, die ihren eigenen, persönlichen Stil und Ausdrucksform entwickelt hat.

Szene aus dem Film "Suicide Room" von Jan Komasa (Foto: Copyright: Filmstudio Kadr)
Szene aus dem Film "Suicide Room" von Jan KomasaBild: Filmstudio Kadr

"Ich hatte sehr viel Glück, dass ich meinen ersten Film vor meinem 30. Geburtstag produzieren konnte", erzählt der Regisseur Jan Komasa. "Das war früher nicht möglich, denn erst seit es das Polnische Filminstitut (PISF) gibt, finden junge Filmemacher finanzielle Unterstützung. Seit 2005 unterstützt das Institut Debütfilme. Zwischenzeitlich können wir von einer PISF Generation sprechen“, sagt Komasa.

Auch der Regisseur Leszek Dawid freut sich darüber, dass jemand den jungen Autoren Freiräume eröffnet und dabei bewusst Risiken eingeht. "Um im Kino zu starten, benötigt man Mut und Risikobereitschaft. Beides haben wir, und man hat uns eine Chance eingeräumt, die wir genutzt haben", sagt Dawid.

Sehnsucht nach Europa - Polen # 19.06.2012 # Kultur.21 # deutsch

Geschichten für die ganze Welt

Das, was das neue polnische Kino charakterisiert, sind Geschichten, die zeit- und ortsunabhängig verstanden werden können. Lange Zeit konzentrierte sich der polnische Film fast ausschließlich auf die aktuelle gesellschaftliche Situation Polens, sie waren für das ausländische Publikum oft unverständlich und wenig attraktiv.

Szene aus dem Film "Suicide Room" von Jan Komasa (Foto: Copyright: Filmstudio Kadr)
Gemischte Technik - Szene aus dem Film "Suicide Room" von Jan KomasaBild: Filmstudio Kadr

Jan Komasa wollte bewusst mit diesem Trend brechen und mit seinen Film einen breiten, internationalen Zuschauerkreis ansprechen. "Ich möchte, dass meine Filme auf der ganzen Welt gezeigt und gesehen werden", sagt er. Sein Film "Suicide Room" aus dem Jahre 2011 spielt in einer Stadt ohne Namen. Die Hauptfigur von "Suicide Room" ist ein Junge aus gutem Hause, elegant gekleidet und von den Frauen umschwärmt. Gelangweilt von seinem Leben flieht er in den Cyberspace des Internets, wo er als Avatar ein virtuelles Leben führt. Im "Suicide room" lernt er eine Frau kennen. Er beginnt mit ihr eine virtuelle Affäre, die darin gipfelt, dass man sich auf einen gemeinsamen Selbstmord verständigt.

"Die Filme reflektieren immer häufiger die Wirklichkeit, in der wir leben. Ich beobachte den Alltag", sagt Kasia Roslaniec. Die junge Regisseurin hat 2010 mit dem Film "Shopping girls" debütiert. Er handelt von jungen Mädchen, die sich älteren Männern für Konsumgüter verkaufen. Ihre Freier suchen sie sich in Shopping Malls aus. Nach der Auffassung von Lukasz Maciejewski ist es sowohl Komasa als auch Roslaniec gelungen, das junge Publikum zu begeistern. "Das ist neu in Polen. Vorher gab es keine Filme für die junge Generation.

Den Zuschauer zum Denken provozieren

Ein weiterer Vertreter des "neuen polnischen Kino" ist Leszek Dawid." Sein Debüt „Ki“ aus dem Jahr 2011, präsentiert eine ganz neue Kinoheldin, die ambivalente Emotionen hervorruft: Man liebt sie oder man hasst sie. Kinga, Abkürzung „Ki“, ist eine alleinerziehende Mutter, die versucht, das Beste aus ihrem Leben zu machen und es zu genießen. Sie will etwas erreichen, weiß aber nicht so recht, was eigentlich ihr Ziel ist. "Ich habe den Film gedreht, weil mich die Welt von Ki fasziniert. Ich bin angezogen und entsetzt zugleich. Das Vorbild meiner Filmgestalt wohnt in Deutschland, aber der Film spiegelt ihr Leben nicht vollständig wider. Wir erzählen eine universelle Geschichte", meint Dawid.

Filmemacherin Kasie Roslaniec (Foto: DW/Maciol)
Filmemacherin Kasie RoslaniecBild: DW

Das neue polnische Kino zeigt die Protagonisten in einer modernen Welt mit der sie sich auseinandersetzen müssen. Alle jungen Filmemacher vermeiden es die Wirklichkeit zu beurteilen, sie zeigen und dokumentieren sie vielmehr. Dabei lassen sie bewusst vieles im Unklaren, damit der Zuschauer selbst seine eigenen Schlüsse ziehen kann. "Durch den Film will ich das Publikum zum Denken provozieren. Ich freue mich, wenn die Zuschauer in meinen Filmen eine Geschichte über sich selbst finden", sagt Leszek Dawid.

Stilistische Experimente

Die jungen Filmemacher experimentieren immer mutiger mit dem Stil. Das europäische Kino und das Internet bringen vielerlei Inspirationen und Innovationen. Die Grundlage des Erfolgs der drei jungen Filmemacher sei es, dass sie die Elemente des kommerziellen Kinos mit denen des Autorenkinos mischen, urteilt Maciejewski.

Leszek Dawid - der polnische Filmregisseur (Autor: Marek Weiss)
Leszek Dawid - der polnische FilmregisseurBild: Marek Weiss

Ein Beispiel für diese Stilart ist der Film "Suicide Room", in dem Komasa viele verschiedene Filmtechniken nutzt. Da die virtuelle Wirklichkeit in seinem Film die Hauptrolle spielt, kam Komasa die Idee, den Spielfilm mit Animationselementen zu verbinden. "Ich wollte Ausdrucksformen des Internets in einem Film zeigen. Die ganze Vielfalt von Techniken und Plattformen. Wir nutzen auch 2d- und 3d-Technologien. Wir haben an dem Film drei Jahre gearbeitet", sagt Komasa.

Kasia Roslaniec glaubt, dass ein guter Film nicht nur ein gutes Thema braucht, sondern auch einen guten Stil. "Das Polnische zeitgenössische Kino hat noch nicht seinen endgültigen Stil gefunden. Jeder ist letztlich noch auf der Suche. Ich werde aber versuchen, in meinem nächsten Film auf die klassische Narration zu verzichten, mit den Erzählstilen zu spielen und zu experimentieren.", sagt Roslaniec.

Leszek Dawid am Set (Autor: Katarzyna Kural)
Leszek Dawid - der polnische Filmregisseur am SetBild: Katarzyna Kural

Sowohl die Kritiker als auch die Filmemacher sind sich einig: Das neue polnische Kino soll verständlich sein und das wirkliche Leben zeigen, zugleich originell sein und die Zuschauer faszinieren. Die jungen Autoren sind auf dem guten Weg dahin, meint Lukasz Maciejewski: "Polen öffnet sich und will in Europa präsent sein."