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Gedenken in Saipan

Alexander Freund27. Juni 2005

60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und 61 Jahre nach der amerikanischen Eroberung der Insel Saipan, stragisches Ziel im Pazifikkrieg, ehrt das japanische Kaiserpaar mit einem Besuch die Opfer aller Nationen.

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Der japanische Kaiser AkihitoBild: dpa

Wenn man als Tourist ein wenig im Sand rumstochert, findet man immer noch Patronenhülsen, und beim genauen Blick auf die Lagune sieht man die liegengebliebenen Panzer, an denen sich heute Muscheln und Krebse tummeln. Auch sechzig Jahre nach Kriegsende finden sich überall Spuren des erbitterten Kampfes um Saipan.

Kriegsschauplatz Pazifik

Auf dem Höhepunkt des Krieges im Südpazifik eroberten die amerikanischen Truppen nach und nach die Inseln im Südpazifik, um von dort aus strategische Bomberoffensiven gegen die japanische Hauptinsel fliegen zu können. Im Juni 1944 eroberten sie die Marianen-Inseln, die 6000 km südwestlich von Hawaii liegen, wobei es beim Kampf um die Hauptinsel Saipan zu dramatischen Verlusten auf beiden Seiten kam.

Der Pazifikkrieg begann mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941. Nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 kapitulierte Japan am 15. August bedingungslos. Damit war der Zweite Weltkrieg auch in Asien beendet.

Symbolischer Besuch

Wochenlang hatten sich die japanischen Inselbewohner gegen die US-amerikanische Besatzung gestemmt, und als sich eine Niederlage nicht mehr abwenden ließ, stürzten sich hunderte Japaner an der Nordspitze der Insel lieber in den Tod als sich den verhassten Feind zu ergeben - Soldaten, Händler, Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm, denen jahrelang Gräuelgeschichten über die amerikanischen Soldaten eingeimpft worden waren. Noch heute pilgern jährlich Tausende Japaner zu dem so genannten "suicide cliff", wo eine Gedenkstätte an den sinnlosen Tod ihrer Landsleute erinnert. Auch der japanische Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko werden an der schroffen Felsklippe der Toten der blutigen Schacht um Saipan gedenken.

Entsprechend hoch ist der symbolische Stellenwert dieses kaiserlichen Besuchs am 27. und 28. Juni, ist es doch das erste Mal, dass das Kaiserpaar die Kriegstoten außerhalb des japanischen Territoriums ehrt. Und das in einer Zeit, in der vor allem China und Korea mit Argusaugen den japanischen Umgang mit der eigenen Geschichte beobachten.

Kriegsstrategisch wichtige Festung

30 Jahre lang hatte Japan die strategisch wichtige Insel Saipan okkupiert. Zuvor, von 1899 bis 1914, stand Saipan unter deutscher Verwaltung. Nach dem Abzug der Deutschen besetzten 1914 japanische Truppen die Insel und bauten diese zur stark befestigten Garnison mit bis zu 30.000 Soldaten aus. Unter anderem wurden dazu auch mehrere Tausend koreanische Arbeiter zwangsverpflichtet.

Die Wende im Pazifikkrieg zeichnete sich nach der Schlacht um Midway ab, als das US-Militär die Taktik des so genannten Inselspringens nutzte. Da bereits die Salomonen und die Gilbertinseln sowie die Marshallinseln und Neu-Guinea mit dieser Taktik zurückerobert werden konnten, beschloss man, an dieser Art der Kriegsführung festzuhalten. Als nächstes sollten nun die Marianen-Inseln unter Kontrolle gebracht werden, da diese in einer für pazifische Verhältnisse geringen Entfernung von etwa 2.400 km vor dem japanischen Festland lagen. Diese Entfernung entsprach der Reichweite der amerikanischen B-29-Bomber. Mit Basen auf den Marianen konnte außerdem ein erster Keil zwischen das japanische Mutterland und die wichtigen Rohstoffgebiete in Indonesien getrieben werden. Auch als Nordflanke für die Rückeroberung der Philippinen war die Inselgruppe von großer strategischer Bedeutung.

Hohe Verluste auf allen Seiten


Entsprechend massiv war die Schlacht um Saipan. Am 15. Juni 1944 landeten die US- Marines an der südwestlichen Küste der etwa 20 km langen und 9 km breiten Insel, um nach dreiwöchiger Schlacht die japanischen Truppen von der Insel zu vertreiben. Bei der Schlacht starben fast 60.000 Menschen, die meisten von ihnen Japaner. Doch nicht nur 43.000 japanische Soldaten und etwa 12.000 japanische Zivilisten kamen ums Leben, auch etwa 3.500 Amerikaner und rund 4000 Koreaner wurden bei der Schlacht getötet. Entsprechend erwarten auch die heute auf Saipan lebenden Koreaner eine angemessene Entschuldigung vom japanischen Kaiser. Und die japanische Regierung stellte gleich klar, dass Kaiser Akihito sehr wohl aller Kriegsopfer gedenken will, nicht nur der japanischen Opfer.

Heute Touristenparadies


Nach dem psychologisch wichtigen Fall Saipans 1944 nutzten die US-Streitkräfte die Pazifik-Insel für ihre ausgedehnten Luftangriffen auf das japanische Festland. Doch es dauerte noch 14 Monate, bis Japan kapitulierte. Ausschlaggebend war aber nicht nur der verlorene Pazifikkrieg, sondern vor allem die beiden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Heutzutage benutzen die US-Streitkräfte vorrangig die benachbarte Insel Guam als unsinkbaren Flugzeugträger im Pazifik, während sich Saipan als größte Insel und Hauptstadt der nördlichen Marianen zu einem Touristenparadies gemausert hat - vor allem für japanische und südkoreanische Urlauber. Entsprechend sind in den Supermärkten alle Waren nicht nur in englischer, sondern auch in japanischer und koreanischer Sprache ausgezeichnet. Und die dreieinhalbtausend meist beleibten Bewohner Saipans verdienen gut an den zahlungskräftigen Touristen und genießen als US-Bürger den komfortablen Commenwealth-Status. Und die alten Animositäten werden höchstens gepflegt auf dem Golfplatz ausgetragen.

Die Insel Saipan wurde nach Kriegsende von der UNO unter amerikanische Verwaltung gestellt. Seit 1978 nimmt den Status eines mit den USA assoziierten Staates ein.