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Gemeinsam gegen Extremismus

Naomi Conrad7. Mai 2013

Die Deutsche Islamkonferenz wendet sich gegen wachsende Muslimfeindlichkeit. Verbände fordern Gleichberechtigung und kritisieren die Konzentration auf Sicherheitsfragen.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich einen Empfehlungskatalog zur Weiterführung der DIK überreicht. (Foto: Soeren Stache/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Um Sicherheit geht es auch vor Beginn der Tagung: Die Polizistin inspiziert die Handtasche akribisch, öffnet jeden Reißverschluss und befiehlt dann, auch noch den Laptop zu starten. Ihre Kollege lehnt sich vor und flüstert verschwörerisch: "Nicht, dass das eine Attrappe ist. Sie wissen schon." Das Plenum der Deutschen Islamkonferenz (DIK) trifft sich am Dienstag (07.05.2013) in Berlin und die Sicherheitsvorkehrungen sind groß. Überall wachen Polizisten: Vor den Türen zum Pressezimmer, am Eingang zum Konferenzsaal, sogar neben den Tischen, auf denen sorgfältig aufgereiht Kaffeetassen und Orangensaftflaschen stehen. 

Inhaltlich ist Sicherheit ohnehin allgegenwärtig: Ein Thema der Plenarsitzung ist Feindlichkeit gegen Muslime, aber auch Antisemitismus und Radikalisierung von Muslimen stehen auf der Agenda. Und genau diese beiden Schwerpunkte haben bereits im Vorfeld der Konferenz bei Vertretern von muslimischen Verbänden für großen Unmut gesorgt. Bekir Alboga ist einer von ihnen. Er vertritt die türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion in Köln und gibt vor dem Eingang zum Konferenzsaal seiner Wut in einem Interview nach dem anderen freien Lauf: "Wir Muslime leben seit mehr als fünfzig Jahren in Deutschland und haben längst bewiesen, dass wir kein Sicherheitsfaktor sind."

Muslime sind "kein Sicherheitsfaktor"

Das Innenministerium habe das Thema Sicherheit und Extremismus zu sehr in den Mittelpunkt der Islamkonferenz gerückt, die 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufen wurde. Sie soll Plattform sein für den Dialog zwischen dem Staat und muslimischen Verbänden und die Integration fördern. Dabei sei das Thema Muslimfeindlichkeit doch viel wichtiger.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (zu dapd-Text) (Foto: Michael Gottschalk/dapd)
Friedrich: "Dialog zwischen Staat und Islam hat sich positiv entwickelt"Bild: dapd

Die Kritik kann Turgut Yüksel vom Frankfurter Jugendring nicht nachvollziehen. "Die muslimischen Verbände glauben, dass es nur einen Punkt gibt, der wichtig ist: Muslimfeindlichkeit.“ Aber wer die Mehrheit der Muslime in Schutz nehmen wolle, der müsse auch offen den Antisemitismus unter arabischen Jugendlichen ansprechen und die Radikalisierung bestimmter Gruppen.

"Störfeuer", so nennt Esra Kücük die hitzige Debatte um die Sicherheitsfragen. Sie ist Projektleiterin der Jungen Islam Konferenz. Das bundesweite Netzwerk junger Muslime und Nicht-Muslime, strukturell und finanziell unabhängig von der DIK, hat zum Konferenzauftakt einen Forderungskatalog an Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) überreicht. Die Kernforderung: Sämtliche Sicherheitsfragen ganz aus der DIK herauszunehmen und den Fokus auf das ursprüngliche Ziel der Konferenz legen, die Gleichstellung der islamischen Religionsgemeinschaften mit christlichen und jüdischen Gemeinden. Das soll gelten für muslimische Feiertage oder Islamunterricht an staatlichen Schulen.

Gleichstellung in Bundesländern vorantreiben

Die DIK habe zwar schon viel geleistet, sagt Kücük und verweist auf die Studien über Muslime in Deutschland, die im Auftrag der DIK entstanden sind, den von der Konferenz erarbeiteten Leitfaden für die Ausbildung von Imamen und die Einführung von islamischer Theologie an mehreren Universitäten. Doch jetzt sei es an der Zeit, innerhalb der nächsten vier Jahre einen Aktionsplan zu entwickeln, um eine Gleichstellung in allen Bundesländern voranzutreiben. Denn Religionsfragen sind Sache der Bundesländer, und im Umgang mit muslimischen Gemeinden gibt es große Unterschiede.

Sämtliche Sicherheitsfragen müssten von einer Enquete-Kommission, also einer parteiübergreifenden Arbeitsgruppe im Bundestag, diskutiert werden. "Das hat in der DIK nichts zu suchen, schließlich ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht nur Muslime betrifft", so Kücük. Das müsse das Innenministerium einsehen.

Esra Kücük, Projektleiterin Junge Islam Konferenz - Deutschland (JIK)
Kücük: DIK soll sich auf Kernthema besinnenBild: privat

Projekt zur Jugendförderung verabschiedet

Im Pressesaal weist Bundesinnenminister Friedrich die Kritik zurück. "Terror und Sicherheit waren nie Themen der Islamkonferenz." Sicherheit sei ausdrücklich ausgenommen von der Konferenz. Das diesjährige Thema sei bereits 2010 von den Teilnehmern der Konferenz festgelegt worden. Er spricht lieber von dem Präventionsprogramm für Jugendliche, das die Konferenz verabschiedet hat. Projekte, die sich gegen Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamismus richten, sollen speziell gefördert werden. Abwehrstrukturen gegen religiös motivierten Extremismus und Muslimfeindlichkeit müssten gestärkt werden, etwa durch das gezielte Vorgehen gegen Propaganda im Internet. Die Betonung legt Friedrich auf das "und" - und dann fügt er hinzu, dass Prävention nicht als Abwehr verstanden werden dürfe, sondern als Stärkung der Demokratie und Gesellschaft.

Im Foyer schüttelt Esra Kücük von der Jungen Islam Konferenz den Kopf, ihre braunen Locken hüpfen um ihre Ohren. "Das war noch enttäuschender als ich erwartet hatte. Ich meine, wenn es bei Extremismus nicht um Sicherheit geht, worum dann?" Auch die Enquete-Kommission sei nicht thematisiert worden.

Vor dem Kaffeetisch steht noch immer ein gelangweilt aussehender Polizist, neben der Tür haben sich zwei seiner Kollegen aufgebaut und an der Sicherheitsschleuse werden noch immer Taschen kontrolliert.